Kapitel 56

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Die Sonne war schon aufgegangen und schien in das Zimmer, als Liam sich schließlich regte und langsam aufwachte. Ich war müde, aber schon längst über dem Müdigkeitspunkt hinaus, als dass ich jetzt noch hätte einschlafen können. Ich lächelte, als Liam ein Murmeln von sich gab, ehe er sich auf den Rücken drehte. Er runzelte kurz die Stirn und öffnete dann die Augen. Einen Moment sah Liam an die Decke, dann drehte er seinen Kopf zur Seite und sah mich an. Abwartend erwiderte ich seinen Blick, die Hände gefaltet unter meine Wange gelegt. Ich konnte Liams Blick nicht deuten, also lächelte ich zaghaft.

„Guten Morgen." Liam wirkte überrascht. Ich lächelte ihn ein wenig mehr an. „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?"

Liam runzelte die Stirn. „Ja."

„Und das verwundert dich?"

„Ich schlafe nur sehr selten durch. Du bist wirklich ein Wunder Natalie." Nun war es an mir, die Stirn zu runzeln. „Wieso?"

„Na ja, du liegst neben mir und ich kann problemlos durchschlafen. Ich will nicht sagen, dass ich total schwere Schlafprobleme habe, aber erholsam war die Nacht trotzdem."

Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Das ist echt lieb von dir."

„Das meine ich ernst." Liam drehte sich zu mir auf die Seite, legte einen Arm über meine Hüfte und zog mich zu sich heran. Ich schnappte erschrocken nach Luft, weil ich nicht erwartet hatte, dass er mich so problemlos mit einem Arm zu sich heranziehen würde können.

Liam sah mich halb amüsiert, halb mit männlicher Zufriedenheit an und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Er löste sich aber nicht von mir, sondern blieb so dich neben mir liegen. Stirn an Stirn. Die Augen geschlossen. „So könnte ich jetzt den ganzen Tag verbringen", murmelte er nach kurzer Zeit. Ich kicherte und schmiegte mich weiter in Liams Umarmung. Es fühlte sich so natürlich an. So, als würde ich hier hingehören. Als wäre ich... zu Hause.

„Hast du gut geschlafen?"

Die Frage war harmlos. Das wusste ich. Und auch der Klang von Liams Stimme wirkte so beiläufig und zufrieden, dass er keine Antwort außer „Ja" erwartete. Wahrscheinlich ist es für Menschen, die wirklich nicht schwer gestört waren, schon so normal, darauf zu antworten. Meine Reaktion machte den Moment zunichte. Ohne es verhindern zu können, spannte sich mein Körper an. Von selbst durchlief er noch einmal meine ganzen Gedanken, Ängste und Befürchtungen der letzten Nacht.

Liam entging das natürlich nicht. Er schob sich ein Stück von mir weg und sah mich prüfend an. Langsam ließ er seinen Blick über jeden Zentimeter meines Gesichtes wandern. Von Sekunde zu Sekunde wurde mir mulmiger zumute. Liam musste auf keine Antwort von mir warten. Er sah sie.

„Du hast gar nicht geschlafen." Ich sagte nichts. „Nicht mal für einen Moment?", fragte er nun ziemlich erschüttert. Ich schüttelte leicht den Kopf. „Es tut mir leid", flüsterte ich. „Ich wollte, aber ich konnte nicht."

„Wieso?" Auch Liam hatte die Stimme gesenkt. „Weil..." Ich atmete einmal die durch. „Weil ich Angst habe." Liam runzelte die Stirn. „Nicht vor dir. Oder Mike. Ich weiß ja eigentlich, dass ich hier sicher bin. Wirklich. Aber trotzdem ist da diese Angst, dass etwas passieren könnte. Dass ich, wenn ich am verwundbarsten bin, verletzt werde." Meine Stimme brach mit den ersten Tränen, die sich in meinen Augen sammelten.

„Wer hat dir wehgetan, Nat? Was ist passiert?" Liam sah mich aus tieftraurigen Augen an und suchte in den Meinen eine Antwort auf seine Frage. Plötzlich riss er die Augen auf. „Hat dich jemand... Wurdest du... Nat, wurdest du vergewaltigt?"

Ich blinzelte. „Was? Oh Gott, Liam nein. Nein, wirklich nicht. Es ist ganz anders. Die Sache liegt eigentlich schon so lange zurück."

„Aber sie macht dir noch immer Angst."

Solange ich bei dir binWo Geschichten leben. Entdecke jetzt