Kapitel 2: Der Gefallen

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Tobi war eigentlich gar nicht mein richtiger Cousin. Meine Tante hatte vor zwei Jahren seinen Dad kennengelernt und sie sind dann zusammen gezogen. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinem Cousin. Er war für mich wie ein Bruder. Er war nicht gerade der Dünnste, aber dick war er auch nicht. Er hatte braune Haare und Augen, genau wie ich. Eigentlich hatte er keine schlechten Seiten an sich, was mir sehr zu Gunsten kam. Zum Glück wohnte er bei mir im Dorf und so waren wir nach fünf Minuten schon da. Ich klingelte. Tobi machte auf. "Hei", begrüßte ich ihn und umarmte ihn. "Tobi? Wer ist das?", brüllte eine bekannte Stimme. Wie gesagt. Tobi hatte eigentlich keine schlechten Seiten, aber er war eine sehr große. Ich sprach von seinem besten Freund Ben. Er war 17, hatte dunkelblonde Haare und grüne Augen. Zu meinem Missfallen sah er verdammt sexy aus. Wäre sein Charakter nicht so scheiße, könnte ich ihn sogar mögen. "Ah, deine zuckersüße Cousine und ihre hübsche Freundin", sagte Ben, als er neben Tobi in der Tür stand. "Nerv nicht, Ben!", keifte ich. "Wollt ihr reinkommen?", fragte Tobi. Ich wollte schon sagen, dass wir wieder gehen wollen, als Hannah nickte und mich durch die Tür schob. Was sollte das? Ich hatte keine Lust auf Ben! Ben war das größte Arschloch, das es nur gab. Er schleppte jeden Tag eine andere ab, klopfte immer groß Sprüche und prügelte sich für sein Leben gern. Ich verstand nicht, wie Tobi mit ihm befreundet sein konnte. Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Meine Tante war anscheinend nicht da. "Ich hol euch was zu trinken, okay?", sagte Tobi ohne eine Antwort abzuwarten und verschwand mit Ben in der Küche. "Denkst du er ist auch da?", fragte Hannah unvermittelt. Mit "er" meinte sie natürlich Bens älteren Bruder Maxi. Sie war verliebt in ihn. Das konnte ich allerdings verstehen. Maxi war kein bisschen so wie Ben. Maxi hatte braune Haare und grüne Augen, war 19 und übelst nett. Man konnte sich nicht vorstellen, dass die beiden verwandt waren. Maxi war immer so fürsorglich und gut drauf. Also das genaue Gegenteil von Ben. Ich schüttelte den Kopf. Was wollte Maxi denn bei meinem Cousin?! Aber sobald irgendwo Ben auftauchte, dachte Hannah automatisch, dass Maxi in der Nähe sein musste. Ben lebte bei Maxi. Deren Eltern lebten in Österreich in so einem kleinen Dorf namens Feichten. Ich hatte nicht die geringste Ahnung,wo das sein sollte, aber mir war das auch egal. Angeblich hatten sie dort einen Bauernhof. Durch laute Rufe wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. "Du fragst sie jetzt! Das ist deine letzte Chance! Kein anderes Mädchen wollte dich!", rief Tobi wütend. Was? Kein Mädchen wollte Ben? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen. Mit seinem Sixpack hatte er bei jedem Mädchen ohne Gehirn eine Chance. Vielleicht war ja das sein Problem. Ben erwiderte etwas so leise, dass man nichts verstand. "Gut! Dann mach's ich!", zischte Tobi aufgebracht und stapfte ins Wohnzimmer. Neugierig starrten wir ihn an. "Also es ist so", fing er an, "Bens Eltern haben seine Frauengeschichten satt und wollen, dass die beiden zu ihnen nach Österreich ziehen, wenn er ihnen nächste Woche nicht eine wirkliche Freundin vorstellt. Bloß wollte keine. Also könntest du bitte mit nach Österreich fahren und so tun, als wärst du seine Freundin? Bitte!" Sprachlos sah ich Tobi an. Das war doch ein schlechter Scherz, oder? ICH sollte WAS?! Bens Freundin spielen?! Das konnte er sich schön abschminken! Also so viel Stolz hatte ich dennoch! "Kommst du mal mit in die Küche?", fragte ich Tobi und stürmte vorraus. In der Küche lehnte ich mich gegen die Theke. "Also machst du es?", fragte Tobi. "Spinnst du?! Ich hasse Ben! Ich fahr bestimmt nicht mit ihm nach Österreich und spiel seine Freundin!", brüllte ich entsetzt. "Ach komm, bitte! Du fährst am Donnerstag und kommst in einer Woche wieder heim! Außerdem sind eh Sommerferien! Bitte! Er ist mein bester Freund!", bettelte Tobi. Ich wurde etwas sanfter. "Tobi. Das ist doch totaler Schwachsinn. Wie sollen wir denn nach Österreich kommen und wie willst du das meinen Eltern erklären?", fragte ich. Ich appellierte einfach mal an seinen Verstand. "Maxi fährt euch und da lassen wir uns was einfallen! Bitte! BITTE! Ich schulde dir auch was! Mein Leben ist ruiniert ohne ihn! Stell dir mal vor, Hannah würde wegziehen. Würdest du mich dann nicht auch anbetteln irgendwas zu unternehmen? Und würde ich jemals nein sagen? Bitte! Bitte! Tu es nicht für ihn, sondern für mich!", flehte er. Inzwischen war er auf die Knie gesunken. Er machte mir es aber auch verdammt schwierig! Er hatte Recht. Wäre es Hannah, würde ich auch nichts unversucht lassen und Tobi würde mir helfen. "Okay. Du schuldest mir 'nen verdammt großen Gefallen", willigte ich schließlich ein. "Danke, Maya!", rief Tobi und fiel mir um den Hals. Danach gingen wir wieder ins Wohnzimmer, wo Hannah und Ben auf dem Sofa saßen. Beide sahen mich erwartungsvoll an. "Sie macht's!", verkündete Tobi stolz. Na, wenigstens hatte er noch einen Stolz. Meiner hatte sich vorhin verabschiedet. Ben kam zufrieden auf mich zu und berührte meinen Arm. "Tatsch mich nicht an, Ben!", warnte ich ihn. Er kam mir provozierend nahe, sodass uns nur noch Zentimeter trennten. Er steckte mir eine Haarsträhne hinters Ohr. "Gewöhn dich dran. Du bist jetzt meine Freundin", flüsterte er mir siegessicher ins Ohr und zeigte sein dreckigstes Grinsen. Allein für diesen Grinsen könnte ich ihm in die Fresse schlagen. Doch ich blieb ruhig und beugte mich näher zu ihm. Jetzt berührten sich unsere Nasen fast. "Hol mich pünktlich ab, Schatz!", hauchte ich und machte auf dem Absatz kehrt. "Tschüß, Tobi!", rief ich im Gehen. Hannah kam mir hinterher. "Tschüß, Hässchen!" neckte mich Ben. Ich zeigte ihm den Mittelfinger und ging weiter. Draußen angekommen, fiel mir Hannah um den Hals. "Danke, dass du verhinderst, dass Maxi wegzieht", bedankte sie sich. Ach ja genau. Den gab's auch noch. Ihn hatte ich vorhin voll vergessen. Naja. Mit ihm konnte die Woche ja wenigstens etwas erträglich werden.

Liebe oder so...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt