xvi. family first

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sixteenth december

»Wie läuft die Uni zurzeit?«

»Sehr gut, Mom.«, murmelte ich und schenkte ihr über die Frontkamera ein müdes Lächeln. »Es ist gerade echt etwas nervenaufreibend, aber ich bekomme das schon irgendwie hin.«, erzählte ich ihr und ließ sie nicht wissen, dass ich mich zurzeit mehr als nur Scheiße fühlte.

Wie erwartet erledigte ich meine Hausarbeiten an einem Sonntag und konnte das Ende schon fast sehen, wenn ich mich weiterhin darauf konzentrieren würde. Aber ein paar Sachen konnte ich einfach nicht aus meinem Kopf verbannen. Und ich wünschte, ich könnte mit ihr darüber reden. Jedoch hatte ich Angst, dass sie mich verurteilte.

»Du bekommst das schon hin. Ich glaube an dich.«, lächelte sie fröhlich in die Kamera und wog nebenbei den dreijährigen Maximilian hin und her, der nun seelenruhig schlief. »Haben Penelope und Petunia sich schon bei dir gemeldet?«, fragte sie und sprach auf meine reizenden Schwestern an, die seit ihrem letzten Besuch kein Wort mehr mit mir gewechselt hatten.

Penelope las all meine Nachrichten auf WhatsApp, während Petunia ihre Lesebestätigung ausgeschaltet hatte. Sie übertrieben ein bisschen, aber was konnte ich dagegen nun machen? An Weihnachten erinnerten sie sich schon gar nicht mehr daran, wieso sie mich die Zeit über ignoriert hatten und freuten sich dann auch schon auf die Geschenke, die ich noch besorgen musste. Ups.

»Nope. Die sind immer noch sauer auf mich.«, antwortete ich und zuckte mit meinen Schultern. »An Weihnachten ist alles wieder vergessen und wir können uns wie die Familien in den Kinderbüchern verhalten. Friedlich und glücklich.«, kicherte ich leicht und sah sie mit einem skeptischen Blick an, als sie sich auf ihre Unterlippe biss. »Du schaust nicht gerade wie eine Mutter in den Kinderbüchern aus, Mom.«, sprach ich sie darauf an und fand ihre Reaktion schon etwas seltsam.

»Nach Neujahr... Kommen Penelope und Petunia in eine neue Familie.«, teilte sie mir die Nachricht, die meine Welt noch mehr einstürzen ließ. »I-Ich wollte es dir schon viel früher erzählen, aber ich hab nie die Gelegenheit dazu gefunden.«, versuchte sie sich zu rechtfertigen und hatte Tränen in den Augen.

Auch ich hatte Tränen in den Augen und wusste nicht, wie ich mich nun fühlen sollte. Ein Teil in mir freute sich für die Zwillinge, da eine Familie beide Mädchen haben wollen. Der andere Teil wollte nicht, dass sie in eine neue Familie kommen sollten. Sie mochten zwar Kinder von irgendwelchen Menschen sein, die ich über die Jahre sehr lieb gewonnen hatte.

In einer Forster Familie passierte es nun einmal. Aber die Chance jemals adoptiert zu werden hatte nicht jeder und ich gönnte ihnen die Chance auch. Ich hätte nie die Chance gehabt und blieb bei den Eltern, die mich aus Spanien hergeholt hatten und sich um mich sorgten bis ich dann auf eigenen Beinen stehen musste.

Eine Adoption hatte aus unerklärlichen Gründen nicht geklappt und wenn man es aus einem anderen Blickwinkel sehen wollte, hatte ich keine Eltern und auch keine Geschwister.

»I-Ich muss auflegen, Mom. Ich ruf dich an, sobald ich hier durch bin.«, verabschiedete ich mich schnell bei ihr und beendete den Anruf über FaceTime.

Seufzend fuhr ich mir durch meine Haare und ließ die Tränen freien Lauf, die ich schon sehr lange zurückhalten musste. Alles stürzte auf mich ein und ich spürte, wie mein Herz in tausend Stücke zersprang. Es lief momentan nichts mehr und ich wusste, dass ich mit einem gebrochenem Herzen das Jahr beendete.

Immer mehr versank ich in Selbstmitleid und weinte nun bitterlich. Warum konnte der letzte Monat im Jahr nicht nach meinen Regeln laufen?

Schnell wischte ich mir die Tränen aus meinen Augen und nahm den nächsten FaceTime Anruf an, der nun von Shawn kam. Ich hatte schon glatt vergessen, dass er sich nach seinem Flug bei mir melden sollte.

»Hi.«, nahm ich den Anruf entgegen und schenkte ihm das beste Lächeln, dass ich gerade heraushauen konnte. Leider reichte es nicht aus, da er meine roten Augen bemerkt hatte und den Schmerz in meiner Stimme erkannte. Es reichte nur eine Frage, die mich erneut in Tränen ausbrechen ließ. »Es geht mir beschissen! Alles ist Scheiße!« Und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt bitterlich geweint hatte.

Gerade war es mir auch nicht peinlich vor ihm zu weinen. Gerade interessierte mich nichts mehr!

christmas lie ☃️ shawnmendes Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt