Wie Neu

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Die Wäsche hing, meine Zähne waren geputzt, mein Bart war ab. Nun stand ich unter der warmen Dusche und ließ das Wasser über mich laufen. Gleich drei Mal schäumte ich mein Haar ein und spülte es wieder aus. Meine Achseln und meine Schambehaarung rasierte ich auch gleich mit. Es war ein befreiendes Gefühl. Ich fühlte mich nicht mehr so ranzig. Nicht mehr wie ein richtiger Obdachloser. Mehr wie ein Mensch. Ein normaler Mensch.

Als ich fertig war, wickelte ich ein Handtuch um meinen Kopf und das andere um meine Hüften. Meine alte Kleidung stank. Meine gewaschene war nass. Grummelnd setzte ich mich auf die Klobrille. Wenn ich die saubere Unterhose mit einem Föhn trocken machen würde, dauerte es vielleicht nicht so lange. Ich schmunzelte und trat an den Schrank. Auf ihm lag der Föhn. Ich steckte ihn in die Steckdose und machte ihn an. Das laute Pusten richtete ich auf die Unterhose. Warten und warten. Mein Arm wurde Lahm. Ich stellte den Föhn aus. Doch die Unterhose war wirklich trocken geworden. Noch etwas klamm, aber das ging. Doch den Rest würde ich nie trocken bekommen. Das würde zu lange dauern. Ich schlüpfte in meine Unterhose und rubbelte mir dann mein Haar trocken. Mein darauffolgender Blick in den Spiegel, ließ mein Herz ein Satz in die Höhe machen.

Ich sah aus wie ein anderer Mensch. Ich sah Jung aus. Wie achtzehn. Nicht mehr wie Mitte zwanzig. Ich sah ordentlich aus. Nicht mehr so ranzig. Ich sah normal aus. Ich stützte mich am Waschbecken ab und betrachtete mich. Wie Neu. Ich betrachtete mich lange. Ich konnte gar nicht aufhören mich selbst anzusehen. Doch als ich ein Klopfen wahrnahm, sah ich zur Tür. "Das Essen ist schneller fertig geworden, als ich gedacht habe." Patrick redete mit mir durch die Tür. Ich sah an mir runter. Ich wollte meine dreckige Kleidung nicht anziehen. Also ging ich zur Tür und drückte die Klinke runter. "Hast du Kleidung für mich?" Patrick sah mich erschrocken an. Vermutlich hätte er nie damit gerechnet, dass ich ihm so die Tür aufmache. "Ehm, ja klar." Schon flitzte er in ein Raum und kam nur kurze Zeit später wieder. Er reichte mir ein Shirt, eine Jogginghose und ein paar Socken. Ich lächelte kurz und schlug ihm dann die Tür vor der Nase zu. Ich sollte mich vielleicht bei ihm bedanken. Doch das fiel mir schwer.

Ich folgte dem Geruch von Essen und landete in der Küche. Patrick hatte den Tisch gedeckt. Extra für mich. Ich setzte mich auf einen der vier Stühle und betrachtete meinen Teller. Das war ich wirklich nicht gewohnt. Patrick stellte sich neben mich und schob, direkt aus der Pfanne, zwei Bratwürstchen auf meinen Teller. "Ich hoffe du bist kein Vegetarier", gluckste er und schob sich nun auch zwei Stück auf seinen Teller. "Nein, bin ich nicht." Ich schob die Wurst mit meinem Finger zurecht, sodass sie Parallel zueinander lagen. "Kartoffelpü?" Patrick stand nun mit einem Topf neben mir. "Ja." Lächelnd schaufelte er mir drei Löffel auf. Bedanken würde ich mich morgen, wenn die Wäsche trocken war und ich gehen konnte. Ich wollte nicht so lange hier bleiben. Ich war ein Einzelgänger. Und ich würde ihn zudem noch in Gefahr bringen, wenn ich hierbleiben würde.

Das Leben von Manuel /Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt