Kapitel 8: Heuschlacht

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Als ich aus dem Bad raus kam, hoffte ich innigst, dass Ben nicht da war. Es war zwar nicht wie letztes Mal, dass ich nur mit einem Handtuch bekleidet war, aber ich wollte ihn trotzdem nicht sehen. Ich hatte die ganze Beinahkuss-Sache noch nicht ganz verarbeitet. Ben war tatsächlich nicht da. Dafür saßen Sophie und Amy auf dem Sofa und schauten fern. "Hey", begrüßte ich sie. "Maya!", rief Amy und umarmte mich. "Wir wollten mit dir, wenn du gefrühstückt hast, zu den Ponys gehen", erklärte Sophie. Ich wusste zwar nicht, wo hier Ponys waren, aber ich willigte ein. Amy sah mir die ganze Zeit beim Essen zu und fragte nach jedem Bissen: "Bist du jetzt satt?" Ihr zu Liebe beeilte ich mich und so saßen wir nach zehn Minuten auf der Hollywoodschaukel vor dem Haus und warteten auf Sophie. Als sie kam, gingen wir los. Die Ponys waren zehn Minuten von uns entfernt.  "Madi hat erzählt, dass sie euch heute gestört hat", sagte Sophie plötzlich. "Oh nein. Sie hat nicht gestört. Wir haben nur... gekuschelt", stellte ich richtig. "Weißt du, es ist echt erstaunlich, dass er sich mehr als eine Woche Zeit lässt. Sonst halten seine Beziehungen nicht mal so lang." Sie lächelte mich an. Ich wusste, was das hier wird. Sie quetschte mich aus. "Ich weiß", murmelte ich. Damit war das Gespräch erstmal auf Eis gelegt. Ich beobachtete Amy, die fröhlich vor uns hersprang und summte. Es schien sie gar nicht zu stören, dass alle so offen vor ihr über Sex sprachen. "Bezahlt er dich?", fragte sie unvermittelt. Nein. Ich bin so dumm und lass mich nicht bezahlen! Darauf hätte ich früher kommen müssen! "Nein! Wie kommst du dadrauf?!", stellte ich möglichst entsetzt die Gegenfrage. "Naja, weil du ein schlaues Mädchen bist und seine Vorgeschichte kennst und trotzdem bist du hier", gab sie zu bedenken. Puh! Ich musste mir jetzt ganz schön was einfallen lassen! "Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Es passiert einfach. Es ist ja egal, wenn er früher mal ein Arschloch war. Solange er sich für mich ändert", antwortete ich. Wow. Ich war stolz auf mich selbst. Das war ein ziemlich guter Vortrag. Sophie lächelte mich an. Anscheinend war das die Antwort, die sie hören wollte. "Ponys!", schrie Amy plötzlich. Hinter einem kleinen Zaun standen zehn Ponys in allen verschiedenen Farben. Wir streichelten sie eine Weile und gingen danach zum Spielplatz. Zum Mittagessen waren wir wieder daheim. Heute gab es Spaghetti Bolognese. Nachdem Essen fragte ich wieder, wobei ich helfen könne. "Du könntest mit Ben die Tiere füttern", trug Madi mir auf. Nicht schon wieder Ben! Ich hatte es geschafft, dass ich beim Essen zwischen Amy und Sophie saßen, da die beiden nicht mehr weg von mir wollten. "Okay", stimmte ich zu. Mit Ben allein in einem Stall. Hoffentlich gab es keine Tote. Ich ging ins Zimmer und holte Ben. Lucia lieh mir ein paar Gummistiefel. Als wir in den Stall kamen, war ich überwältigt. Vom Gestank. Es roch furchtbar! Auf der gesamten linken Seite war das Gehege der Kühe. Links war unterteil. Ein Drittel war Ziegenstall, ein Drittel Hühner und der Rest war Heu. Ich übernahm die Ziegen. Fünf Minuten arbeiteten wir still neben einander. "Lukas findet dich süß", sagte er schließlich. "Aha", machte ich. Lukas war ja ganz nett. Aber einfach nicht mein Typ. "Ja, aber sobald er deinen richtigen Charakter kennen lernt, ist das vorbei", scherzte er. Ich nahm eine Hand voll Heu und warf sie ihm gegen den Kopf. "Hey!", rief er und bewarf mich ebenfalls. Na warte! Ich nahm eine ganze Schaufel voll Heu und warf sie über ihn. Ich lachte, bis ich eine Schaufel abbekam. Wir lachten und schrien und bewarfen uns mit Heu. Das war das erste Mal, dass ich richtig Spaß mit Ben hatte. Plötzlich hob er mich hoch und warf mich auf den Heuhaufen. Da ich mich an seinem Arm festhielt, fiel er auf mich drauf. Wir lachten. Dann war es still. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass er auf mir lag. Mal wieder waren wir uns viel zu nah. Aber er hatte Recht. Ich genoss seine Nähe. Mehr als alles andere. Ich sah in seine wunderschönen grünen Augen. Er erwiderte meinen Blick. Vorsichtig zupfte er mir einen Heuhalm aus dem Haar. Davon hätte ich noch viele, die er rauszupfen könnte. Das Heu stach mir in den Rücken, aber das war mir gerade egal. Das einzige was zählte war Ben. Sein Gesicht kam immer näher. Mein Herz schlug wie verrückt. Überall kribbelte es in mir. Ich wagte nicht zu atmen. Ich schloss die Augen. Ich konnte seinen Atem auf meinem Lippen spüren. Küsste er mich jetzt endlich? Bens Lippen berührten fast die meinen, als die Stalltür aufging. Ich schlug meine Augen auf. Ben war immer noch nur noch ein kleines Stück von mir entfernt. Welcher Idiot war das?! Ich könnte ihn in der Luft zerreißen! "Ich... ähm... wollte nicht stören", stammelte Lukas und ging wieder. Die Tür fiel zu. Ich starrte Ben immer noch an. Wenn er nicht von selbst von mir runterging, hätten wir Pech gehabt. Ich hatte keine Ahnung, wie wir aus dieser Situation wieder rauskommen sollten ohne dass es noch peinlicher wurde. Ben gab mir einen Kuss auf die Stirn und stand dann auf. Bei seiner Berührung kribbelte in mir alles. Ben half mir auf. "Ich... ich geh schnell... aufs Klo", stammelte ich verwirrt und flüchtete aus dem Stall. Draußen lehnte ich mich erstmal an die Wand und atmete tief durch. Ich hörte, wie Ben gegen irgendwas trat und "Scheiße!" rief. Das war der zweite Beinahkuss an einem Tag. Das Schicksal wollte es wirklich nicht! So eine Scheiße! Vielleicht sollte ich mir mal Gedanken machten, wieso ich ihn unbedingt küssen wollte. Vielleicht war ich ja in Ben- Nein! Ganz sicher nicht! Er war nur so verdammt sexy. Das war wahrscheinlich ein rein sexuelles Verlangen. Jetzt war nur die Frage: was von beidem war schlimmer?! Ich ging ins Haus. Als ich am Wohnzimmer vorbei ging, sah ich, dass Lukas, Lydia, Josef und Lucia drin saßen. Ich benutzte das Bad in unserem Zimmer. Wie ich vorm Spiegel stand, dachte ich, mich trifft der Schlag. Ich sah ja furchtbar aus! Überall in meinem Haar steckten Halme genau wie an meinen Klamotten. Meine Haut war gerötet und zerkratzt. Und in so einem hässlichen Zustand wollte er mich küssen? Was interessierte es mich überhaupt?! Ben machte mich wahnsinnig!

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