Kapitel 1

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Dick eingepackt mit Schal, Mütze und Handschuhen schloss ich die Haustür hinter mir. Es war so kalt, dass ich meinen Atem sehen konnte. Doch Schnee würde es wohl erst mal nicht geben. Mitte November in London wurde er, aber auch noch nicht erwartet. Doch das Geschäft mit den Weihnachtsartikeln hatte natürlich längst begonnen. In der Nachbarschaft hatten die ersten bereits angefangen zu dekorieren. Bei mir war das Weihnachtsgefühl noch längst nicht da. Ich hatte nicht mal eine Ahnung wie das Weihnachtsfest dieses Jahr aussehen würde durch diese veränderte Situation. Doch jetzt wollte ich erstmal in das kleine gemütliche Café, wie wir es besprochen hatten. Es war nun bereits das dritte Treffen seit der eher ungewöhnlichen Begegnung unter den Straßen Londons.
Für einen Mittwochmorgen war es schon ziemlich voll in der Stadtmitte und ich schob mich durch die Menschenmenge am Trafalgar Square vorbei, wovon die meisten Touristen mit ihren gezückten Smartphones und Kameras waren.
Vor dem Café angekommen, warf ich noch einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr. Mal wieder früher als abgemacht, also ging ich bereits rein. Sofort wurde ich von wohliger Wärmer und dem köstlichen Duft von Kaffee eingehüllt. Ein freier Platz in der hinteren Ecke sprach mich sofort an und ich machte es mir dort bereits gemütlich. Nur wenige Augenblicke später betrat auch er das Café. Mit Winterjacke und den Händen in den Taschen stand er da und scannte einmal über die Gäste bis er mich schließlich erblickte.
„Schön dich zu sehen, Susan! Wie geht es dir?"
„Hallo Jim! Mir geht es ganz gut. Ich hoffe doch dir auch."

Nach etwas Smalltalk fragte er: „Was macht die Arbeit?" Auf diese Frage hatte ich gewartet, da ich heute noch ein Anliegen loswerden musste. „Läuft super, doch ich habe zurzeit noch was Neues in Aussicht. Klingt vielversprechend, doch das würde bedeuten meine Praxis aufzugeben und Sarah zu kündigen. Das macht mir ein ganz schlechtes Gewissen, weil sie mir damals sehr aus der Patsche geholfen hat. Doch ich weiß von einer Stelle, die sie sehr gerne hätte. Kannst du da nicht vielleicht irgendwas machen? Du kennst da doch bestimmt jemanden." „Ich, Jim Moriarty, soll meine Kontakte spielen lassen, um meiner Schwester einen solchen Gefallen zu machen?", antwortete er und schaute mich entsetzt an, doch dann lächelte er breit und fügte hinzu: „Ich schau was sich machen lässt. Zur Not wird die Position überraschend frei." „Um Gottes Willen, JIM!! Bitte nicht!", rief ich schockiert, doch er lächelte weiter. „Dann hat dir dein Polizist wohl endlich ne Stelle bei Scotland Yard angeboten." „Er ist nicht MEIN Polizist, außerdem ist er sogar Detective Inspector.", dabei boxte ich ihn leicht gegen den Arm. An so einem Morgen, als wir dort saßen wie zwei ganz normale Leute das in einem Café ebenso tun, vergaß ich fast, dass er Jim Moriarty war. In diesem Moment war er mein ungeschickt wirkender Bruder, nicht der Boss eines riesigen kriminellen Netzes. Er war jemand, der sich sorgte wie es mir geht, den es interessierte was in meinem Leben passiert und nicht derjenige, der Menschen töten lässt und mit Waffen bedroht. Ich fing an leiser zu reden: „Wie kannst du dich eigentlich einfach so in der Öffentlichkeit mit mir zeigen ohne erkannt, gejagt oder getötet zu werden?" „Warum sollte Richard Brook, ein Schauspieler, der noch auf seinen großen Durchbruch wartet, sich nicht mit einer schönen Frau auf einen Kaffee treffen können?" „Ernsthaft? Richard Brook. Und Schauspieler. Daher auch die zerzausten Haare? Gefällt mir deutlich besser, als so streng zurück gegelt." Dabei wuschelte ich ihm einmal durch die Haare. „Aber wünschst du dir nicht manchmal ein normales Leben führen zu können? Ein Haus, eine Familie, du liest abends deinen Kindern eine Geschichte zum Einschlafen vor. Du lädst Freunde ein, hast ein Haustier und feierst Weihnachten mit denen, die du lieb hast. Denkst du nicht manchmal darüber nach wie das sein könnte?" Ich meinte das ernst und der Gedanke machte mich etwas traurig. Doch er rollte mit den Augen, seine Schultern fielen nach unten: „Normale Menschen sind so laaangweilig." Und von einem Wimpernschlag zum nächsten war da dieses gefährliche Funkeln, so wie ich es zuletzt bei seinem Zusammentreffen mit Sherlock gesehen hatte. „Denkst du wirklich ich könnte ein ganz normales Leben führen? Seit dem man mich als Kind für den Mörder unserer Mutter gehalten hat? Du hattest die Waffe geschockt aufgehoben und ich habe sie dir aus der Hand genommen. Da ich deine Fingerabdrücke abgewischt hatte, fand man nur meine Abdrücke daran. Sie haben mich verhört. Drei Männer standen in dem großen Raum in dem nur ein Tisch und ein Stuhl für mich waren. Ich hatte soeben meine Mutter verloren und dich hatten sie von mir weggerissen. Ich war noch ein Kind, doch sie behandelten mich, wie einen Verbrecher, wie einen Mörder. Nach allem was ich damals durchgemacht habe, dann noch das Heim, die verschiedenen Therapien und Familien, denkst du wirklich, dass man danach noch ein normales Leben führen kann? Ich hatte keine Ahnung, was unser Vater damals getan hatte, doch es wurde mir alles aufgetischt und ich wurde mit Fragen gelöchert. Sie nahmen mir alles. Das einzige von Wert, das mir blieb war mein Name. Es war einfach in Vaters Fußstapfen zu treten. Er hatte Mum und unser Leben aufs Spiel gesetzt. Doch ich würde es besser machen. Das ist nun mein Leben und es ist verdammt aufregend. Ich nutze mein Potenzial und mir fehlt es an nichts, weder an Geld, Einfluss, noch Macht. Was brauche ich schon Bürokratie. Ich will es, ich krieg es." „Doch was ist mit Liebe und Freundschaft, Jim? Das kannst du nicht erzwingen, nicht erkaufen. Das damals war schlimm für dich und ich kann nur erahnen, wie schlimm, doch du hast ein jetzt, ein heute."

Stay with me. GL (BBC Sherlock Ff Fan Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt