Kapitel 25: Rennen gegen die Zeit

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Das Klingeln meines Handys riss mich aus dem Schlaf. 9 Uhr. Definitiv zu früh für einen Samstagmorgen. Ich wollte mich wieder umdrehen, als mein Handy nochmal klingelte. Genervt nahm ich es und schaute, wer meinen Schlaf störte. 27 Nachrichten von Hannah, in denen sie mich überreden wollte, dass ich komme und eine von Sophie.

Hey, Maya! Ich komm heute mit Amy, Madi, Josef und Thomas um beim Umzug zu helfen. Kommst du auch?

Sogar Sophie fing schon damit an! Hannah und sie steckten bestimmt unter einer Decke. Ich schrieb beiden, dass ich es mir noch überlegen müsste. Dann trottete ich ins Bad und duschte mich. Das warme Wasser prasselte auf meinen Rücken. Was denken die sich eigentlich? Dass ich keine Gefühle hab? Dass ich es aushalten könnte, Ben zu sehen? Ihm sogar zu helfen weit weg zu ziehen? So etwas würde man von seiner festen Freundin erwarten. Aber die war ich nunmal nicht! Ich war einfach nur ein dummes Mädchen, dass ihm geholfen hat seine ganze Familie zu täuschen und am Ende doch dafür gesorgt hat, dass er umzieht! Vielleicht sollte ich ja genau deshalb kommen. Aus Schuldgefühl. Um mich bei ihm und seiner Familie zu entschuldigen. Ich musste wieder an unsere Küsse denken. Ob er mich zum Abschied küssen würde? Ich mein, immerhin hat er das in Österreich ziemlich oft gemacht. Wenn Ben seine Arschlochseite zeigte, würde er es sich bestimmt nicht entgehen lassen mich zu küssen. Wieso musste ich jetzt lächeln? Es störrte mich, dass die geringe Chance Ben noch einmal zu küssen, meinen Entschluss ins Wanken brachte. Ich hasste es wirklich, dass ich mich ausgerechnet in Ben verlieben musste! Ich zog mir meine Jeanshotpants von gestern und ein schwarzes Top an. Dann steckte in mein Handy ans Ladegerät und ging runter ins Wohnzimmer. Dort sah ich mir eine Sendung über einen Typen an, der großartige Torten backte. So etwas will ich später auch mal können! Aber bis jetzt blieb ich erstmal bei meinem Regenbogenkuchen mit M&M's. Danach kam eine Show über Hochzeitskleider. Sofort musste ich mich in allen Kleider vorstellen, wie ich mit Ben vorm Altar stand. Immer wieder drifteten meine Gedanken zu ihm ab. Irgendwann war ich dann wohl eingedöst.

"Hey, Schätzchen!", weckte mich meine Mutter. Blitzschnell fuhr ich hoch. Als ich meine Eltern mit ihren Koffern im Wohnzimmer stehen sah, befielen mich sofort die Schuldgefühle. Ich war heimlich eine Woche lang weg gewesen. "Hey!", begrüßte ich sie und umarmte beide. "Wo ist Michi?", fragte Dad. "Bei Tobi", antwortete ich. "Ich hol ihn schnell." Das sagte ich nur, weil ich meinen Eltern nicht in die Augen schauen konnte und ich eh etwas Ablenkung brauchte. Ich kämte mir schnell die Haare und zog mir meinen türkisen Pulli über das Top. Er war etwas durchsichtig. Weil inzwischen ein paar Wolken aufgetaucht sind und der Himmel eher grau statt blau war, zog ich mir noch schnell meine lange Jeans an. Ich sah auf mein Handydisplay. Schon 16 Uhr?! Wie lang hatte ich geschlafen? Ich hatte wieder mal 18 Nachrichten von Sohpie und Hannah. Aber darauf hatte ich keine Lust. Ich will nicht kommen und ich werde es auch nicht. Schnell löschte ich die Anzeige aus der Statusleiste und ging los. Auf dem Weg las ich mir die Nachrichten trotzdem schnell durch. Hannah sagte, dass sie jetzt fast ferig waren und das ich schnell kommen soll. Das war vor fünf Minuten. Gut. Ich musste nur noch kurz durchhalten und dann würde ich Ben nie wieder sehen. Sophie bettelte mich auch an zu kommen, weil Amy und sie mich unbedingt nochmal sehen wollten. "Stark bleiben, Maya!", sprach ich mir in Gedanken zu. Endlich stand ich vor Tobis Haus. Ich klingelte. Meine Tante machte auf. "Hey", ich umarmte sie zur Begrüßung. "Ich soll Michi holen",teilte ich ihr mit.

"Der ist nicht da."

"Wo ist er?", fragte ich.

"Als Tobi zu Ben gegangen ist, ist er zu seinem Kumpel", antwortete sie. Michi war also bei einem Kumpel. Tobi war bei Ben. War ja nicht anders zu erwarten. "Oh", war meine Reaktion. Meine Tante packte mich bei den Schultern. "Der Junge war gestern bei uns und hat so ausgesehen, als würde er gleich zu heulen anfangen und was anderes hast du wahrscheinlich auch nicht getan! Also geh verdammt nochmal zu ihm!", rief sie und schüttelte mich. Natürlich war Ben bei Tobi gewesen. Aber er hatte geweint? Wahrscheinlich weil sie umzogen, nicht wegen mir. Außerdem was ging das meine Tante an?! "Aber...", setzte ich an. "Nichts aber! Und jetzt lauf verdammt nochmal!" Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich rannte los. Ich wusste ja, wo Ben wohnt. Es würde zwanzig Minuten dauern. Wieso hatte ich nur diesen kleinen Anstoß gebraucht um los zu rennen? Ich hätte mich auch weigern können. Doch ich wollte zu Ben. Ihn noch ein letztes Mal sehen. Ich sah wieder auf mein Handy. Hannah hat gesagt, dass sie schon fast fertig waren. Ich lief schneller. Ich durfte ihn nicht verpassen. Ich durfte ihn nicht verlieren. Ich musste ihn noch ein letztes Mal sehen. Dann konnte ich auch los lassen. Plötzlich fing es an zu regnen. Das musste aber auch sein! Wie ich es hasste. Ich biss die Zähne zusammen und rannte, wenn das möglich war, noch schneller. Meine Seite und meine Füße schmerzten. Ich bekam nur noch schlecht Luft. Der Regen machte es auch nicht besser. Meine Klamotten und Haare klebten an mir, bei jedem Schritt rutschte ich aus und der Regen nahm mir die Sicht. Das einzige, was mich antrieb, war der Gedanken daran, dass ich Ben vielleicht nie wieder sehen würde. Ich musste nur noch um die Ecke und dann war ich da. Ich rannte mitten auf der Straße, weil hier meistens keine Autos fuhren. Gerade als ich um die Ecke bog, kam mir ein großes Wagen entgegen. Die Reifen quietschten fürchterlich. Das Wasser sprizte. Vor Schreck fiel ich auf den Boden und sah die Lichter immer näher kommen.

Liebe oder so...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt