XXXVIII Quod valet amandus

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Lilith

Wie ängstliche Kaninchen, die von einem Fuchs in die Enge getrieben worden waren, standen Gladio, Prompto, Ignis und ich einer Ecke der Ladefläche und verfolgten mit gehobenen Waffen das schaurige Spektakel vor uns.

Amaiyah war verloren.

Nachdem sie aus ihrer Deckung hinter uns hervorgetaumelt war, hatte das Miasma an ihrer Flanke angefangen, sie zu verschlingen. Wie ein Schwall Blut war es dort hervorgebrochen und ihren Körper entlang geklettert.

Ihre linke Körperhälfte war nun komplett von einer dicken Schicht Miasma bedeckt, wobei auch an ihrer Flanke etwas violett Pulsierendes aufzufinden war. Es erinnerte an das Herz von Ravus. Die Gesichtshälfte der besagten Seite war ebenfalls von der Dunkelheit übernommen worden und hatte sich dort zu dem halben Kopf eines Wolfes geformt. Das einzige geöffnete Auge inmitten der wabernden Schatten glühte rot und blutrünstig. Es besaß keine Linse oder Iris, sondern war einfach ein leuchtender Punkt der Raserei.

Der Arm, der Brustbereich und die untere Körperhälfte waren eher maskulin und gebaut wie ihre aufrechte Wolfsgestalt. Anfangs war Amaiyahs Körper von den Proportionen noch ausgeglichen gewesen, doch die Finsternis wuchs ununterbrochen, sodass die linke Seite nun fast doppelt so groß war, wie sie selbst. Aus diesem Grund war ihre Gangart nun schief. Der viel muskulösere und größere Arm hing viel tiefer als sein Gegenstück.

Jedoch blieb ihre rechte Körperhälfte auch nicht verschont. Die Sternenplage hatte ihren Weg schnell dorthin gefunden. Aus ihren einst glänzenden, silberweißen Haaren ragte ein noch nicht vollends ausgebildetes Wolfsohr heraus. Vom Ellbogen abwärts war ihr Arm der des tobenden Wolfsdämons, so wie ihr Bein vom Knie abwärts dem Monster als Hinterlauf diente. Von Amaiyah selbst war nur noch ein Drittel des Gesichts, ein Stück ihres Halses, die rechte Schulter, ein wenig von ihrem Brustkorb, die sich unter dem befleckten, roten Shirt leicht abzeichnende Taille und ein Teil ihres Oberschenkels zu sehen.

Zuletzt peitschte ein ihr bis zu den Knien reichender Schweif hinter ihr her und verteilte unzählige dampfende Miasmatropfen über den Beton, während ihre langen, pechschwarzen Krallen alles vernichteten, was auch nur ansatzweise den Mut hatte, in einem Umkreis von drei Metern vor ihr zu stehen.

Ich konnte mir nicht wirklich erklären, weshalb sie uns nicht schon längst zerfleischt hatte. Meines Wissens nach waren Dämonen nichts weiteres als aggressive Bestien, die von ihren Instinkten geleitet wurden. Sie wandten sich prinzipiell niemals gegeneinander. Amaiyah tat genau das. Sie hatte uns in keinem Augenblick auch nur ansatzweise angeschaut, sondern riss schon seit geraumer Zeit ihre Artgenossen in Stücke.

Der Kampfplatz war umhüllt von der finsteren Aura, die sie ausstrahlte und die meine Hände ein wenig zittrig werden ließ. Mein Körper bebte von innen und alle meine Instinkte schrien danach, hier zu verschwinden. Doch gleichzeitig rührten sich meine Beine nicht vom Fleck.

Alles, wozu ich zum jetzigen Zeitpunkt imstande war, war verzweifelt mein Schwert vor meinem Körper halten und zu trauern. Innerlich flehte ich darum, dass Noctis endlich den Kristall erreichte und diesem Alptraum ein Ende setzte. Allerdings geschah absolut nichts dergleichen.

Trauer um den Verlust von Amaiyah und Sorge um Noct zerrissen mein Herz und meinen Geist. Wir hatten in dieser Festung so viel verloren und so viel geopfert, doch die endlosen Hallen ließen uns dennoch nicht ziehen. Was wollte uns dieser Ort noch nehmen, bis sein Blutdurst gestillt war?

Plötzlich geschah das, wovor ich eigentlich bereits die ganze Zeit Angst hatte: der letzte Dämon fiel mit einem Schmerzensschrei durch Amaiyahs Klauen. Triumphierend riss sie ihr Maul in die Höhe und stieß dasselbe Brüllen aus, welches mich nach meinem temporären Tod wieder zu Bewusstsein gerufen hatte. Es fiel mir nach wie vor schwer zu glauben, dass sie das gewesen war.

Final Fantasy XV: Über Könige und Königinnen |✓|Where stories live. Discover now