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Konnte das noch gespielt sein?

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Frustriert wälzte ich mich in meinem Bett hin und her, das mir seit Stunden keine bequeme Position bot. Egal, was ich versuchte, meine innere Unruhe wollte sich nicht verabschieden und Platz schaffen für einen tiefen und erholsamen Schlaf, der mir endlich eine Pause von meinen Gedanken verschaffen könnte.

Vor einigen Stunden noch, hatte ich Jungkooks emotionaler Rede gelauscht und war Zeuge geworden, wie er mir seine Gefühle offenbart hatte. Wie er mir erklärt hatte, was in ihm vorging.

Ich war so perplex von seiner Erzählung gewesen, dass ich gar nichts erwidern konnte. Meine eigenen Gefühle waren in diesem Moment so weit entfernt gewesen, dass ich sie nicht greifen konnte. Mein Kopf war leer; mein Verstand wie taub.
Ich war gar nicht richtig darauf eingegangen, was er mir da offenbart hatte.

Ich brauchte Zeit. Zeit zum Nachdenken; Zeit in kompromissloser Stille. Ich brauchte Zeit alleine, mit meinen lauten Gedanken.
Nachdem er mir all das erzählt hatte, bedankte ich mich bei ihm für seine Offenheit und sagte ihm, ich müsste das erstmal verdauen. Er hatte scheinbar auch nicht erwartet, ich würde ihm um den Hals fallen und unser gemeinsames Happy End besiegeln.

Stattdessen war ich beinahe schon geflüchtet, unter meine Bettdecke; verborgen und geschützt davor, wie das Leben manchmal spielte.

Jin hatte tatsächlich Recht behalten. Alles, was er vermutet hatte, alles, was er Jungkook schon fast unterstellt hatte, traf zu. Doch es aus Jungkook's Mund zu hören, war anders gewesen. Es war realer, nicht bloß eine vage Spekulation.

Doch auch, wenn es so real war und so wahr geklungen hatte, fiel es mir schwer, es zu realisieren.
Das war es, worauf wir hingearbeitet hatten. Dafür hatten wir erst diese Lüge ins Leben gerufen, wegen der ich mich nun bis über alle Maßen schlecht fühlte.

Jungkook kämpfte mit sich und seiner Selbstakzeptanz und ich wusste mir nicht anders zu helfen, als ihn anzulügen und ihn mit falschen Mitteln dazu zu bringen, sich mir zu öffnen.

Es war ein wichtiger Schritt, zweifellos. Er hätte nicht ewig mit der Verleugnung von etwas leben können, das zu ihm gehörte. Ich hatte auch mit eigenen Augen gesehen, wie es ihm von Wort zu Wort leichter fiel und wie es ihn entlastete. Aber es war schlichtweg der falsche Weg und tief in meinem Inneren hoffte ich, er würde es niemals erfahren.

Da ich schon die halbe Nacht lang wach lag, beschloss ich, duschen zu gehen, da ich wahrscheinlich sowieso nicht mehr einschlafen würde.

Das heiße Wasser prasselte auf meinen Körper herab und schien einen Teil meiner Anspannung zu lösen. Ich wusste nicht, wie lange ich dort stand und literweise Wasser verschwendete, doch ich wollte die Dusche nie wieder verlassen. Mein Kopf fühlte sich viel freier an, während mein Körper so sanft in Wärme gehüllt wurde.

Ich fühlte mich gefasster, als ich das Badezimmer schließlich verließ und ich wollte nicht, dass dieses Gefühl zu schwinden begann. Entschlossen, nicht in Untätigkeit zu versinken, zog ich mir etwas Bequemes an und beschloss ein wenig durch die Straßen meiner Nachbarschaft zu laufen.

Still lagen die Gassen in der Finsternis, doch es löste keine Beunruhigung in mir aus. Im Gegenteil, es ließ tiefe Ruhe einkehren.
Ich hatte mein Handy und meine Kopfhörer dabei und ehe ich selbst begriff, was ich tat, hörte ich auch schon Jungkooks brüchige Stimme durch die Kopfhörer dringen. Genau so, wie sie in der Nacht der zweiten Party geklungen hatte. Ich hörte die Audiodatei dieser Nacht, so als wäre sie mein liebster Podcast.

Und erst in diesem ungestörten Moment wurde mir gänzlich bewusst, dass er mich tatsächlich mochte. Es fühlte sich an, als würde ich all die Zweifel in der Dunkelheit dieser Nacht zurücklassen.

Jungkook mochte mich, zweifellos. Ja, er hatte es ausgesprochen, mehrmals. Jedoch hatte mich immer ein wenig Misstrauen geplagt, denn er war so undurchschaubar gewesen. Und das war er noch immer.
Jetzt jedoch fühlte ich nichts als Freude, denn der Typ, der mich so verzaubert hatte, ohne dass ich es wollte, empfand etwas für mich.

Der Typ, der mit einer einzigen Berührung einen Großbrand auf meiner Haut entfachen könnte, wünschte sich meine Nähe. Und ich wollte auf einmal nichts mehr, als sie ihm zu geben; bedingungslos.

All meine Wut war wie vom Erdboden verschluckt, denn ich verstand ihn auf einmal. Ich verstand, wieso er sich so verhalten hatte. Er war nicht mein Feind; er war eine von vielen gequälten Seelen, deren größter Feind nur sie selbst waren.
Einer dieser Menschen, von denen stets erwartet wurde, anders zu sein, als sie waren. Er entsprach nicht den Vorstellungen von Außenstehenden und akzeptierte sich deswegen selbst nicht, wie es so viele Menschen nicht taten.

Ich konnte nicht in ihn hineinsehen; ich war nicht in der Lage, genau das zu fühlen, was er fühlte. Doch nun konnte ich es nachvollziehen, weil er sich mir geöffnet hatte. Und als ich so die Straßen passierte, verspürte ich eine tiefe Dankbarkeit, weil ich ihm allem Anschein nach wichtig genug war, dass er mir seine verletzliche Seite offenbart hatte. Er hatte mit mir über seine Gefühle und Probleme gesprochen, erst vor einigen Stunden. Er hatte sich mir gezeigt, ohne sein Schutzschild, das aus Arroganz und Ablehnung bestand.
Und er dachte vermutlich, ich würde noch immer Hass für ihn empfinden, wie ich es am Anfang tat.

Von nun an, würde ich meine Unsicherheit hinter mir lassen. Sie hatte schon genug Macht über mich gehabt, als ich ganz am Anfang völlig ahnungslos in dieses Gebäude getreten war und die wahrscheinlich aufregendste Zeit meines Lebens begonnen hatte.

Ich würde Jeon Jungkook eine Chance geben. Die Chance, die er sich selbst nicht gab. Und ich würde ihm zeigen, wie sehr er sie verdiente.

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt