Kapitel 5

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Die Straße war gesäumt von Feldern, auf denen das Korn nur darauf wartete geerntet zu werden oder gerade eingefahren wurde. Ich hatte viel Zeit, die Bauern bei ihrer Arbeit zu beobachten sowie die anderen Reisenden, die wir in flottem Trab überholten, denn Ren und ich wechselten kein Wort. Worüber hätten wir auch reden sollen? Ich hatte nicht die Absicht, ihm meine Lebensgeschichte zu erzählen und vermutete, dass er es nicht anders hielt. Alle anderen Themen, so sehr sie mir auch auf der Zunge brannten, waren nicht für die Ohren jener bestimmt, die ihren Weg mit uns teilten.

Um die Mittagszeit, die Sonne hatte gerade ihren Zenit überschritten und verkroch sich hinter einer Wolkenbank, wendete Ren auf einmal auf einen Feldweg und bedeutete mir mit seiner Hand, ihm zu folgen. Verwirrt wendete ich ebenfalls ab, war gleichzeitig allerdings erleichtert über die Schrittpause. Die langen Trabphasen waren ohne Sattel eine Tortur für meine Muskeln und ich hatte das Gefühl, Savana ginge es nicht anders.

»Was machen wir hier?«, fragte ich und unterdrückte es, japsend nach Luft zu schnappen.

Ren drehte sich in meine Richtung. »Die Straßen sind gut, aber ich bevorzuge es, auf abgelegeneren Wegen zu reisen.«

Das war keine schlechte Idee. Je weniger Leute uns sahen, desto eher blieb ich unentdeckt. Eine triviale Schlussfolgerung wegen der ich sogar in Kauf nahm, langsamer voranzukommen.

Wir folgten dem Feldweg bis zu einem kleinen Pfad, der in den Wald führte. Ich manövrierte Savana zwischen Sträuchern und Wurzeln hindurch und duckte mich nicht selten, um tiefhängenden Ästen auszuweichen. Nach einigen ein paar hundert lichtete sich das Gestrüpp auf einmal und wir trafen auf eine Schneise, die sich zwischen den Bäumen hindurchzog. Sie war breiter als nur ein Wildwechsel. Als ich einen Baumstumpf erblickte, war ich mir sicher, dass dieser Weg von Menschenhand geschaffen war.

»Die Holzfäller arbeiten diesen Sommer in einem anderen Abschnitt«, sagte Ren. »Hier werden wir keiner Menschenseele begegnen.«

»Ausgezeichnet. Dann ist jetzt die perfekte Gelegenheit um mich über die Eckdaten deines geplanten Raubs aufzuklären.«

Dass ich gerade mit einem Fremden durch den Wald ritt, war unbezweifelbare Realität. Dass ich ihn danach fragte, was für ein Verbrechen begehen würden, eher ein schlechter Witz. Ob ich mich daran gewöhnen würde?

»Jetzt ist nicht die Zeit, um so etwas zu besprechen.« Ren starrte stur nach vorne und trabte an.

Ich ließ Savana zu ihm aufschließen. »Meine Frage galt lediglich den Eckdaten. Was willst du wem entwenden?«

»Hast du Zweifel?«, fragte Ren.

»Woran?«

»Ich glaube, es ist nicht nötig, diese Frage weiter zu spezifizieren.«

Ich seufzte. »Wie soll ich an etwas zweifeln, von dem ich nichts weiß?«

»Du weißt, dass es nicht mit den Gesetzen dieses Reiches konform geht«, sagte Ren. »Das ist meiner bescheidenen Meinung nach genug Information, um Zweifel zu hegen.«

Wollte er mich solange hinhalten, bis ich zugab, dass ich an meiner leichtfertig (sowie unter Alkoholeinfluss) getroffenen Entscheidung zweifelte, nur um dann einen Grund zu haben, mir Details vorzuenthalten? Im Vergleich zu anderen Leuten, mit denen ich einen halben Tag verbracht hatte, hatte ich wenig mit Ren gesprochen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ihn in dieser Hinsicht einschätzen zu können. Er drehte einem die Worte im Mund um, änderte Bedingungen, ließ einen dumm fühlen. Jetzt konnte ich nachgeben, ihn ignorieren oder es wie gestern Abend machen und den Spieß umdrehen.

Von einer Prinzessin, die auszog, um Heldin zu werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt