Die Fernbedienung

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Ich stand auf und schulterte meinen Rucksack. Die Mütze zog ich mir auf den Kopf. Ich hasste den Herbst. Regen, wind und die immer mehr werdende Kälte, die gerade uns Obdachlose nicht gut tat. Ich hasste die Menschen, die in ihren warmen Wohnungen hockten und sich drüber beschwerten, wie kalt es doch sei. Grummelnd stapfte ich durch den Gang der U-Bahn. Sollten diese Schnösel mal eine ganze Nacht draußen verbringen. Dann wüssten sie, wie kalt es wirklich war. Ohne einer heißen Tasse Tee oder Kakao. Ohne warme Socken und einer dicken Decke, einer Heizung oder jemanden, an dem man sich kuscheln konnte. Ich trabte die Treppen hoch. Ich hasste diese Menschen.

Mit gereiztem Blick lief ich durch die Straßen von New York. So abseits des Touritenstroms war selbst hier nichts mehr los. Nachts. Ja, auch Nachts war am Times Square viel los. Gerade noch vor null Uhr, wo man die schönen Stromverbrauchenden Leuchttafeln bestaunen konnte, die eh nur Werbung zeigten. Ich schnaufte und griff an die Gurte meines Rucksacks. Ich hasste Menschen.

Als ich in die kleine Straße, man konnte es auch Gosse nennen, einbog, lief mir eine schwarze Katze vor die Füße. Von links. "Scheiß Vieh", murmelte ich und ging in die Straße hinein. Müll überall. Kartons, ein alter Weihnachtsbaum, noch vom letzten Jahr, der hier vertrocknete. Ein ekelhafter Geruch stieg mir ebenso in die Nase. Vielleicht ein totes Tier, welches irgendwo in der Ecke verweste. Ich hielt mir die Nase zu. Es stank bestialisch. 

Gerade als ich am anderen Ende der Gasse herauskam, hörte ich einen lauten Knall. Aus Reflex quetschte ich mich gegen die Backsteinwand eines Hauses. Ich hörte ein Auto, welches anhielt. Vorsichtig, mit klopfendem Herzen, lugte ich hervor und beobachte das Szenario. Zwei Männer in einem Anzug stiegen aus einem Mercedes aus. Sie erinnerten mich an die von Men in Black. Ordentlich gestriegelt. Sonnenbrille auf der Nase. Bei Nacht. Die beiden Männer gingen aus meinem Blickfeld. "Ist er tot?", hörte ich einen reden. Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Ganz vorsichtig, in bedacht nicht gesehen zu werden, lugte ich noch weiter hervor und sah die Männer, wie sie vor einer, am Boden liegenden, Person stand. Ich weitete meine Augen. Der Knall war ein Schuss gewesen. Sie hatten den Menschen erschossen. Einer der beiden, der größere, stupste den Toten an. Dann zielte er mit einer Pistole nochmal auf ihn und schoss. Ich zuckte zusammen, als der Mensch auf dem Boden zusammenzuckte und erschlaffte. Ich hatte gerade einen Mord gesehen. 

Die beiden Männer gingen zurück zu ihrem Auto, stiegen ein und fuhren mit quietschenden Reifen davon. Ich atmete meine Angst weg. Ich hatte mich nicht getraut laut zu atmen oder sonst ein Geräusch von mir zu geben. Die hätten mich vermutlich Eiskalt ermordet. Schließlich war ich ein Zeuge. Ob es das FBI war? 

Zitternd ging ich zu der Leiche. Es war ein Mann. Vielleicht um die dreißig. Braune Haare. Die Augen waren geschlossen. Aus seiner Stirn trat Blut aus. Kopfschuss. Ich sah mich schnell um. Ich hatte Angst gesehen zu werden. Man hätte denken können, ich hätte den Mann erschossen. Gleich mit zwei Schuss. Eins in die Brust. Der andere in den Kopf. Kontrollschuss.

Aber ich war in Not. Noch immer mit zitternden Beinen, kniete ich mich nieder und durchwühlte den leblosen Körper. Ich fand eine Brieftasche. In ihr waren nur paar Dollar. Ich steckte sie dennoch ein. In seiner hinteren Gesäßtasche waren nochmal fünf Dollar. Und in seiner Jackentasche ein Handy. Ebenso ein komisches kleines Gerät, was aussah wie ein MP3-Player ohne Bildschirm. Ich steckte alles ein. Irgendwie konnte man das schon zu Geld machen.

Als ich an ihm nichts mehr fand, richtete ich mich auf und sah mich nochmal um. Noch immer niemand, der sich rumtrieb. Schnell verschwand ich mit gesenktem Kopf. Vielleicht sollte ich die Cops anrufen? Doch würden die mich nicht sofort verdächtigen? Ich ließ es sein. Der Tote würde schon gefunden werden, wenn es wieder Hell ist und die Ersten zur Arbeit mussten. Geld verdienen. Für ihr eigenes Heim.

Das Leben von Manuel /Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt