XXVI Der Schmetterling auf der blauen Blume

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Lilith

Erst als der Zug in Tenebrae angekommen und die ganzen Passagiere diesen in Eile verlassen hatten, konnten Noctis und ich endlich zu den anderen stoßen. Wir fanden sie dank Gladio, welcher vor einem der Abteile in den vorderen Wagons stand und darauf achtete, dass keine unerwünschten Leute eintraten.

„Da seid ihr ja. Geht's euch gut?", fragte er und musterte uns besorgt, jedoch auch erleichtert.

Ich entdeckte an seinen Armen einige Kratzer und blaue Flecken, aber das war nichts, was Noct und ich nicht auch aufwiesen.

Ich nickte als Antwort. „Wo sind Amaiyah und Ignis?"

Gladio nickte in Richtung der Tür neben sich und ließ uns durch.

Besorgt betraten wir den Raum und fanden Amaiyah auf einem der unteren Betten vor. Ignis saß auf einem der gegenüberliegenden Seite. Da er uns mit Gladio hatte sprechen hören, war sein Kopf bereits zu uns gewandt, allerdings erhob er sich nun erwartungsvoll.

„Ist einer von euch verwundet?"

„Uns ist nichts passiert.", beruhigte Noctis seinen treuen Gefährten. „Abgesehen von den oberflächlichen Sachen eben."

Ein erleichtertes Seufzen ging über Ignis' Lippen. „Das ist außerordentlich erfreulich zu hören." Dann verfinsterten sich seine Züge wieder und er wandte sich Amaiyah zu. „Bedauerlicherweise ergeht es nicht jedem Mitglied unserer Unternehmung ebenso. Aufgrund meiner Blindheit war ich nicht in der Lage, ihre Wunden zu inspizieren. Alles, was mir über ihren Zustand bekannt ist, ist ihre Bewusstlosigkeit."

Ich sah dies als perfekte Gelegenheit, um Amaiyahs Verletzungen in Augenschein zu nehmen und trat näher zu ihrer reglosen Gestalt heran.

Ihre Finger waren das Erste, was mir auffiel, denn über die Hälfte von ihnen wiesen unnatürliche, groteske Positionen und Biegung auf. Normalerweise wären die betroffenen Hautstellen durch die Knochenbrüche gerötet, doch nun waren dort nur blaue Flecken und etliche Schrammen.

Ihre Haut war viel heller als ich sie in Erinnerung hatte. Alle Fingernägel waren ausnahmslos abgebrochen und einige fehlten sogar komplett. Auch hatten sie sich nun in ein nebeliges Schwarz verfärbt und ich wusste nicht, ob das ihrem Zustand oder dem Öl der MTs zuzuschreiben war. Man könnte beinahe denken, sie hätte Nagellack aufgetragen.

Die dunklen Zeugen ihres kritischen Zustandes bedeckten nun komplett ihre Hände und kletterten bedrohlich ihre Arme hinauf; besonders links waren sie äußerst ausgeprägt. Ich entdeckte die Dunkelheit noch ein wenig an ihrem Hals und an ihrem linken Bein. Dunkle Flecken häuften sich auf dem Rest ihres Körpers und erst nach einer Weile bemerkte ich, dass dies keine Prellungen waren, sondern Ansammlungen ihres schwarzen Blutes. Wahrscheinlich sah es an ihrer Flanke am schlimmsten aus, doch ich wagte es nicht, nachzusehen.

Die silberweißen Haare lagen wirr um ihren Kopf verteilt. Dreck, Staub, Ruß und Blut verklebten die Strähnen. Das Oberteil, welches heute Morgen noch gepflegt und in ein schönes Rot gefärbt gewesen war, war nun halb zerfetzt und bedeckt mit Öl und Blut. Der Stoff war nun übersäht mit Löchern, die durch die Kugeln der MTs entstanden waren. Ihre Schuhe standen neben dem Bett und sahen so aus, als wäre sie damit durch einen Waldbrand gelaufen.

„Wie lautet dein Urteil?", fragte Ignis nach längerem Schweigen.

„Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist, aber sie hat uns nicht wiedererkannt, als wir sie vorhin gefunden haben.", meldete sich Gladio zu Wort und lehnte sich in das Abteil. „Hat sie dir was gesagt, Lilith?"

Gerade als ich mir anfing zu überlegen, wie ich ihnen die Tragödie beibringen sollte, welche unvermeidbar auf Amaiyah zukam, schnitt ein schmerzerfülltes Stöhnen durch die Stille und meine Gefährtin öffnete flatternd ihre Augen, wenn auch nur einen Spalt breit.

Final Fantasy XV: Über Könige und Königinnen |✓|Where stories live. Discover now