Kapitel 40

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Wir folgten dem Grafen durch die Eingangshalle zu einem Seiteneingang, von dem aus wir das Haus auf einer weniger prachtvoll als die Front beleuchteten Seite verließen. Ein gepflasterter Weg schlängelte sich hin zu einem etwa zweihundert Meter entfernten Gebäudekomplex, bei dem es sich um die Ställe handeln musste.

Dag ging lockeren Schrittes voran. Er mochte zwar der Gastgeber sein, doch er zeigte nichts von der permanenten Anspannung, die meine Eltern an den Tag legten, wenn sie Gäste empfingen. Ganz so als könnte ihn nichts und niemand aus der Fassung bringen. Als könnte ihm nichts und niemand Schaden zufügen. Als wäre er unbesiegbar.

»Hier sind wir«, sagte Dag, begleitet von einer ausladenden Geste mit dem Arm, als wir vor den Ställen ankamen. Er öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück. »Nach Euch.«

Im Gegensatz zur Imposanz des Herrenhauses waren die Stallungen schlicht. Die Stallgasse wurde von einer Handvoll Öllampen erhellt, die alle paar Meter an einem Stützbalken angebracht waren. Die Pferde standen in ihren Boxen. Ein paar hatten ihren Kopf gehoben, um zu sehen, wer ihre Nachtruhe störte, doch die meisten fraßen gemächlich ihr Heu.

»Nur zu, seht Euch um«, forderte der Graf uns auf, als wir zunächst abwartend stehenblieben.

Ich ging gemächlich an den Boxen vorbei, betrachtete die wirklich wunderschön aussehenden Pferde und blieb schließlich vor einer bildschönen Schimmelstute stehen, die mich geflissentlich ignorierte. Ich gab vor, sie mir näher anzusehen, während ich meine Sinne nach dem Zauber ausstreckte. Es war nicht leicht sich zu konzentrieren, während Marianna aufgeregt mit Graf Dag plapperte und ihn zwischen ihren unzähligen Fragen kaum zu Wort kommen ließ. Sie meinte es wirklich viel zu gut mit ihrem Versuch, ihn zu umschmeicheln. Schließlich gelang es mir, alle Umgebungsgeräusche auszublenden, doch nichts. Der Zauber war hier nicht zu spüren.

»Gefällt sie Euch?«

Ich zuckte zusammen, als Dags Stimme plötzlich neben mir ertönte.

»Oh Verzeihung, Frau von Rotenfels, ich wollte Euch nicht erschrecken.«

Ich winkte ab. »Schon gut, Herr Graf. Ich war mesmerisiert von diesem wunderhübschen Pferd.«

»Ausgezeichnet.« Er schenkte mir ein knappes, kalkuliertes Lächeln. »Wenn Ihr wünscht, könnt Ihr beizeiten wieder hierherkommen und sie in Bewegung sehen.«

Ich erwiderte sein Lächeln. »Oh, liebend gern. Das wäre wirklich eine Ehre, Herr Graf. Ich kann es kaum abwarten.«

Eigentlich hätte ich unseren Wortwechsel hiermit beendet, doch etwas störte mich. Ich stand nun hier im Stall und hatte dadurch keinen Fortschritt erreicht. Der Zauber war von hier aus nicht aufspürbar. Dafür bot sich mir gerade die seltene Gelegenheit, mit Dag in aller Ruhe zu reden. Diese durfte ich mir nicht entgehen lassen. Also musste ich anfangen Fragen zu stellen.

»Wie seid Ihr eigentlich zur Pferdezucht gekommen, Herr Graf?«, fragte ich ins Blaue hinein, bevor er sich wieder Marianna zuwenden konnte.

»Oh das ist keine sonderlich spannende Geschichte«, sagte er. »Es ist eine Freizeitbeschäftigung – und keine günstige, wenn ich das so sagen darf. Ein langgehegter Traum, den ich mir erfüllt habe, sobald ich die Gelegenheit dazu hatte.«

Ich hoffte, dass gerade kein unwillkürlicher, triumphierender Ausdruck über mein Gesicht gehuscht war, denn dass Dag seinen Reichtum selbst erwähnt hatte, war wie ein Hauptgewinn.

»Sollte ich eines Tages die nötigen finanziellen Mittel aufbringen können, wäre es sicherlich auch einer meiner Träume, den ich mir verwirklichen würde«, erwiderte ich. »Und – ohne unhöflich sein zu wollen und wenn doch, Herr Graf, dann pardon – ich muss zugeben, ein winziges bisschen neidisch deswegen auf Euch zu sein.«

Von einer Prinzessin, die auszog, um Heldin zu werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt