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Vielleicht sollte es so kommen. Vielleicht würde alles gut werden. Vielleicht auch nicht.

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Liebes Tagebuch,

ursprünglich wollte ich nicht mehr in dieses Buch schreiben. Doch ich habe mich dazu entschlossen, diesen Eintrag als Neuanfang zu betrachten.

Jetzt, wo ich den vorigen Eintrag aus diesem Buch herausgerissen habe, wie auch Taehyung mich aus der Illusion gerissen hat, dass er mein Herz behutsam mit sich tragen und vor allem Unheil schützen würde. Denn es fühlt sich an, als wäre mit dieser Seite, auch mein Herz herausgerissen worden; als wäre es aus den Angeln gehoben und unliebsam verformt worden, sodass es nie mehr an seinen ursprünglichen Platz passen würde.

Und dort, wo es saß, spüre ich nur noch eine Leere, die jegliche positiven Empfindungen in sich einsaugt und nie mehr freigibt, wie ein schwarzes Loch in der endlos weiten Galaxie.

Diese einzelne Person hat mehr in mir ausgelöst als die Summe aller Menschen, denen ich im Laufe meines Daseins begegnet bin. Ein einziges Wort von ihm hat mich mehr bewegt, als die größten Werke der berühmtesten Autoren. Ein Kuss von ihm hat mich mehr berauscht als eine ganze Flasche Wein für mich allein.

Und es ist eine der ironischsten Gegebenheiten, dass der Mensch, der die wildesten Wellen des Glücks in mir auslösen kann, gleichzeitig die Macht besitzt, den verheerendesten Sturm in mir aufkommen zu lassen.
Dass der Mensch, der unter jeden Umständen und mit seiner bloßen Anwesenheit meinen Gemütszustand signifikant verbessern kann, gleichzeitig im Stande ist, jeder noch so schönen Situation restlos ihre Schönheit zu rauben.

Kein schnulziger Liebesfilm und kein überspitzter Roman hatte je gelogen. Ich wusste bis jetzt nicht, wie sich Liebeskummer anfühlt. Und nun wünschte ich, ich wäre um diese Erfahrung ärmer. Denn erst, wenn man es am eigenen Leib erfährt, realisiert man wie vernichtend dieses Gefühl ist.

Und ich bin wütend. Ich hasse ihn so sehr dafür, dass er mich belogen hat, um an mich heranzukommen. Ich habe ihm ausnahmslos die Wahrheit gesagt. Doch das Schlimmste ist, dass ich durch ihn erst die Wahrheit akzeptiert habe. Dass ich durch ihn erst die Wahrheit anerkannt habe, die ich davor immer von mir gestoßen hatte. Und dass mir durch ihn klar wurde, dass sie alles in den Schatten stellt, was andere mir als die Wahrheit verkaufen wollen. Dass gerade dieser Mensch mich durch seine Unehrlichkeit so enttäuscht, das übertrifft meine Erwartungen.

Doch ich hasse nicht nur ihn. Vielmehr noch hasse ich mich selbst. Wieso habe ich das zugelassen? Wieso bin ich auf seine perfekte Fassade reingefallen? Wie konnte er mich nur so um den Finger wickeln und mich so nachhaltig prägen?
Er hat so viel von mir gesehen, das ich selbst nicht kannte und ich wünschte, ich hätte ihm all das nie gezeigt.

Ich komme mir so dumm vor. Meine mühsam erarbeitete Reserviertheit habe ich abgelegt und was hatte ich davon?
Ich hatte so oft ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn so mies behandelt habe. Es fiel mir an manchen Tagen so schwer, mich selbst zu hinterfragen und mich ihm hinzugeben. Er hat von Anfang an alles auf den Kopf gestellt; er hat Chaos ausgelöst, das ich nie mehr beseitigen konnte. Vielmehr habe ich gelernt, zu akzeptieren, dass alles, was in diesem Universum existiert, nach Chaos strebt. Und ich habe mit diesem Chaos gelebt und Gott, es war wunderschön. Ich habe mich nie so frei gefühlt wie mit Taehyung.

Und nun liegt alles in Trümmern vor mir und ich fühle mich so entblößt. Ich habe diesen Menschen in mein Herz gelassen und gottverdammt, es war so schwer. Und letztlich hat er die Wände eingerissen und alles ist in sich zusammengebrochen.

Hätte ich ihm doch nie die Tore geöffnet. Ich hatte Angst davor.
Ich dachte, sobald ich es mir eingestehe, werde ich es nie mehr los. Und ich hatte recht.

Das war das Letzte, das ich wollte. Jemanden zu lieben, der mir allen Grund dazu geben hat, ihn zu hassen.

JK

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt