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Als ich von ihm umgedreht wurde, erblickte ich den Grund für seine Eile.
Jungkook torkelte gerade zur Tür herein.

▪︎

Jimin und ich kamen auf der Tanzfläche an und er ließ mein Handgelenk schließlich los, ehe er mir in die Augen sah und mich fragte "Bereit?".
Mein Herz pochte stark gegen meine Brust und mal wieder wünschte ich mir, ich hätte niemals jemandem irgendetwas erzählt, was mein Herz näher anging.

Ich nickte schließlich und Jimin sah dies als Anlass seine Arme um meinen Hals zu schlingen und mich ein Stückchen näher zu sich zu ziehen. Ich legte meine Hände wie aus Reflex an seine Hüfte und zog diese dicht an meine, während wir uns zum Beat der Musik bewegten. Es dauerte nicht lange und wir bewegten uns aufreizend gegeneinander, bis Jimin mich schließlich am Nacken zu sich zog und verlangend seine plumpen Lippen auf meine legte. Es kam zu einem hungrigen Kuss, der viel Leidenschaft ausstrahlen musste.

Es war ein eigenartiges Gefühl einen engen Freund zu küssen, von dem ich in dieser Hinsicht gar nichts wollte. Jimin war zwar wirklich gut darin; er wusste genau, was er tat. Jedoch fehlte das Feuer, das auf meiner Haut entflammt war, als Jungkook mich so geküsst hatte. Und wieder hoffte ich, Jimin würde irgendwann dem Richtigen solche Küsse schenken, wie auch Jin und Namjoon es taten.

Diese, für eine öffentliche Veranstaltung viel zu aufreizende, wilde Knutscherei, nahm nach einer Zeit ihr Ende und Jimin und ich lösten uns, völlig außer Atem voneinander. Als ich meine Augen wieder öffnete und mich verstohlen im Raum umblickte, bemerkte ich einige Blick auf uns. Yoongi starrte uns ungläubig an und auch Hobi sah aus als würden ihm seine Augen jeden Moment aus dem Kopf fallen.
Jin hatte Namjoon tatsächlich abgelenkt, indem er ihn dazu gebracht hat, uns den Rücken zuzuwenden und sich angeregt mit ihm zu unterhalten.

Auch Jungkook's Blick fixierte uns, jedoch lag etwas in diesem, das ich nicht deuten konnte.
Er verengte kurz seine Augen, ehe er sich abwendete und schnellen Schrittes auf die Bar zulief, ich verfolgte ihn dabei weiterhin mit meinem Blick.
Auf einmal spürte ich Hobi's Hand auf meiner Schulter und schreckte hoch.
"Wow, da habt ihr euch ja gerade null zurückgehalten.", lachte Hobi uns an.
"Viel Glück, Leute! Ich shippe das!", sagte er noch, ehe er sich wieder umdrehte und auf das Buffet zuschritt.

Jimin und ich sahen uns grinsend an, ehe wir in ein kaum auffallendes, leises Gelächter ausbrachen.
"Das war sehr gut, findest du nicht?", fragte Jimin mich mit wackelnden Augenbrauen.
"Also ich würde es uns abkaufen!", bestätigte ich grinsend.
"Meinst du, er hat es uns abgekauft?" Jimin schielte unauffällig zur Bar, wo Jungkook ein paar Shots stürzte, ehe er sich umdrehte und auf die große, hölzerne Tür zusteuerte, die aus dem Filmstudio führte.

"Ich denke, das werde ich gleich herausfinden.", bemerkte ich mit deutlicher Unruhe in meiner Stimme und schritt ebenfalls unauffällig auf den Ausgang zu.
Mit jedem Schritt, der mich im stillen Flur voran brachte, spürte ich eine beißende Anspannung in mir aufsteigen. Ich hielt deswegen kurz inne und atmete durch. Was sollte schon Schlimmes passieren? Vielleicht das Gleiche wie mit Jimin? Würde er vielleicht ausrasten? Ich wollte keine körperliche Auseinandersetzung provozieren, in meiner Schulzeit ging ich soetwas immer aus dem Weg ... Außerdem würde ich gegen Jungkook nicht ankommen.
Kurz kam mir der Gedanke, einfach wieder ins Filmstudio zu gehen und dieses Schauspiel mit Jimin auf ewig weiterzuspielen, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Das wäre sicherlich viel einfacher als eine direkte Konfrontation mit einem betrunkenen und womöglich vor Wut rasendem Jungkook.

Letztlich ignorierte ich meine Gedankengänge, die mir leider viel zu plausibel erschienen, hievte mein Handy aus meiner Hosentasche und schaltete den Recorder an.
Ich würde das Gespräch mit ihm aufzeichnen, falls er es im Nachhinein leugnen oder mir unterstellen würde, ich wäre betrunken gewesen und hätte mir das alles nur ausgedacht. Jin hatte die Wichtigkeit dieses Schrittes betont, da ich ansonsten "nichts gegen ihn in der Hand hätte". Jin las nicht zur zu viele Dramen, er sah sich auch zu viele Krimis an.

Aber dass überhaupt etwas bei dem Gespräch herauskäme, konnte ich mir nicht vorstellen. Es war nicht möglich vernünftig miteinander zu reden, wenn man Alkohol getrunken hatte. Viele Menschen bereuen die Taten, die von ihrem betrunkenen Alter Ego ausgehen. Wieso also sollte es bei Jungkook anders sein?

Ich schritt wieder den Flur entlang, auf der Suche nach der Person, die ich unbedingt sehen und der ich gleichzeitig für immer aus dem Weg gehen wollte.
Und ich fand ihn dort, wo ich auch das letzte Mal das Gespräch mit ihm gesucht hatte. Auf dem Balkon.
Doch dieses Mal stand er nicht am Geländer, sondern saß auf dem Boden, die Beine angewinkelt und wieder zog er an einer Zigarette. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, er hob jedoch den Kopf an, als ich vorsichtig die Glastür aufdrückte.

Ich erschrak ein wenig als ich in sein Gesicht sah, denn er sah unglaublich verletzt aus. Von seiner aggressiven, ablehnenden Fassade schien nichts mehr übrig zu sein. Es war nicht wie das letzte Mal, als ich ihn so sah. Damals wirkte alles so unecht, es ging alles viel zu schnell und ich war mir zwischenzeitlich nicht mal mehr sicher, ob es tatsächlich so passiert war. Es blieb mir nur verschwommen im Gedächtnis, fast wie ein Traum.

Aber dieser Moment im Hier und Jetzt, in dem ich in sein enttäuschtes Gesicht sah, bestätigte mir, dass es gar nicht anders gewesen sein konnte und all die Momente, in denen er sich mir gegenüber so ablehnend verhalten hatte, kamen mir stattdessen nicht mehr real vor.

Ich setzte mich kurzerhand neben ihn auf den kühlen Boden des Balkons und lehnte meinen Rücken an das Geländer, an dem bereits der Lack abgeblättert war. Sein Blick folgte mir und pure Verständnislosigkeit war aus ihm herauszulesen.

"Was machst du denn hier?", erhob er seine brüchige Stimme, die mich beinahe mehr erschreckte, als sein Anblick. Sie hörte sich so ... kraftlos an.
Ich ignorierte seine Frage. "Frierst du nicht?", fragte ich stattdessen.
"Nein.", erwiderte er kühl.
"Du zitterst." Er zuckte daraufhin nur mit den Schultern und wandte seinen Blick ab.

Das Licht des Flurs schien ihm in sein Gesicht und ich erkannte, wie nass seine Wangen waren. Ich hatte mir auf der ersten Party gar nichts eingebildet, er hatte geweint und das tat er auch jetzt. Ich konnte mir plötzlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich jemals verhalten könnte wie das Arschloch, das er sonst immer war.

"Jungkook, ... weinst du?"
Er zog wieder an seiner Zigarette, die mittlerweile fast gänzlich abgebrannt war und drückte sie schließlich auf dem Steinboden aus.
"Hab Rauch im Auge.", antwortete er.

Das hatte ich schon eher erwartet. Ich wusste, er würde sich nicht öffnen. Ich war einfach nicht gut in sowas. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Dachte ich, er würde mir einfach so seine Gefühle gestehen und wir würden anschließend bis ans Ende unserer Tage zusammen glücklich sein?
Ich saß eine Weile still da und überlegte schon, die 'Mission', die Jin ausgetüftelt hatte abzubrechen und mein Vorhaben zu vergessen. Ich sollte vielleicht einfach kündigen. Das würde alles erleichtern.

"Willst du nicht weiter mit deinem Freund rummachen gehen?", fragte mich Jungkook plötzlich. Doch es klang nicht gehässig, sondern eher wehmütig.
"Nein, ich möchte hier sitzen. Mit dir.", antwortete ich schneller, als ich über diese Antwort nachgedacht hatte.
Er hob den Kopf und sah mich an. Fragend, verwirrt, doch er sagte nichts.

Er wandte sich ab und griff in seine Hosentasche, um eine kleine Schachtel hervorzuziehen und sich mit wenigen Handgriffen eine weitere Zigarette anzuzünden.
Wir saßen eine Weile still da und obwohl in mir die chaotischsten Gefühle und Unmengen an ungefragten Fragen tobten, war diese Stille nicht unangenehm.

"Willst du auch eine?", fragte er mich plötzlich und ich fixierte ihn verwirrt mit meinem Blick. Als ich verstand, dass er die Zigaretten meinte, schüttete ich kurz den Kopf.

Ich wandte jedoch meinen Blick nicht ab und er tat es ebenso wenig. Und wie ich so in seine Augen sah, die rot unterlaufen waren und von den Tränen glänzten, schien es mir unmöglich meinen Blick jemals wieder von ihm abzuwenden. Er wirkte auf einmal so weich und verletzlich und ich fühlte mich von ihm in keinster Weise eingeschüchtert.
Ich hatte eher noch das Bedürfnis ihn zu beschützen, was mir völlig neu war und ich konnte mir nicht erklären, wie dieser Mensch so etwas in mir auslösen konnte. Dieser Mensch, der der Grund für meine nie endenden Kopfschmerzen war, meine verworrenen Empfindungen, jedoch genauso sehr für mein Herzrasen.

"Wieso bist du so?", krächzte er und unterbrach somit meine Gedankengänge.
"So uncool?", fragte ich, weil ich erwartete, er würde nun die Gelegenheit nutzen, um mir begrifflich zu machen, wie langweilig ich war, weil ich nicht rauchen wollte.

"Nein." flüsterte er beinah und seine Augen studierten unaufhörlich mein Gesicht.
"So nett."

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt