Kaffeefleck

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Ich landete auf einer Straße. Sofort erklang ein Hupen. Ich sprang auf und rannte von der Straße runter. Ich stand doch tatsächlich an einer Bundesstraße. Auto um Auto fuhren vorbei. Ein Glück, dass ich nicht überfahren wurde. Doch fürs Erste war ich in Sicherheit. Wo auch immer ich genau gelandet bin. Jedenfalls schien es wieder Nacht zu sein. Diese ganze Zeitverschiebung kotzte mich an. Nicht mal eine Uhr würde was bringen. Etwas frustriert stapfte ich an der Straße entlang, bis ich nach gefühlten Stunden, es wurde schon Hell, eine Stadt erreichte. Meine Jacke hatte ich mir wieder übergezogen. Ich fror. Es erinnerte mich an New York. Herbst. Kalt. Regenwetter. Wenigstens etwas, was so war wie Zuhause. Und die Stadt, in der ich gelandet war, war Deutsch. Ich lächelte. Ein Land, wo ich die Sprache konnte. Ein Land, wo mich die Leute verstanden. Ich grinste. In Hongkong kam ich mit Englisch nur etwas zurecht. Die Frau hatte sich vermutlich auch gefragt, wieso ein Obdachloser wie ich, mit Amerikanischen Dollar in China war.

Ich schlenderte quer durch die Straßen. Ich erinnerte mich schwach an diesen Ort. Als ich nämlich vor einen großen Brunnen stand, neben einem Starbucks, erinnerte ich mich nur zu gut. Vor meinen Augen spielte sich ein Video ab. Ich war vielleicht sieben gewesen. Meine Mutter stand mit mir am Brunnen. Es war Sommer. Ich tauchte meine Actionfigur ins Wasser. Ein Lächeln auf diesen Kinderlippen. Und nun auch auf meine jetzigen. Ich spielte so fröhlich mit der Figur, unter den liebevollen Augen meiner Mutter. Es war mein erster Urlaub gewesen. Hier in der Stadt. Hier in Hamburg. Der erste und einzige Urlaub in meinem ganzen Leben.

Es rühte mich, so eine Erinnerung zu sehen und zu fühlen. Ich wischte mir eine Träne aus dem Auge, wandte mich ab und ging weiter. Die Leute erwachten so langsam. Menschen, die zu Arbeit liefen. Läden, die gerade aufmachten. Leute, die sich einen Kaffee beim Bäcker holten. Ich schmunzelte. Ich hatte Deutschland vermisst. Auch, wenn hier fast nur schlechte Erinnerungen waren. Das Gesicht meines ekelhaften Vaters legte sich vor meine Augen. Ich schüttelte mich. Ekelhaft war gar kein Ausdruck. Mörder. Kindesmissbraucher. Wütend starrte ich zu Boden und lief somit geradewegs in einen Mann hinein. "Pass doch auf!", schimpfte ich und sah ihn an. Nicht nur ich war mit Kaffee übergossen. Sondern auch er. Er schaute an sich runter. Dann zu mir. "Es tut mir leid", sagte er. "Schon gut." Ich wischte über meine, mit Kaffee befleckte, Jacke. Der Mann sah mich entschuldigend an. Ich formte meine Augen zu schlitze. Geh weg, dachte ich. "Kann ich Sie vielleicht auf einen Kaffee einladen, als wieder gutmachung? Und vielleicht auch auf ein kurzen Abstecher in einen Waschsalon. Ich zahl das." Er zeigte auf meine Jacke. Ich sah kurz an mir runter. "Nicht nötig, danke." Ich wollte gehen, doch der fremde Mann griff mir am Arm. "Ich würde das gern wieder gut machen." Er lächelte mich freundlich an. Wieso tat er das? Seufzend stimmte ich dann zu. Etwas sozialer Kontakt könnte mir nicht schaden. Und gehen konnte ich jeder Zeit. "Super. Wollen wir zu Starbucks?" Er ging voran. Augenverdrehend folgte ich ihm. "Meinetwegen." 

Das Leben von Manuel /Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt