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Mein Herz raste und ich fragte mich, ob das noch gesund war und als Jin uns zurief, dass wir unsere Positionen einnehmen sollten, setzte es einen Schlag aus.

▪︎

Die Schweißperlen rannen an meiner Schläfe herunter und das grelle Licht der Scheinwerfer behinderte meine Sicht auf den riesigen Saal.
Ich hörte jedoch den Applaus des Publikums, der durch den Raum schallte und von vereinzelten Pfiffen begleitet wurde.
Das schmeichelnde Geräusch umgab uns, während wir uns verbeugten und somit die Vorstellung beendeten.

Entgegen meiner Erwartungen lief es, trotz einiger unausweichlicher Patzer, zufriedenstellend. Vieles, das in den Proben schiefgegangen war, funktionierte auf der Bühne wirklich gut, denn die Anwesenheit eines Publikums spornte uns zu Leistungen an, die wir in den Proben nur mit dem höchsten Maß an Konzentration erreichen konnten. Doch auf der Bühne gab es nur das Schauspiel.

Mich durchströmte ein unbeschreibliches Gefühl. Ich hatte meinen ersten großen Auftritt hinter mir und stand hier, vor dieser Menschenmenge, die mir dabei zugesehen hatte, wie ich etwas getan habe, dass ich liebe. Es fühlte sich an, als sei man dort angekommen, wo man hingehört.

Man konnte förmlich spüren, wie die Anspannung von jedem einzelnen Darsteller abfiel und Platz für tiefe Zufriedenheit und Erschöpfung machte.
Ich jedoch kam nicht in den Genuss dieses Gefühls, denn meine Vorstellung war noch nicht beendet.

Als wir alle hinter Namjoon standen, der auf der Bühne eine Ansprache hielt und kurz davor war, sie zu beenden, gab ich mir einen Ruck und zwar den Ruck meines Lebens und trat zu ihm nach vorne, nachdem er seine letzten Worte in das Mikrofon gemurmelt hatte.

Namjoon sah mich fragend an, als ich meine Hand nach dem glänzenden Mikrofon ausstreckte, da die, die wir durchgehend getragen hatten, von Yoongi bereits abgeschaltet worden waren. Mit sichtlicher Verwunderung drückte er mir das Mikrofon in die Hand und trat einige Schritte zurück. Und in diesem Moment entfielen mir alle Worte, die ich mir mühsam in meinem Kopf zurechtgelegt hatte.

"V-vielen Dank, d-dass sie alle gekommen s-sind.", stotterte ich in das Mikrofon und erschrak über meine zittrige Stimme. Dennoch verbeugte ich mich kurz und beschloss, so schnell wie möglich fortzufahren.
"I-ich würde g-gerne etwas sagen."

War es noch zu spät einen Rückzieher zu machen? Weitaus mehr Nervosität, als noch wenige Stunden zuvor, floss wie das Blut durch meine Adern, ungehindert und rasend schnell.

"Jeon Jungkook ...", sprach ich und drehte mich um, um ihm entgegenzublicken und langsam einige Schritte auf ihn zuzugehen. Ein Sturm tobte in mir und ich spürte ein starkes Kribbeln in meiner Magengegend, das mich unmissverständlich davor warnte, dass ich mich mit großer Wahrscheinlichkeit gleich übergeben musste.

Als ich ihm gegenüberstand und ihm in sein vor Überraschung verzogenes Gesicht blickte, erhob ich wieder meine brüchige Stimme.
"D-du bist nicht nur ein großartiger Schauspieler ... nein, du bist viel mehr als das. Du bist ein b-bewundernswerter Mensch.", verließ meine zitternden Lippen und in Jungkooks Gesicht war keine Regung erkennbar.

"U-und ich bin ein v-verdammter Idiot, weil ich dich belogen habe." Ich schluckte schwer. Mein Mund war ganz trocken und mein Herz hämmerte wie wild in meinem Brustkorb.

"Aber ich lüge nicht, wenn ich dir sage, ... dass mir das alles schrecklich leid tut."
Meine Augen brannten und entließen einzelne heiße Tränen, die ungehindert über meine erhitzten Wangen rannen, sodass ich sie kaum spürte.

"Und ... d-dass ich ... dich liebe."

Ich blickte ihm ohne Unterlass in sein vor Schock verzerrtes Gesicht. Seine Augen schienen stetig größer zu werden und sein Mund öffnete sich einen Spalt.

Um mich herum hörte ich viele verschiedene Menschen durcheinander reden, doch aus seinem Mund kam kein Wort. Er stand dort wie eingefroren und ich traute mich ebenfalls nicht, mich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen.

Urplötzlich jedoch riss er sich aus seiner Schockstarre los und stürzte von der Bühne, als ginge es um sein Leben.
Mein Brustkorb fing unverzüglich an, fürchterlich zu brennen und mir entkam wiederholt ein leises Schluchzen, das nur Jimin, der auf einmal direkt neben mir stand, vernehmen konnte und keine Sekunde zögerte, mich am Arm zu packen und hinter die Bühne zu ziehen.

Ich hörte noch wie Namjoon in das Mikrofon sagte "Die Vorstellung ist beendet." und auch seine Stimme hatte jegliche Kraft verloren.

Ich saß kurze Zeit später hinter der Bühne, ertrank beinahe in meinen eigenen Tränen und die gesamte Situation war mir zu viel.
Jimin saß dicht vor mir und ich krallte mich fest in sein Bühnenkostüm, während ich mein erhitztes Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und sein Oberteil durchnässte. Er stellte keine Fragen, er saß einfach nur bei mir und ließ mich nicht los. Und dafür war ich ihm so dankbar.

Ich hätte erwartet, dass Namjoon und Jin schrecklich wütend auf mich sein würden, weil ich die Premiere ruiniert und alle Anwesenden in Aufruhr versetzt habe.
Doch die beiden kamen ebenfalls mit einem gequälten Gesichtsausdruck auf mich zu und Jin strich mir sanft über den Rücken.

Ich hob den Kopf und hatte Mühe die beiden mit meinem, durch die Tränen verschleiherten, Blick zu fokussieren.

"Es t-tut mir so leid.", schluchzte ich, ehe sich Namjoon zu mir herunterbeugte und mir einen weichen Blick schenkte.
"Nein. Uns tut es leid."

Mich so zu sehen schien Jin den Rest zu geben, denn seine Augen wurden schlagartig glasig und er entschuldigte sich öfter, als ich zählen konnte, dafür, dass er sich eingemischt und alles zerstört hatte.

Als auch noch meine Schwester hinter die Bühne stolperte und versuchte, mir mit aller Kraft Trost zu spenden, war ich völlig am Ende. Ich fühlte mich gänzlich überfordert.

Irgendwann - ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war - bat ich die anderen, mich mit meiner Schwester alleine zu lassen.
Nachdem all diese Gefühle über mich hereingebrochen waren, fühlte ich nun nichts als Leere.

"Wie haben sie reagiert?", hörte ich mich in einer schrecklich monotonen Stimmlage murmeln.
"Vater war unsagbar wütend und ist schnellstmöglich abgehauen. Mum hat kaum eine Reaktion gezeigt. Ich denke, sie war ziemlich fassungslos."

Ich nickte nur. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was nun alles auf mich zukommen würde.
Eine Weile herrschte Ruhe zwischen uns. Beinahe jeder war bereits verschwunden, einige Statisten suchten ihre Sachen zusammen und mieden den Blickkontakt zu mir.

"Er ist einfach abgehauen ...", flüsterte ich kaum hörbar.
"Tae, ... auch wenn es schwer ist, gib ihm etwas Zeit."

Spotlight | Taekook [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt