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Das war das Letzte, das ich wollte. Jemanden zu lieben, der mir allen Grund dazu geben hat, ihn zu hassen.

▪︎

|Taehyung|

Tage, sogar beinahe Wochen vergingen und nichts war in der Lage meine Stimmung auch nur um ein Minimum anzuheben. Ich erlitt täglich Deja-Vus, denn Jungkook ging mir mit einer solchen Beständigkeit aus dem Weg, dass ich das Gefühl hatte, er würde mich nicht einmal mehr wahrnehmen. Es war beinahe so wie am Anfang. Er würdigte mich keines Blickes; selbst bei den Proben musste er sich sichtlich überwinden, sich mir zuzuwenden, auch wenn es lediglich seine Rolle war, die mit mir kommunizieren musste.

Es war nicht so, dass ich nicht versucht hätte, mit ihm zu sprechen. Beinahe jeden Tag versuchte ich ihm meine Sicht zu erklären. Ich sprach ihn an, rief ihn an, versuchte alles, damit er mir zuhörte. Doch es war jedes Mal vergeblich.

Seine Hartnäckigkeit war fast zu bewundern, würde mein Herz nicht so schmerzen. Es hing am seidenen Faden, beinahe wie meine Hoffnung darauf, dass sich je wieder etwas an unserem jetzigen Verhältnis zueinander ändern würde.

Doch Jungkook sah beinahe so müde aus, wie ich mich fühlte. Er wirkte ausgelaugt und antriebslos, von seiner Energie, die in den letzten Wochen mehr als nur einmal auf mich übergesprungen war, war kein Funke mehr übrig.

Und ich war schuld daran, dass sich die momentane Ausdruckslosigkeit seiner Augen auf seinem gesamten Wesen auszubreiten begann. Er hatte dunkle Augenringe, als hätte er seit Wochen nicht geschlafen und seine Haut wirkte blass und fahl. Er wirkte beinahe wie ein Vampir, eines dieser einsamen Fabelwesen, die stetig durch die Dunkelheit wanderten und denen es nicht vergönnt war, sich an den wärmenden Strahlen der Sonne zu erfreuen.

Mir war jedoch klar, dass ich vermutlich nicht besser aussah. Denn immer dann, wenn ich abends in meinem Bett lag, bereit der Realität zu entgleiten, da holte sie mich mit einer solchen Intensität ein, dass ich große Mühe hatte, mich wieder von ihr abzuwenden. Ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen und ich wollte nichts lieber, als die Zeit zurückzudrehen und zurückzukehren zu dem Punkt, an dem ich in Erwägung gezogen hatte, diese Lüge ins Leben zu rufen. Was wäre geschehen, wenn ich es nicht getan hätte? Wäre ich ihm jemals so nah gekommen? Hätte er sich mir trotzdem an irgendeinem Punkt zugewendet? Ich würde es wohl nie erfahren.

Doch ich vermisste ihn so schrecklich. Ich vermisste es neben ihm aufzuwachen, ich vermisste seine Küsse, seine Berührungen. Ich vermisste sein Lächeln, vor allem dieses eine, besondere, das zweifellos nur mir galt.

Mich begleitete eine nie zuvor gekannte Trägheit, die mich nachhaltig lähmte, bei allem, was ich tat. Nichts ergab mehr einen Sinn, jetzt wo er nicht mehr mit mir sprach. Jetzt, wo ich abends nicht mehr in seinen Armen liegen und ihm von den Geschehnissen des Tages berichten konnte.

Und daran war nur ich allein Schuld. Ich hätte es ihm sagen müssen. Ich hätte ihm sagen müssen, was ich getan hatte. In einem ruhigen und vertrauten Moment, vorsichtig und vor allen Dingen eines: aus freien Stücken.

Ich konnte nicht sagen, wie er reagiert hätte, wenn er es von mir erfahren hätte. Aber es durch Jins Unvorsichtigkeit zu erfahren, musste ihm das Gefühl vermittelt haben, ich hätte ihn hintergangen. Ich wusste, dass er sich viel zu viele Gedanken machte, immerzu. So, wie ich es ebenfalls tat. Er zerbrach sich den Kopf, vermutlich jetzt gerade, in diesem Moment und malte sich vermutlich die schlimmsten Szenarien aus.

Vielleicht dachte er, ich hätte es als Herausforderung gesehen, ihn trotz seines abweisenden Verhaltens 'rumzukriegen' ... Vielleicht dachte er, ich hätte ihn öfter als dieses eine Mal belogen ...
Vielleicht dachte er, ich war der größte Fehler, den er jemals gemacht hatte.

Und ich wollte es ihm erklären; ich wollte doch nur, dass alles wieder gut werden würde. Dass er mich wieder so ansehen würde, wie er es immer dann getan hatte, wenn er dachte, ich würde seine Blicke nicht bemerken. Ich wollte nur, dass er mir wieder vertraute, wie er es zuvor getan hatte. Ich wollte nur, dass er mir verzieh.

Doch würde ich es tun? Würde ich ihm das verzeihen? Ich wäre genauso enttäuscht und verletzt, wie er es nun vermutlich war und ich konnte ihm keines dieser Gefühle absprechen.

Und egal, wo ich war, dieses Loch, das in meiner Brust prangte, begleitete mich stetig. Ich fühlte mich leer und war ständig abwesend. Dieses Gefühl war mir immer fremd gewesen und ich wünschte, das wäre es noch immer.

Ich bekam kaum etwas von meinem Umfeld mit. Dieses Gefühl umgab mich, als sei ich gefangen in einer dünnen Blase. Ich nahm alles wahr, was geschah, doch nichts erreichte mich. Ich fühlte mich so weit entfernt von allem.

Jimin erzählte mir kaum etwas von der aufblühenden Beziehung zwischen ihm und Yoongi, denn er wollte mich nicht noch zusätzlich belasten, indem er mir zeigte, wie glücklich er war. Doch so wirkte er. Ein Strahlen umgab ihn, das sein Umfeld vermutlich schon beinahe blenden musste. Selbst Hobi stellte er damit in den Schatten.

Ich fragte ihn ständig, wie es lief und was genau am Tag vom Release des Mixtapes geschehen war, doch er schob all das zur Seite und hörte mir bedingungslos zu, wenn ich ihm mein Herz ausschüttete und dabei nicht verhindern konnte, dass einige Tränen mit heraustraten.

Das Verhältnis mit Jin war angespannt, denn ich verspürte einen Anflug von Wut, wann immer ich mit ihm sprach. Ich konnte ihm nicht die Schuld dafür geben, dass ich Jungkook letztlich belogen hatte, doch ich konnte den Ärger in mir nicht unterdrücken.

Vielleicht musste ich einfach einen Teil meiner Wut, die sich gegen mich selbst richtete, auf ihn konzentieren, weil ich sonst unter all den Vorwürfen, die ich mir machte, zusammenbrechen würde.

Selbst die Proben, die mir Spaß bereitet hatten, unabhängig davon, wie unmöglich es gewesen war, mit Jungkook zu arbeiten, als er so kühl und arrogant war, verliehen mir nicht mehr einen Funken Freude.

Ich hatte gelitten, damals, als sich Jungkook mir gegenüber so verhalten hatte. Ich dachte, das sei die schlimmste Zeit gewesen, seit ich in dieser Einrichtung arbeitete.
Doch ich hatte mich geirrt.
Viel lieber würde ich die Zeit zurückdrehen und mein ganzes Leben lang in dieser Zeit festsitzen, als auch nur einen Tag länger in dieser Situation auszuharren.

Wie sollte ich das nur jemals wieder gerade biegen?

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt