Kontinent

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Ich kam in einem Dorf an. Keine Straßenlaterne brannte. Kaum ein Licht war in einem Haus an. Und alles wirkte so einfach. Bauernhäuser, Einfamilienhäuser. Keine Wolkenkratzer oder Mehrfamilienhäuser. Keine Läden, die sich Reihe an Reihe quetschten. Vermutlich gab es hier gar keinen Laden. 

Ich setzte mich auf eine Steinmauer. Ich konnte nicht mal an irgendwas erkennen, wo ich war. Nach Amerika sah das nicht aus. Vielleicht Spanien, Griechenland oder Italien. Ich wusste es nicht. Vielleicht musste ich bis zum Morgengrauen warten. Dann konnte ich einen Einwohner fragen, falls sie hier meine Sprache sprechen sollten.

Also wackelte ich mit den Beinen hin und her und starrte ins nichts. Müde war ich noch nicht. Wie spät es wohl war? Ich schaute nach rechts. Gerade in dem Augenblick, ging das Außenlicht bei einem Haus an. Ich rutschte von der Steinmauer und ging näher. Die Tür von dem Haus ging auf und hinaus kam ein Mann. Er trug eine Ledertasche unter dem Arm. Vielleicht ein Lehrer? Ein Professor? Ich versteckte mich hinter einem Busch, um zu beobachten. Pfeifend ging der Mann den Schotterweg entlang, zu seinem Auto. Ich griff mir an die Stirn. Na klar. Autos. An ihnen konnte ich herausfinden, wo ich gelandet war.

Als der Mann weggefahren war, ging ich zu dem Auto, was noch stand. Ein zweites. Wie viel Geld die wohl hatten? Ich schaute zum Haus. Zeit anhalten und rein da, um vielleicht was zu klauen? Doch ich ließ es sein. Ich schaute auf das Nummernschild, was schlecht zu erkennen war. Die Dunkelheit machte es schwer zu lesen. Doch der Schein des Außenlichts reichte noch etwas hier her. Ich war in Europa gelandet. Auf einem ganz anderen Kontinent. Wie ging das? Ich fiel nach hinten auf meinen Arsch. Ich wurde teleportiert, einmal über den ganzen Atlantik. Das hieße aber auch, ich war sicher vor den Men in Black, oder wie die auch immer hießen. Dennoch waren meine Beine wie Pudding. Ich wollte zurück nach New York. Oder einer anderen Stadt, wo ich nicht gleich Angst haben musste, von einem Bären zerfleischt zu werden. 

Ich stand also auf und lehnte mich an das Auto. Zum Glück fing es nicht an zu piepen. Ich nahm die Fernbedienung in die Hand und holte tief Luft. Gleich erwarteten mich wieder Schmerzen, diese unfassbaren Schmerzen. Doch ich wollte hier weg. Wohin es wieder gehen würde, wusste ich nicht. Doch ich hoffte auf New York. Sonst würde ich mein Zuhause wohl nie wieder sehen. Nie wieder dort zurück kommen, bis das Teil sich mal für New York entschieden hatte.

Mit geschlossenen Augen drückte ich den Knopf und schon fing es wieder an. Drückende und ziehende Schmerzen. Lichtblitze vor den Augen. Ich schrie abermals. Und dann landete ich unsanft auf dem Boden. Auf Asphalt. Leute redeten. Ich hörte Autos. Ich richtete mich auf, kniete auf den Boden und sah mich um. Ich war nicht in New York. Traurig über diese Tatsache, stand ich auf und trat etwas weiter vor, sodass ich das Chaos und die ganzen Chinesen sehen konnte. Überall Chinesen. Viel mehr Trubel als in New York. Aber eine Stadt. Ich staunte nicht schlecht über Hong Kong. Ich war mir sicher, dass ich hier war. Ich erkannte es. 

Seit gefühlten Stunden lief ich durch die Straßen. Hier war es Hell. Eine Uhr sagte mir, dass es bald zwölf war. Wenn ich nur wüsste, wie die Zeitverschiebung war. Wie spät es eigentlich in New York war. Ich brauchte ein Karton, eine ruhige Ecke. Eine, wo ich etwas schlafen konnte. Ich rieb mir über die Augen. Ich kannte mich doch nicht aus. In meinen Augen sammelten sich Tränen. In was war ich hier nur rein geraten? Von Amerika nach Europa. Von Europa nach Asien. 

Das Leben von Manuel /Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt