Kapitel 11

158 25 25
                                    

In der nächsten Woche kehrte etwas ein, das man in gewöhnlichen Haushalten wohl als Normalität bezeichnete. Es gab keine weiteren Aufträge für mich und da Ren und Vic den ganzen Tag über fort waren, verdingte ich mir meine Zeit mit Myrdin und Tilly. Hätte man mir vor einer Woche gesagt, ich würde mich mit einem alten Mann und einem zwölfjährigen Mädchen prächtig amüsieren, hätte ich wahrscheinlich gelacht. Jetzt war mir die Zeit, in der wir zusammen um den Küchentisch saßen und über alle Neuigkeiten redeten, die durch die Stadt getragen wurden, die liebste. Einen Großteil des Tages brachte ich nämlich mit viel profaneren Dingen zu.

Am Tag nach unserem Besuch beim Silberschmied bat Myrdin mich auf den Markt zu gehen und einzukaufen. Für gewöhnlich schicke er Tilly oder Vics Verlobte Mariella, doch jetzt, da ich hier lebte, könnte es mein Anteil an der Haushaltsführung werden.

Glücklicherweise konnte ich ihn davon überzeugen auf Tilly zu warten, die mich zu den besten Ständen lotste und mir überhaupt erst sagte, was Myrdin alles benötigte. Abgesehen davon hatte ich anscheinend kein gutes Verhältnis zu Geld.

»Du hast gerade doppelt so viel für die Möhren und den Kohl gezahlt als normal«, raunte Tilly mir nach meinem ersten Kauf an einem Gemüsestand auf dem mittleren Markt zu.

»Sieht mir wirklich jeder an, dass ich über Geld verfüge?«, seufzte ich.

»Nein, aber du hast nicht verhandelt«, erklärte Tilly, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

Geschäftsverhandlungen waren mir nicht neu, ganz im Gegenteil. Ich hatte jedoch nicht angenommen, dass sie auch alltägliche Einkäufe so sehr beeinflussten. Hätte ich Tilly nicht mitgenommen, würden Myrdin und Ren sich wahrscheinlich darüber beschweren, dass ich den Haushaltsetat zu schnell aufbrauchte.

Eine weitere wichtige Lebenserfahrung machte ich am nächsten Tag. Noch immer waren die Kleider, in denen ich den Palast verlassen hatte vom Dreck der Straße bedeckt und da ich nicht die ganze Zeit in einem zu feinen Dress umherlaufen wollte, beschloss ich, zu waschen.

Als ich diese Idee am Frühstückstisch äußerte, beäugte Myrdin mich skeptisch, doch Ren sagte: »Nur zu. Ich habe auch noch ein paar Kleidungsstücke, die einer Wäsche bedürfen. Wenn es dir nichts ausmacht, lege ich sie gleich neben den Waschzuber.«

»Solange es sich nicht um eine komplette Garderobe handelt, sollte es kein Problem sein«, sagte ich zuversichtlich.

»Ausgezeichnet. Dann zeigt Myrdin dir gleich, wo du alles Nötige findest.«

Eine halbe Stunde später fand ich mich im Hof wieder, einen mit Wasser gefüllten Bottich sowie ein Waschbrett vor mir. Außerdem hatte Myrdin mir ein Stück Seife in die Hand gedrückt. Jetzt musste ich das alles unter den neugierigen Augen Savanas und Pegasus' nur noch zusammenbringen.

Am Anfang schien es noch leicht. Zuerst weichte ich die Kleidung ein, dann kam die Seife mit ins Spiel. Diese und mit ihr zusammen den Schmutz wieder aus der Wäsche herauszubekommen, war die wahre Herausforderung.

Es dauerte nicht lange, da begannen meine Arme an Kraft zu verlieren und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte der Stücke bearbeitet. Außerdem war die Haut an meinen Fingern nicht nur wegen des Wassers verschrumpelt, sondern wurde a den Knöcheln sogar schon rissig.

Wie viele Wäscherinnen wir im Palast beschäftigen musste, um dem Bedarf nachzukommen... Die armen Frauen saßen wahrscheinlich tagaus tagein da und schrubbten sich die Hände blutig.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es eine einfache oder gar angenehme Beschäftigung war, aber dass es solche Schmerzen mit sich brachte... Ich zog die steifen, klammen Finger aus dem Wasser und knetete sie einmal durch, bevor ich weitermachte. Die kurze Pause hatte keine Besserung verschafft.

Von einer Prinzessin, die auszog, um Heldin zu werdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt