Ich saß im Hauptbahnhof an einer ruhigen Ecke. Jedenfalls ruhiger als New York. Es war schon dunkel. Nicht viele Menschen liefen an mir vorbei. Ab und an nur. Und auch nur manchmal bekam ich einen abwertenden Blick zugeworfen. Wie würden die sich fühlen, in so einer Situation? Und dann noch angestarrt zu werden. Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und kuschelte mich mehr in meine Jacke. Ich fror. Dagegen war die letzte Nacht wirklich Luxus. Nun war ich wieder in meinem richtigen Leben angekommen. Sollte ich vielleicht weg? Irgendwohin, wo es warm war? Dann war es nicht so schwer. Doch mein inneres sträubte sich, meine Fernbedienung zu benutzen. Ich griff nach ihr. Die Paranoia, dass sie mir geklaut werden könnte, verfolgte mich. Doch sie war da. Langsam zog ich sie hervor und betrachtete sie. "Bring mich doch wieder nach New York." Traurig sah ich dieses Scheißteil an. Wer dachte sich auch sowas aus? Man konnte von Ort zu Ort reisen, sich aber nicht aussuchen wohin. Ich presste meine Hand zusammen. Dann machte es ein Geräusch. Ein klicken. Schnell öffnete ich meine Hand und sah zur Fernbedienung. Mein Herz pochte. Ich hatte gedacht, ich hätte es Kaputt gemacht. Aber ich hatte damit eine Funktion entdeckt. Man konnte die Fernbedienung aufschieben. Ich griff mir an den Kopf. Das ich das nicht vorher bemerkt hatte. Ich war mit dem Ding umgegangen, als wäre es ein Hundebaby. Frisch geboren. Zerbrechlich.
Die Tasten, die freigegeben wurden, waren Buchstaben. Auch ein kleines Display war zu sehen. Man konnte doch sein Ziel eingeben. Ich konnte zurück nach Hause. Aufgeregt tippte ich "New York" ein. Doch bevor ich auf den drehenden Kreis drückte, hielt ich inne. Dort warteten die Agenten auf mich. Hier hatte ich sie noch nicht gesehen. Doch vielleicht suchten sie schon nach mir. Ich schob die Tasten wieder ein. New York konnte warten. Nur paar Tage. Vielleicht waren die FBI Schnösel bis dahin auch in Deutschland, um mich hier zu suchen.
Kalte Nacht. Ich fühlte mich unsicher und schlief schlecht. Am frühen Morgen, als so langsam der Großstadtrummel losging, beschloss ich was zu essen. Ich nahm aus meinem Rucksack etwas, was Patrick mir mitgegeben hatte und verschlang es. Nachspülen mit dem Wasser. Auch von Patrick. Ich war dankbar, doch hatte es nur beiläufig erwähnt. Es war falsch, dass wusste ich.
Als ich mit meinem minimalistischen Frühstück fertig war, machte ich mich auf. Etwas bewegen. Warm werden. Ich ging vom Bahnhof aus, richtung Einkaufsläden. Schaufenstershoppen. Ich schlenderte langsam herum. Blieb hier und da mal stehen und schaute in Fenster rein, wo Ware ausgestellt wurde. Mal war es Kleidung, mal was anderes.Als ich wieder am Brunnen ankam, setzte ich mich. Das war vermutlich der einzige schöne Ort in Deutschland. Vielleicht aber auch nur, weil ich in ihm gute Erinnerungen hatte. Ich starrte zu Boden, zu den Tauben, die Krümel von den Steinen piekten. Die hatten ein genauso bescheuertes Leben wie ich. Jeder hasste sie. Sie waren immer nervig und ein hässlicher Anblick. Ich fand sie süß.
Gerade als ich beschloss, wieder weiter zu gehen, sah ich zwei Schuhe vor mir. Mein Blick wanderte von ihnen nach oben, über die Hose, den Mantel, den Schal, bis hin zum Gesicht. Es war Patrick, der mich angrinste. Verfolgte der mich? In seiner Hand hielt er wieder einen Kaffee. "Hi?" Ich stand auf. Ich fühlte mich unterlegen. "So schnell sieht man sich wieder", strahlte er über beide Ohren hinweg. "Verfolgst du mich?", fragte ich ihn. Sein grinsen verschwand. "Nein, ich hole mir hier nur immer mein Lieblingskaffee. Ich bin echt süchtig danach." Er hob kurz seinen Becher hoch. "Aha. Und, dann sprichst du mich an?", fragte ich weiter. Er nickte verwirrt. "Ich kann auch wieder gehen." So hatte ich das nicht gemeint. Ich schüttelte den Kopf. Als ich dann einen kurzen Blick über seine Schulter warf, traute ich meine Augen nicht.
Zwei Männer, schwarzer Anzug, schwarze Sonnenbrille. Mich fest im Blick, während sie schnellen Schrittens auf Patrick und mich zugingen.
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Das Leben von Manuel /Kürbistumor
FanfictionErstaunlich, dass eine kleine Entscheidung schon so viel bewirkt. Sei es, welchen Platz man im Bus einnimmt oder in welchen Laden man geht. Jede noch so kleine Entscheidung kann das eigene und auch das Leben von anderen beeinflussen. Positiv oder au...