Kapitel 14

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 „Ich glaub, ich gehe jetzt besser." Simon sah mich verwirrt an. „Wieso das? Du hast das Zimmer doch noch gar nicht gesehen."

„Ja, aber irgendwie passt das nicht. Ich glaube, wenn wir hier zusammenwohnen würden, könnte das für uns alle sehr anstrengend werden."

Simon runzelte die Stirn. Ihm schien es nicht zu gefallen, dass ich jetzt schon wieder gehen wollte. „Tut mit leid, wirklich, aber vielleicht findet ihr ja wen anders."

Mit zwei Schritten war Simon plötzlich bei mir. Aus Reflex machte ich einen Schritt nach hinten, traf aber auf eine Wand. Meine Augen wurden groß, als Simon die Distanz zwischen uns überbrückte und beide Arme an der Wand rechts und links neben meinem Kopf abstützte.

„Wenn es dir lieber ist, können wir das mit dem Bett gern noch einmal überdenken." Mit tiefer Stimme und dunklem Blick sah Simon mich lange an. Ich hatte meine Stimme verloren, da ich nicht wusste, wie ich am besten reagieren sollte. Es war, als wäre ich erstarrt.

„Was sagst du? Mein Zimmer ist gleich hier. Wenn du deines nicht sehen willst, kann ich dir meines zeigen." Ich schüttelte den Kopf. Gut. Das war immerhin schon eine Bewegung, derer ich fähig war. „Bitte Simon, lass mich gehen."

Simon nahm eine Hand von der Wand und griff nach einer Strähne meines Haares. „Wieso? Gefällt dir der Gedanke nicht?"

„Nein, das tut er wirklich nicht." Ich versuchte sicher zu klingen, wusste aber, dass es nicht ganz gelang. Meine Unsicherheit hatte aber nichts damit zu tun, dass ich vielleicht doch auf das Angebot von Simon eingegangen wäre. Es hatte eher damit zu tun, dass mein Herz raste, ich versuchte meine Angst zu unterdrücken und nicht panisch zu werden.

„Wirklich?"

Ich nickte. „Ja."

Anstatt mich gehen zu lassen, beugte Simon sich weiter vor und wollte mich küssen. Mein Gedanken rasten, aber mit kam nichts brauchbares in den Sinn. Kurz bevor seine Lippen auf meine trafen, hob ich blitzschnell meinen Arm und legte meine Hand über Simons Mund. Er riss die Augen auf. Dann kam wieder Leben in meinen Körper. Ohne weiter nachzudenken, riss ich mein Knie hoch und trat Simon zwischen die Beine. Meine Hand dämpfte sein Stöhnen, ehe er zusammenbrach.

Ich bekam wieder Luft. Mein Herz raste noch immer, aber ich hatte das Gefühl wieder frei atmen zu können. Bevor Simon wieder aufstehen konnte, lief ich zur Tür und verließ die Wohnung. Gehetzt lief ich die Treppe nach unten und rannte fast schon aus der Haustür ins Freie. Es war schwül draußen und trotzdem kam es mir so vor, als gäbe es keine bessere Luft. Noch immer raste mein Herz und erste jetzt bemerkte ich den Schweiß, der sich auf meiner Haut gebildet hatte. Ich zitterte leicht, doch ich wollte nur hier weg.

Die Situation war nicht allzu gefährlich gewesen, aber ich hatte trotzdem solche Angst bekommen, da ich keinen Fluchtweg gesehen hatte. Simon kam mir in diesem Moment so unberechenbar vor. Hätten seine Freunde ihn abgehalten, wenn ich geschrien hätte? Ich erschauderte, als ich mir andere Ausgänge und Szenarien der Geschichte durch den Kopf gehen ließ.

Schnellen Schrittes lief ich zurück zur Haltestelle, als am Arm festgehalten und zurückgezogen wurde. Weitere Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab, in denen Simon mir hinterherlief, mich festhielt und zurückzerrte. Wie sollte ich mich auch wehren können? Trotzdem wollte ich mich losreißen und schaffte es im nächsten Moment sogar. Überrascht taumelte ich ein paar Schritte nach hinten, stolperte die Bordsteinkante herunter und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Ein weiterer Ruck ging durch meinen Körper. Dann fand ich mich kniend auf dem Gehweg wieder.

Erschrocken sah ich auf und blickte in zwei haselnussbraune Augen, die mich besorgt musterten. „Natalie? Hörst du mich? Jetzt sag doch was!" Liam schrie mich an und die Besorgnis seiner Augen wandelte sich in Panik um. Ich blinzelte. Liam? Liam! Es war wirklich Liam.

Solange ich bei dir binWo Geschichten leben. Entdecke jetzt