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War ich zu hart mit meiner Mom? Eigentlich wollte ich mich schon längst entschuldigen, weil ich echt ein schlechtes Gewissen hatte, aber irgendwas hat mich zurückgehalten, denn eigentlich habe ich die Wahrheit gesagt und man sollte sich nicht für die Wahrheit entschuldigen, oder?

Meine Mom wiederum hat mich heute morgen mit Schweigen gestraft und es hat mich auch nicht wirklich gestört, denn daran habe ich mich schon gewöhnt. Wenn wir uns mal streiten, was ziemlich selten vorkommt, dann sprechen wir uns nicht danach aus, sondern meine Mutter schweigt mich an. Das war schon immer so und das wird sich bestimmt auch nicht ändern.

"Ava, über was denkst du denn die ganze Zeit nach?", reißt mich Megan aus meinen Gedanken.

Ich schaue sie überrascht an und merke wie sie mein Geschicht mit ihren braunen Augen mustert. Heute trägt sie ihre dunkelbraunen, langen Haare glatt, wie fast jeden Tag, obwohl sie eigentlich total schöne Wellen hat.

"Ich weiß auch nicht. Über alles und nichts. Das macht bestimmt keinen Sinn.. Ich weiß auch nicht.", antworte ich etwas überfordert und schaue sie an.

Doch statt mich verwirrt anzuschauen, nickt sie bloß.
"Dir geht's heute nicht so gut, oder?"

Ich will ihr zuerst widersprechen, doch dann fällt mir auf, dass es mir wirklich nicht gut geht. Ich fühle mich einfach so unwohl in meinem Körper, so als ob ich hier gar nicht hingehören würde... so als ob ich nicht mein Leben leben würde, sondern ein ganz Anderes.

Ich nicke nur.

"Vielleicht sollten wir heute nach der Schule wieder etwas unternehmen, um dich etwas aufzumuntern.", schlägt Megan vor.

"Geht leider nicht, ich habe heute wieder Tennis Training.", antworte ich aus Reflex aus.

"Oh, okay.", meint Megan monoton.

Sie sagt es zwar nicht, aber ich weiß, dass sie etwas enttäuscht ist, denn immer wenn sie etwas mit mir machen möchte, habe ich Training.

Den weiteren Rest des Schultages begleitet mich weiter dieses unwohle Gefühl, auch als ich endlich zu Hause ankomme, hält es an.

Mein Vater ist immer noch arbeiten, was keine Überraschung ist. Langsam habe ich das Gefühl, dass er viel mehr Zeit auf der Arbeit verbringt als Zuhause. Meine Mom ist aber da und sie schweigt mich weiter an, als ich durch die Haustür komme.

Genervt von diesem Theater, laufe ich nach oben und packe meine Trainingstasche. Da ich gerade viel zu faul bin meine Tennissachen anzuziehen, beschließe ich, dass ich mich erst auf dem Tennisplatz umziehen werde.

Ohne etwas zu essen oder etwas zu meiner Mom zu sagen, verlasse ich schnell wieder das Haus und mache mich auf dem Weg zum Tennisplatz. Wie immer habe ich gerade meine Kopfhörer drin und höre das neue Album von Shawn Mendes.

Als ich dann vorm Tor des Platzes stehe, merke ich, dass ich überhaupt keine Lust auf Tennis habe und das nicht nur in diesem Moment, sondern schon seit mehreren Monaten. Und dann höre ich wieder Alecs Stimme in meinem Kopf:
"Mach das wofür du brennst und hör auf für andere zu leben."

Bevor ich es mir noch anders überlegen kann, laufe ich schon in die andere Richtung. Er hat so recht! Wenn mein Dad will, dass ich Tennis spiele, kann ich das gerne tun, aber nicht sechsmal die Woche!

Das alles ist so absurd! Ich fühle mich so, als ob ich die ganze Zeit im Trance gelebt habe und jetzt erst aufgewacht bin.

In dieser Schockstarre laufe ich einfach immer weiter, ohne genau zu wissen wohin. Aber ich habe nicht nur keine Ahnung, wohin ich laufe, sondern auch nicht wohin ich mit meinem Leben oder auch generell mit mir selbst soll.

How I learnt to live   Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt