Kapitel 38

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Die nächsten Wochen verliefen unspektakulär. Es hatte sich nicht viel geändert. Außer, dass es noch ruhiger in der Wohnung geworden war. Liam redete gar nicht mehr mit mir. Ich sah ihn nur immer flüchtig und nur für wenige Sekunden. Er schien meinen wöchentlichen Rhythmus zu kennen, denn zwei Wochen nach Semesterbeginn sah ich Liam gar nicht mehr. Ich wusste, dass er Zuhause war, doch ich bekam ihn nie zu Gesicht. Mike redete auch nur sehr selten mit mir. Er schien mich noch immer dafür verantwortlich zu machen, dass er und Liam sich nicht mehr so gut verstanden. Und ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Denn ich gab mir die Schuld ja ebenfalls.

Die einzigen Lichtblicke waren Fiona, die Arbeit und überraschenderweise auch Adam und Patrick, die mir das Gefühl gaben, in San Francisco angekommen zu sein. Auf Arbeit verlief alles, wie es sollte. Es gab schwere Tage, gute Tage, anstrengende Tage und Tage, an denen ich lieber nicht zur Arbeit gegangen wäre. Aber so war der Alltag im Krankenhaus nun mal. Die Arbeit in der Notaufnahme gefiel mir sehr gut. Ich war nach kürzester Zeit vollkommen in das Team integriert geworden und man bat mich schon jetzt, nicht mehr zu wechseln. Das machte mich stolz und es klang auch sehr verführerisch, denn die Arbeit in der Notaufnahme gefiel mir zunehmend besser.

Fiona und ich sahen uns nicht nur regelmäßig auf Arbeit, sondern auch auf dem Campus zwischen den Vorlesungen. Sie war mittlerweile meine beste Freundin geworden. Wir trafen uns zum Kaffee, gingen abends mal aus oder verschwanden für Stunden in der Innenstadt zum schoppen von Kleidung und Schmuck. Wir hatten die gleichen Interessen, mochten dasselbe Essen und fanden den Humor des anderen genial.

Grandma besuchte ich nach und nach auch wieder regelmäßiger. Ich hatte mir schon oft vorgenommen, zu fragen, warum ich wirklich in Schottland bleiben musste, doch ich traute mich nicht. Auf der einen Seite, weil ich Angst vor der Wahrheit hatte und auf der anderen, dass sie mir vielleicht auch einfach eine Lüge erzählen konnte. Da war es mir fast lieber, es nicht zu wissen und unwissend irgendwann mal zu sterben.

Zwei- bis dreimal die Woche sah ich auch Adam, der meistens mit Patrick unterwegs war. Ich fragte oft nach Adams Unternehmen und wie es sich entwickelte. Zwischenzeitlich hatte ich herausgefunden, dass Hugh, der dritte aus dem Bunde, Jura studierte. Er war sehr eigen, lachte nie und schien auch sonst sich für nichts wirklich begeistern zu können. Er war schwer ihn einzuschätzen, aber da ich ihn nur sehr selten sah, konnte es sein, dass ich einfach mehr Zeit mit ihm verbringen musste, um ihn verstehen zu können.

„Würdest du mit mir ausgehen?" Ich knabberte an einer Minisalami, als Patrick mir die Frage stellte. Wir saßen zusammen mit Hugh und Adam auf einem Hügel nahe des Campus im Schatten eines Baumes und warteten kollektiv auf unsere nächsten Vorlesungen. Ich sah zu Patrick, der mich tatsächlich erwartungsvoll ansah, als würde er die Frage ernst meinen. Einen Augenblick kaute ich noch auf der Salami rum, bis ich das Stück, dass ich im Mund hatte, herunterschluckte und die Stirn in Falten legte.

„War das eine ernst gemeinte Frage?" Patrick nickte und ich glaubte ein Schnauben von Hugh zu hören. Ich warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, doch er lag ausgestreckt neben mir und hatte eine Sonnenbrille auf. Es wirkte, als würde er schlafen. Wieder einmal fragte ich mich, ob ihn in den langen dunklen Sachen nicht warm war, jedoch hatte ich bei Hugh noch nie den kleinsten Schweißtropfen entdeckt.

Ich sah wieder zu Patrick, der mich noch immer erwartungsvoll ansah. Ich lachte. „Nein Patrick. Werde ich nicht", antwortete ich ehrlich und zuckte entschuldigend mit den Achseln. Adam, der hinter Hugh im Schneidersitz saß und schon eine Weile auf seinem Laptop herumtippte, lachte kurz auf. Ob wegen dessen, was er am Computer machte oder weil ich Patrick eine Abfuhr gegeben hatte, wusste ich nicht.

„Und mit einem anderen von uns?"

„Wieso sollte ich mit einem von euch ausgehen?", fragte ich und hob eine Augenbraue. Patrick zuckte mit den Achseln und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes dunkelblondes Haar. „Wieso nicht? Magst du uns nicht?"

Solange ich bei dir binWo Geschichten leben. Entdecke jetzt