II Bekanntschaften

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Amaiyah

Gähnend trat Amaiyah am nächsten Morgen aus dem Haus und atmete tief die nach Nadelbäumen riechende frische Luft ein. Sie hatte schlecht geschlafen und noch dazu hatte sie ein übler Alptraum geweckt, nach welchem sie nicht wieder zur Ruhe hatte kommen können.

Nun stand sie draußen, genoss die morgendliche Stille und streckte ihre verspannten Gliedmaßen. Nach einiger Zeit öffnete sie ihren geflochtenen, am Rücken baumelnden Zopf und genoss das Gefühl der Brise in ihrem nun offenen, bis zur Hüfte reichenden, silberweißen Haar.

Ihre scheinbar federleichten Strähnen drohten mit dem bewölkten Himmel zu verschmelzen und eins zu werden mit dem Wind, welcher die Illusion von Freiheit in ihr schuf; als könnte sie sich von der Bö tragen lassen und all ihre Sünden vergessen.

Da ertönten aber Schritte hinter ihr im Haus. Die Person ging langsam die hölzerne Treppe hinunter und blieb schließlich in der offenen Tür stehen. Seufzend drehte Amaiyah sich um und schaute einem ihrer vier Gäste aus dem Königshaus entgegen - dem jungen Mann mit den aschbraunen Haaren und der Brille auf der Nase.

Er seinerseits schaute aber nicht dem grauen Wolf von gestern entgegen, sondern einer jungen Frau in etwa seinem Alter.

Wie schon in ihrer Wolfsform hatte sie auch jetzt hellrote, wilde, leicht schräg stehende Augen, welche in einem eleganten, nach unten hin spitzem zulaufendem Gesicht untergebracht waren. Leichte Schatten untermalten sie. Das Kinn war deutlich, aber nicht zu spitz, die Nase war zierlich und die Lippen voll und von Natur aus rötlich. Auffällig waren zudem ihre sanft angedeuteten Wangenknochen.

Sie bildeten einen deutlichen Kontrast zu Lilith, da diese ein viel einheitlicheres und weniger an ein Tier erinnerndes Gesicht hatte.

An Klamotten trug sie eine khaki-grüne, bis über ihr Gesäß reichende Jeansjacke mit zu den Ellenbogen hochgekrempelten Ärmeln, darunter ein einfaches, weißes Shirt, am Hals eine kaum auffallende, silberne Kette mit einem kleinen Anhänger eines Halbmondes daran und eine Dreiviertelhose in schwarz. Schuhe trug sie nicht.

Was ebenfalls auffällig an ihr war, war ihr vernarbtes, linkes Handgelenk, an welchem sich Brandnarben deutlich aus ihrem Ärmel in Richtung ihres Handrückens schlängelten.

„Verzeihung, aber dürfte ich wohl erfahren, wer Ihr seid und was Ihr hier tun?", fragte der junge Mann mit etwas Strenge in seiner vom Akzent gezeichneten Stimme.

„Mich an der Ruhe der Morgenstunde laben.", entgegnete Amaiyah und setzte eine Miene der Zufriedenheit auf, als ihr Gegenüber scheinbar begriff, mit wem er es zu tun hatte. „Ich bin dazu fähig, meine Erscheinung zu wandeln."

„Also seid Ihr tatsächlich der Wolf von gestern.", stellte der Mann klar.

Sie nickte. „Ich bewundere Euren Respekt mir gegenüber, jedoch muss ich fragen, ob dieser wohl jedem gilt?"

Der Schatten eines Lächelns huschte über seine Züge. „Sofern meinem Gegenüber jener Respekt zusteht, ja."

Ohne ein weiteres Wort winkte sie ihn mit sich und führte ihn um das Haus herum zu einer kleinen Hütte, welche einige Meter dahinter lag.

„Hier befindet sich der Waschraum, samt Toilette.", erklärte Amaiyah ruhig. „Dessen äußeres Erscheinungsbild trügt, sorgt Euch nicht."

Der Begleiter des Prinzen neigte dankbar den Kopf und ging sogleich darauf zu, während sie selbst sich dem kleinen, umzäunten Stall neben dem Haus zuwandte, in welchem Liliths Chocobo untergebracht war.

Der Vogel quiekte erfreut, als er durch ihre Schritte wach wurde und sie erblickte und tapste munter zum Zaun auf sie zu. Einige Momente streichelte Amaiyah ihn, bevor sie das Chocobo-Futter holte und ihm Frühstück servierte.

Final Fantasy XV: Über Könige und Königinnen |✓|Where stories live. Discover now