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Als ich meinen Blick erneut zu meinem Vater schweifen ließ, starrte dieser wieder unbeeindruckt in die aufgeschlagene Zeitung und saß still dort, als hätte er sich nie an einem Gespräch beteiligt.

︎▪︎

Als ich am Abend in meinem Bett lag, dachte ich unwillkürlich an die Situation mit meinem Vater zurück. Egal, wie sehr ich versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben, meine Überlegungen schienen immer wieder auf's Neue zu der Situation zurück schweifen zu wollen.

Hatte er womöglich Recht? Er hatte seine Worte mit einer solchen Sicherheit ausgesprochen, dass sie unanfechtbar schienen. Was, wenn er tatsächlich Recht hatte? Was sollte ich tun, wenn sich die Bewerbung als großer Fehler heraus stellte?
Ich spürte, wie sich in mir eine paralysierende Unsicherheit ausbreitete und meine anfängliche Freude zu ersticken versuchte.

Was, wenn es gar nicht so toll sein würde, wie ich es mir immer vorgestellt hatte? Was, wenn ich mich blamiere? Oder versage? Und was, wenn es wirklich nur leere Träumereien sind?

Ich zerbrach mir den Kopf und stellte mir Szenarien vor, die niemals eintreten würden. Diese wurden durch meine aufkommenden Zukunftsängste immer unrealistischer und ich bemerkte nach kurzer Zeit, wie abwegig meine Gedanken doch waren.

Ich kämpfte erfolgreich gegen diese belastenden 'Was-wäre-wenn-Gedanken' an und als diese immer mehr zu fragmentarischen Bruchstücken wurden, fiel ich letztlich in einen schweren Schlaf.

▪︎

Als ich am nächsten Morgen erwachte, wirkte noch das Gefühl der Enttäuschung, welches ich in meinem Traum empfunden hatte, nach. Ich konnte mich nicht konkret daran erinnern, was in dem Traum geschehen war, wusste aber noch, dass es nicht schön gewesen war.

Während mich das Gefühl noch begleitete, trat ich den Weg zur Arbeit an und begann, im Lager angekommen, demotiviert mit meinen Aufgaben.
Ich fühlte mich unaussprechlich kraftlos.

Während ich die Kisten auspackte, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf und mir wurde auf einmal bewusst, dass künftig alles anders werden würde. Ich würde nicht mehr in diesem Lager arbeiten, indem es eindeutig an Licht fehlte. Ich würde nicht mehr mit geschwächtem Körper nach Hause kommen. Ich würde mich nicht mehr fragen, wieso ich diesen Job eigentlich immernoch machte.

Nein. Ich würde das tun, was ich immer tun wollte. Ich würde so viel lernen, so viele Erfahrungen machen, so viele Leute kennenlernen.
Ich würde den Job meiner Träume machen. Dafür hatte ich studiert, dafür hatte ich gearbeitet und darauf hatte ich gewartet.

Meine Zweifel waren wie weggeblasen und ich spürte, wie mir ein Lächeln über die Lippen huschte, als ich die Waren in die Regale räumte. Es war eines der letzten Male, das ich das tat, denn in wenigen Monaten würde ich meinen neuen Job beginnen.

Meine Gedanken fingen wieder an, ein Eigenleben zu führen und schlängelten sich durch Tagträume, die diesmal aber sehr positiver Natur waren.
Ohne, dass ich es realisierte, begann ich mich im Takt der Musik, die im Lager aus dem Radio dröhnte, zu bewegen. Ich gab alles bei meiner Freestyle-Choreographie und vergaß für einen Moment, dass ich eigentlich die Kisten auspacken sollte.

Als ich gänzlich in meinen Bewegungen versunken war und deswegen gar nicht bemerkte, wie der Besitzer des Ladens das Lager betrat, wurde ich von seinem Auflachen aus der Fassung gebracht. Ich stoppte unmittelbar und sah ihn entschuldigend an. Er jedoch lächelte nur und schüttelte den Kopf. "Du solltest eher Menschen entertainen, statt meine Regale immer falsch einzuräumen.", neckte er mich.

Ich lachte daraufhin laut auf, ehe ich gedankenversunken entgegnete: "Ich werde darüber nachdenken."

An diesem Tag verließ ich das Lager mit einem guten Gefühl und kam mit ebendiesem auch Zuhause an.
Als ich die Küche betrat, bereitete meine Mutter wie üblich gerade das Abendessen vor und meine Schwester saß am Tisch und war in ihre Unterlagen vertieft, mit denen sie in ihrem Studium arbeitete.

Sie studierte schon zum zweiten Mal, da sie sich umentschieden hatte und ihr Leben doch in eine andere Richtung lenken wollte. Sie war so freigeistlich und tat immer, was in ihrem Sinne war. Manchmal beneidete ich sie dafür, dass sie einfach tat, was sie tun wollte und keine Acht darauf gab, was andere darüber denken würden. Ich würde das gerne auch öfter tun.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf meinen Vater, der ebenfalls am Tisch saß und wie immer in seiner Zeitung vertieft war, um das Geschehen der Welt zu verfolgen. Wäre er nur so interessiert an dem Geschehen innerhalb dieser vier Wände. Er klinkte sich beinahe fortlaufend aus und wenn er mal Interesse zeigte, äußerte er sich nur abfällig.

In mir stieg Ärger auf, während ich ihn so beäugte, doch dieser wurde daran gehindert, sich zu verstärken, als meine Schwester von ihren Unterlagen aufsah und mir freudig zurief: "Hallo Tae!"
Auch meine Mutter begrüßte mich, mein Vater hingegen sah nicht von seiner Zeitung auf.

Beim Abendessen erzählte Djuna begeistert von ihrem Studienfach und schwärmte von den Themen, mit denen sie sich beschäftigen konnte. Sie betonte immer wieder, dass es ihr viel mehr Spaß machte, als ihr voriges Studienfach, woraufhin ihr unser Vater nur missbilligende Blicke zuwarf.

Es war kein Geheimnis, dass ihre Leichtlebigkeit und Sprunghaftigkeit ihn verärgerten.
Meine Mutter hörte den Erzählungen meiner Schwester aufmerksam zu, bis diese von meinem Vater unterbrochen wurde, der sich zum ersten Mal an diesem Tag an mich wandte.
"Hast wenigstens du dich mittlerweile für einen anständigen Beruf entschieden?", gab er mit Nachdruck von sich.

Ich konnte die Verärgerung in meiner Stimme nicht unterdrücken, als ich erwiderte: "Ja, das habe ich. Ich werde bei der Organisation arbeiten, bei der ich mich beworben hatte."

Mein Vater blickte mich ungläubig an, ehe er ein verächtliches Schnauben ausstieß. "Du wirst sehen was du davon hast.", lächelte er selbstgefällig.

Ich erwiderte nichts mehr, sondern entschloss mich dazu, ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken und diese lieber auf meine Schwester zu richten, die aufgehört hatte, zu erzählen und ihn verärgert ansah.

"Kannst du das nochmal wiederholen?", fragte ich sie erwartungsvoll. Etwas entmutigt fing Djuna noch einmal an zu erzählen, erhielt während sie erzählte jedoch ihre ganze Leidenschaft zurück.
Mein Vater äußerte sich nicht mehr dazu und verließ nach dem Essen wortlos den Tisch.

Ich fühlte mich seltsam bestärkt und konnte es kaum erwarten, mit meinem Job zu beginnen. Alle Zweifel waren verschwunden und die folgenden Wochen vergingen schnell, während mich dieses Gefühl stetig begleitete.

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt