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„Es macht Ihnen wirklich nicht etwas aus, wenn ich für eine Woche nach Denver fliege?" fragte ich unsicher den Herren am anderen Ende der Leitung und lauschte gespannt der Antwort.

„Samantha, jetzt hören Sie mir mal zu." sprach er zu mir. „Ich weiß, dass Sie erst den zweiten Arbeitstag hinter sich haben, aber es ist eine wichtige Familienangelegenheit, so wie Sie mir es erklärt haben, also spricht für mich nichts dagegen. Außerdem haben Sie in den zwei Tagen einen guten und zuverlässigen Eindruck bei mir hinterlassen, welcher meine Entscheidung nochmals verstärkt. Also fliegen Sie."

Ich blies die Luft verzweifelt aus und nickte für mich selbst, als ich die Worte meines Chefs nochmal im Kopf durchging.

Mein Bruder aus Denver hatte mich vorhin angerufen, als ich kurz davor stand wieder in Tränen auszubrechen. Er war übrigens der einzige aus meiner verkorksten Familie, mit dem ich noch den Kontakt pflegte.
Doch leider hatte er weniger gute Nachrichten für mich. Er teilte mir mit, dass es meiner Mutter krankheitsbedingt sehr schlecht ging und es momentan wirklich nicht gut um sie stand. Deshalb erhoffte er sich von mir, dass ich ihm und meinem Vater für eine Zeit bestehen könnte und ob ich sie nicht mal von mir aus besuchen möchte.

Auch wenn ich ein sehr nachtragender Mensch war und meine Eltern mich immerhin vor die Tür gesetzt hatten, beschloss ich nach Denver zu fliegen, um allen, vor allem meiner Mutter, einen Besuch abzustatten. Doch da es erst mein zweiter Arbeitstag war, machte ich mir eher Gedanken, ob es dort nicht zu Problemen kommen könnte. Der Job war mir wichtig und meine einzige Geldquelle momentan, um die Wohnung bezahlen zu können.

„Ich danke Ihnen vielmals, Mr. Corner!" sprach ich zu ihm und nach kurzem hin und her legte ich dann auch schon wieder auf.

Der Gedanke allein nach Denver für eine Zeit zu gehen, löste bei mir ein Unwohlsein aus. Ich hatte immerhin genug Stress hier in New York und wollte eigentlich nicht so schnell in die Klapse eingeliefert werden. Aber spätestens wenn ich wieder zurück aus meiner Heimat war, hatte ich das wohl dringend nötig. Meine Familie war schrecklich. Eher gesagt alle außer mein Vater. Er war der einzige, der mir gezeigt hat, dass er mich von Herzen liebte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich auch nie aus dem Haus meiner Eltern gemusst. Aber da meine Mutter leider die Hosen in diesem Haus an hatte und mich leider, auch wenn ich ihr leibliches Kind, eigentlich das Ein und Alles für eine Mutter war, aus irgendwelchen Gründen nicht akzeptieren konnte, musste ich gehen.

Mittlerweile hatte ich schon Vermutungen aufgestellt, wieso sie mich nicht so lieb halten konnte wie meinen Bruder Jackson. Die wahrscheinlichste für mich war, dass sie sich von Anfang an zwei Jungs wünschte, die als Erben unseres Familienunternehmens mehr infrage kamen als ein Mädchen. Deswegen war ich das schwarze Entlein der Familie - für sie zumindest.

Ich hatte schon nach Flügen im Internet geschaut und beschloss direkt heute Abend noch zu fliegen.

Also packte ich Hals über Kopf meine Sachen, hinterließ mein Zimmer einigermaßen sauber und nicht so dass es aussah wie nach einem Handgranatenwurfstand.

Ich stieg aus dem Taxi aus und zog den Koffer hinter mir her ins Terminal. Mein Flug ging in circa 2 Stunden und nun musste ich erstmal einchecken und durch die nervenzerreissenden Sicherheitskontrollen.
Ich habe das Fliegen schon immer gehasst, aber nur wegen dem Stress am Flughafen.

Kam es mir nur so vor oder waren alle Mitarbeiter immer schlecht gelaunt dort?

Ich checkte ein, ging direkt zur Sicherheitskontrolle durch und war nach 45 Minuten dann auch endlich beim Boarding angelangt. Und ob man mir es glaubte oder nicht, ich hatte noch relativ gute Laune.

Meine gute Laune war jedoch nicht von langer Dauer, denn der Flug war eine reine Katastrophe. Ich hatte gehofft, wenigstens mal ein Auge zu machen zu können, doch das scheiterte klaglos an einem Säugling zwei Reihen hinter mir.

Als ich meinen Koffer endlich hatte und auf dem Weg nach draußen war, sah ich schon meinen Bruder von weitem an einem Auto gelehnt stehen. „Schwesterherz." Er kam mir entgegen und zog mich in eine lange Umarmung, die ich direkt erwiderte. „Ich hab dich vermisst, Kleine." sagte er ironisch und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, woraufhin ich ihm gespielt böse in die Rippen boxte. Er wusste, dass ich es nicht leiden konnte, wenn er immer den älteren Bruder heraushängen lassen musste.
„Jaja, ich dich auch." lachte ich und vergas für einen Moment alle Probleme, die ich in New York hatte, sowie die, die gleich hier in Denver auf mich zu kamen.

„Dann komm, fahren wir nach Hause. Dad erwartet dich schon." Er lief mit mir Richtung Auto und sofort überkam mich das Gefühl der Traurigkeit, als mein Bruder sagte, dass es nach Hause ging. Ich vermisste die alten Zeiten, auch wenn sie nicht immer die Schönsten waren.

Addicted to LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt