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Am nächsten Tag bin ich immer noch total überwältigt, dass das Casting gestern so gut gelaufen ist und ich kann nicht verhindern, dass ich mit einem Dauergrinsen durch den Tag laufe.

"Ein seltener Anblick: Meine Tochter durchgehend gut gelaunt.", kommentiert mein Dad lächelnd, während er in der Küche sitzt und Zeitung liest.

"Ja, ich glaube, dass mir heute nichts die Laune kaputtmachen kann.", antworte ich strahlend.

"Das ist auch gut so, denn du hast dir das ganze auch verdient. Ich habe, um ehrlich zu sein, auch nicht erwartet, dass du so gut singen kannst.", mein Dad guckt mich stolz an.

"Oh, danke.", ich schaue ihn etwas verlegen an, denn ich kann mich nicht daran erinnern, dass mein Dad mich jemals gelobt hat.

Ich will gerade schon die Küche verlassen, doch dann fällt mir wieder etwas ein, auf das ich meinen Dad schon seit mehreren Tagen ansprechen will.

"Ach Dad, ich habe noch eine Frage..", ich wende mich wieder ihm zu.

"Schieß los.", erwidert er nur und schaut mich dabei neugierig an.

"Nun ja... also...", ich stocke kurz... Ist es wirklich so eine gute Idee meinen Vater auf das anzusprechen, was meine Mutter mir letzte Woche in der Psychiatrie gesagt hat?

Denn immerhin war mein Dad dagegen, dass ich sie besuche und wahrscheinlich hat sie auch nur wirres Zeug geredet.

"Ja?", hackt mein Dad nach.

Ich schaue ihn perplex an.
"Ach, vergiss es. Es ist nicht wichtiges."

Jetzt wo wir beide gute Laune haben, sollte ich diesen Moment echt nicht zerstören.

Ich verlasse schnell die Küche, bevor mein Dad noch etwas erwidern kann und ich merke, wie mir mein Lächeln und damit auch meine gute Laune, aus dem Gesicht weicht.

In meinem Zimmer angekommen, lege ich mich in mein Bett und schaue deprimiert auf die Decke, dabei spiele ich mit einem Haargummi von mir und lasse es hin und her flutschen.

Bis ich es einmal nicht mehr schaffe es aufzufangen und es mir auf den Boden fällt. Na toll.
Da ich natürlich zu faul bin, um aufzustehen, hänge ich mich irgendwie so mit dem Kopf runter, dass ich den perfekten Blick unter mein Bett habe und ich wünschte, dass ich diesen nicht hätte, denn eine dicke Schicht Staub sammelt sich dort.

Oh Gott, wann hat diese Stelle denn das letzte mal einen Staubsauger gesehen? Plötzlich fällt mein Blick auf eine schwarze Kiste, die mir allzu bekannt vorkommt, aber ich habe keine Ahnung mehr, was sich darin befindet.

Ich greife nach ihr und ziehe sie raus. Das Haargummi ist mir plötzlich ziemlich egal.

Als ich sie öffne, stockt mir der Atem, denn in ihr liegt mir  ein sehr vertrautes Buch: mein Tagebuch.

Wie lange ist es wohl her, dass ich darin geschrieben habe?

Ich blättere die Seiten durch und überfliege sie auch. Es geht hauptsächlich darum, dass ich mich selbst für den Tod meiner Großeltern verantwortlich mache, aber irgendwie kann ich mich plötzlich nicht mehr mit dem identifizieren, was ich damals geschrieben habe.

Vielleicht liegt das auch daran, dass ich seit meinem Unfall sehr viel vergessen habe und jetzt einen etwas objektiveren Blick auf das ganze bekommen habe, denn ganz ehrlich, wie kann ich mich für so einen Unfall verantwortlich machen?

Natürlich war ich diejenige, die gesungen hat, aber ich kann nun mal nichts daran ändern und es ist einfach nur dumm, das ganze in einen hineinzufressen.

How I learnt to live   Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt