Piper
Mein nasses T-Shirt klebte an mir und ich holte tief Luft. Gequälte Laute drangen aus dem Badezimmer und ich war schnell wieder bei Alaya, die wie ein Häufchen Elend in der Badewanne lag. Sie hatte mich mit den schrecklichen Klagen geweckt, dass sich ihr Körper anfühlte, als würde er in Flammen stehen. Ihr Anblick versetzte mir einen Stich.
Ich hatte sie sofort, mit all meiner Kraft ins Badezimmer befördert und sie in eiskaltes Wasser gelegt. Nur wenige Sekunden später war sie vor Erschöpfung eingeschlafen. Jetzt war sie wieder wach. Die letzten Tage waren geprägt von Verzweiflung und Ohnmachtsanfällen, die mir beinahe einen Herzinfarkt beschert hätten.
Immer wenn Alaya einschlief, saß ich vor ihrem Bett, in der Hoffnung, dass sie wieder aufwachen würde. Sie war am Ende ihrer Kräfte und das sah man ihr auch an. Die letzten Tage hatte sie so viel Stärke bewiesen, aber irgendwann konnte auch der stärkste und tapferste Krieger, nicht mehr kämpfen.
Jeden Tag verbrachte ich vor dem Fenster, in der Hoffnung, dass Chris und Rick gerade in die Einfahrt bogen. Doch mein Wunsch blieb unerfüllt. Alaya fuhr sich mit zitternder und nasser Hand über das Gesicht und es folgte lautes Husten. Ich packte sie unter den Achseln und zog sie etwas ungeschickt aus der Badewanne. Dass ich die Möglichkeit hatte, sie hochzuheben, lag nur daran, dass sie in den letzten Wochen unglaublich viel abgenommen hatte. Kein Wunder, wenn nichts in ihr blieb.
Immer wieder schreckte ich zurück, wenn ich ihre Rippen berührte, die schon so herausstachen, dass ich Angst hatte, dass wenn ich zu fest drückte, ich ihr alle samt brechen würde. "Wo ist Chris?", wisperte sie. "Noch nicht da, Alaya, aber sie kommen bald. Du musst nur noch für eine ganz kurze Zeit warten." Dass ich sie anschwindelte, bemerkte sie schon gar nicht mehr. Viel zu benommen war sie.
Erschrocken fuhr ich zusammen, als sich die Tür öffnete. Es war nur Jay. Der Einzige, den ich hatte benachrichtigen können. Vorgestern hatte ich gedacht, es wäre vorbei. Alayas letzte Stunde wäre angebrochen. Wie eine Wildgewordene, war ich zu der nächsten Telefonzelle gerannt, egal wie heiß es war, und hatte die einzige Nummer gewählt, die ich auswendig kannte.
Jay, ein alter Freund von Rick, der nicht immer der klügste, aber schon mehrere Rennen mit Rick gefahren war, kam sofort her. Dennoch hatte ich nicht erwartet, dass er sich, nachdem er vorgestern wieder gegangen war, noch einmal blicken ließ.
Doch egal, wie schrecklich nervig er manchmal sein konnte, war er der Einzige, der ohne mit der Wimper zu zucken, Alaya ins Auto getragen und gemeinsam mit mir ins Krankenhaus gefahren war, um ihr die letzte Dosis Schmerzmittel zu verpassen, um sie wenigstens noch für einen Tag am Leben zu halten.
Alaya war viel stärker. Sie hielt es sogar noch länger, als nur einen Tag aus.
"Piper." Ich begrüßte Jay nicht, sondern widmete mich Alaya, die immer wieder meinen Namen sagte. "Alles gut Alaya, die Jungs werden bald hier sein."
Es gab nur ein Problem. Sie müssten schon längst zurück sein. Und die Furcht, dass ihnen etwas passiert sein könnte, kroch mir mit jedem Tag ein Stückchen weiter den Rücken hinauf. Sie beide waren dort draußen, während alles um sie herum zerstört wurde. Wenn sie noch lebten, und das hoffte ich mit jeder Faser meines Körpers, wäre es ein Wunder.
"Du wirst nicht glauben, was gerade eben im Radio und jetzt auch in den Nachrichten kommt." Ich wollte es ehrlich gesagt, gar nicht wissen. Ich wollte nicht noch einen Grund haben, warum Rick und Chris nicht mehr am Leben sein konnten.
"Ich will es nicht sehen."
"Glaub mir, du willst." Er streckte mir sein Smartphone vor die Nase und es zeigte mir unglaubliches. Ein erleichternder Laut verließ meine Kehle, während ich wie gebannt auf den kleinen Bildschirm starrte. Ich konnte es nicht fassen. Dort stand Rick, vor einem brennenden Gebäude und wenn ich mich nicht täuschte, stand dort oben, gefährlich nah an den Flammen, Chris und half einem Jungen von dem Gebäude.
Ich fuhr mir über die schweißnasse Stirn. Sie waren am Leben. Am Leben. Augenblicklich stieg die Wut in mir an. Wieso halfen diese Mistkerle von Reportern denn nicht? Konnten sie nicht sehen, in welch Lebensgefahr die Leute auf dem Gebäude schwebten? Feiglinge. Alles samt Feiglinge.
Rick und Chris riskierten dort oben ihr Leben. Ich bemerkte erst spät, dass sich Alaya aufrappelte und mitschaute. "Ist das Chris?" Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern.
"Ja, aber keine Sorge, sie sind nicht mehr weit weg. Sie kommen bald." Ich hörte selbst die Hoffnung, die soeben wieder in meiner Stimme mitschwang. Ich konnte nur hoffen, dass sie das Heilmittel bereits hatten.
Die brüllende Stimme des Reporters drang zu mir durch, während ich Alaya auf den Boden half, damit sie sich hinsetzte.
"Dort oben steht der Bürgermeister. Unglaublich. Der junge Mann dort oben, scheint alles im Griff zu haben." Meine innere Stimme schrie danach, diesem Mann eine Ohrfeige zu verpassen. Er sollte seine verdammte Kamera runterlassen. Ein Wunder, dass sie überhaupt von dem Boden aus und nicht hunderte Meter über dem brennenden Gebäude filmten. Sie waren nicht nur lebensmüde, sondern auch besessen davon, das ganz groß rauszubringen. Doch was nützte es ihnen, wenn niemand mehr da war, dem sie es zeigen konnten?
Endlich erkannte ich das Gebäude. Es war nicht irgendeins, sondern die Residenz des Bürgermeisters. Eine schmale Hand griff nach meiner und zog an ihr. Widerwillig wendete ich meinen Blick ab und kniete mich hinunter zu Alaya, die mich aus flehenden Augen anblickte.
"Bitte, Piper, bring Chris her. Ich will ihn doch nur noch einmal sehen." Ihre Stimme bebte und ein Schluchzer verließ Ihre Kehle. Ihre Verzweiflung. Es war einfach grausam. Sie hatte nur noch einen Wunsch. Sie wollte Chris sehen. Einfach nur, dass er bei ihr war. Und im nächsten Moment wusste ich, was zu tun war. Jay war neben mir, doch sein Blick lag auf der, in sich zusammengekauerten, Alaya, die bitterlich weinte.
Vor Schmerz. Kraftlos. "Keine Sorge. Ich weiß was zu tun ist. Halte durch. Chris wird kommen."
Ich zuckte zusammen und schrie, als ich sah, was als nächstes geschah.
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The Cure
RomanceRomantik/Abenteuer Nachdem Chris' Freundin an einem gefährlichen Virus erkrankt ist, versuchen sein Freund Rick und er alles, um Alaya zu retten, welche nur noch ein paar Wochen zu leben hat. Ihre Hoffnung ist ein Heilmittel in Boston. Doch der W...