Kapitel 32

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„Werde ich jetzt zum Babysitten hin und her gereicht?", fragte ich Sherlock, der mit seinem schwarzen Mantel und dem blauen Schal in der Lobby von Scotland Yard stand.
„So hätte ich das nicht unbedingt ausgedrückt, aber wenn du es so formulieren willst: ja. Es geht zur Bakerstreet. Ich möchte wissen, wie vorbereitet sie sind und wie genau man dich im Blick hat."

Wir liefen kreuz und quer durch London. Sherlock sprach nichts, sondern beobachtete wachsam unsere Umgebung. Mit meinen Gedanken alleine gelassen wurde ich immer misstrauischer. Jede Person, die uns über den Weg lief konnte theoretisch für Moriarty oder seinen Gegner arbeiten. Ein Mann rempelte uns versehentlich an und erschrocken machte ich einen Satz zur Seite und schob Sherlock vor mich. Der Mann entschuldigte sich mehrfach und eilte weiter. Sherlock schenkte ihm weiter keine Beachtung, sondern ging mit großen Schritten weiter voraus. Ich hatte Schwierigkeiten mitzuhalten. Nach einer gefühlten Ewigkeit fing ich an mich zu beschweren: „Wann sind wir endlich da? Mir ist kalt, ich habe Hunger, ich kann nicht mehr und die Schuhe sind nicht dafür gemacht, um damit stundenlang in der Stadt herum zu rennen."
„Noch ein bisschen und dann nehmen wir die U-Bahn. Ich habe Essen in die Bakerstreet bestellt und gegen kalt bekommst du den hier." Damit blieb er kurz stehen und band mir seinen blauen Schal um. Er sah hochkonzentriert und besorgt aus. Also beschloss ich den Schal dankend anzunehmen und nun einfach wieder leise zu sein. Ich konnte nur hoffen, dass es wirklich bald geschafft war. So empfand ich die U-Bahn als angenehm warm und auch die Rush-Hour machte mir heute nichts aus. Hauptsache nicht mehr laufen. Sherlock hatte mir die Bücher abgenommen und so konnte ich versuchen meine Finger wieder aufzutauen. War das wirklich nötig gewesen? Ich bezweifelte das, doch wer wusste schon genau, was Sherlock Holmes für einen Plan hatte. Wir stiegen aus der Bahn aus und hatten es nun wirklich fast geschafft.

Sherlock setzte sich kommentarlos in seinen Sessel und ich ließ mich erschöpft auf das Sofa fallen. Sherlock schien in seinen Gedankenpalast versunken und so nahm ich mir eines meiner Bücher, um mir die Zeit zu vertreiben. Es war ein Buch über die LGBTQ* Community in London. Paul hatte es mir hingelegt, da ich mich mehr mit den Begriffen und der Geschichte der Community befassen wollte und sollte. Es sei wichtig in seinem Team, da es ein großes Projekt gegen Hasskriminalität an LGBTQ* Personen gibt. Da ich als Psychologin viel an diesem Projekt beteiligt sein werde, wollte ich nun mein Wissen auffrischen und auf den neuesten Stand kommen. Ich brauchte ein wenig, um die richtige Position auf dem Sofa zu finden, bis ich schließlich verkehrt herum. Mit dem Kopf nach unten, den Haarspitzen, die den Fußboden gerade so berührten und den Beinen im Schneidersitz verschränkt an der Rückenlehne. So stöberte ich die Seiten durch, bis mir ein Artikel besonders ins Auge fiel. „Sag mal Sherlock," begann ich „weißt du was Asexualität ist?" - „Jip." - „Siehst du dich auf dem Spektrum?", fragte ich weiter nach dieser knappen Antwort. - „Jip." - „Und wie würdest du es jemandem beschrieben, der sich das nicht vorstellen kann, so wie ich?", hakte ich weiter nach, denn es interessierte mich wirklich wie Sherlock das sah. Ohne aus sich aus seiner Denkerpose zu rühren erklärte er trocken: „Warum soll ich essen, wenn ich keinen Hunger habe?! Jedoch schließt keinen Hunger zu haben nicht aus Essen zu genießen oder seinen Geruch, sein Aussehen. Verstehst du? Die Definition von Asexualität ist die Abwesenheit von sexueller Anziehung. Ich finde niemanden sexuell anziehend. Keine Männer, keine Frauen, niemand. Das macht es einfacher die Dinge darunter zu sehen, wie Symmetrie, Persönlichkeit, Werte, Stärken und Schwächen. Entgegen vieler Annahmen, bin kein herzloser Psychopath, ich lasse mich eben nur nicht durch sexuelle Reize ablenken, sondern vertraue nur der Logik." Er machte eine kurze Pause, drehte seinen Kopf zu mir und fügte hinzu: „Was wird das eigentlich? Ich muss nicht therapiert werden. Ich muss denken." Damit war die Unterhaltung auch schon wieder beendet.

Etwas später kam John die Treppe hinauf und hatte das lang versprochene Essen dabei. In jeder Hand trug er eine Tüte und sofort duftete es fantastisch nach asiatischen Gewürzen. Mit gerunzelter Stirn sah er zwischen Sherlock, in seinem Sessel, und mir, immer noch kopfüber auf dem Sofa hin und her und erkundigte sich schließlich, was wir da gerade taten. „Sie liest."- „Er denkt."

John stellte die Tüten ab und Sherlock sprang direkt auf, schnappte sich eine Box und ließ sich zurück in seinen Sessel fallen. Ich hatte mittlerweile wahnsinnig Hunger und hätte John in diesem Moment nicht dankbarer sein können. Während ich aß erzählte ich von den Ergebnissen meiner Recherche. „Das Moriarty Netz hatte damals schon einen Verräter. Es gab einen Informanden bei der Polizei und doch kam sie zu spät, um den Tod meiner leiblichen Mutter verhindern zu können. In solchen Banden werden Verräter bestraft. Der damalige Sergeant ist nun der Chef von Scotland Yard. Ich finde das einen ziemlich großen Zufall. Welche Fortschritte habt ihr eigentlich gemacht? Und wie soll es jetzt eigentlich weiter gehen? Ich werde rund um die Uhr von euch bewacht und soll die Füße stillhalten? Es gibt noch ein wenig mehr als nur Holmes, Lestrade und die Arbeit in meinem Leben. Ich habe Familie, die mir wichtig ist und Freunde. Zum Beispiel wollte ich mich nächste Woche mit Sarah treffen." Sherlock meldete sich direkt zu Wort: „Auch Gavin ist der Meinung, dass wir dich in Sicherheit wissen müssen. Mit jedem weiteren Tag kommen wir dem Ende näher. Es wird nicht mehr lange so weiter gehen. Außerdem ist dein Treffen schon abgesagt", dabei hielt er mein Handy hoch. Ich schnappe es wütend zurück. „Ich hätte mein Passwort zu GREG ändern sollen. Wärst du wenigstens nicht draufgekommen." John versuchte erfolglos ein Lachen zu unterdrücken. Sherlock machte das nichts aus, fast als hätte er mit genau dieser Reaktion gerechnet. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 12, 2020 ⏰

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