18 | Stress & Streit

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Ryans Lippen waren kurz vor meinen. Sie waren so nah, bereit geküsst zu werden. Ich wollte die letzten Millimeter überwinden und meinen Mund auf seinen drücken. Ja, in diesem Moment wollte ich nur das und nichts anderes.

Willst du nicht! Mach einen Rückzieher, verdammt. Dieses Arschloch nutzt es aus, dass du dich gerade scheiße fühlst!, schrie meine innere Stimme. Und natürlich hatte sie recht! Ich sollte ihn von mir drücken und zwar sofort!

Doch plötzlich wurde ich sowieso von ihm weggezogen, weg von diesen wunderschönen Lippen, die für einige Augenblicke hätten mit meinen vereint sein können. Aber nein, auf einmal war Ryan unglaublich weit weg, fast unerreichbar. Es war, als würde man ihn mir wegnehmen, mir ihn verbieten. Was vermutlich auch besser so war.

Erschrocken schlug ich um mich und traf eine Person genau im Gesicht. Äh... Ups? Und diese Person war niemand anderes als Liam. Na super, den hatte ich für diesen einen Moment wohl kurz vergessen. Ich sah in seine Augen und was ich dort entdeckte, ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Ich konnte keine Wut entdecken, ich sah etwas viel Schlimmeres: Verachtung, Schmerz und Enttäuschung. Unglaubliche tiefe Enttäuschung. Wie ein Blitz zuckte diese Erkenntnis durch meinen Körper und mein Herz und auf einmal fühlte ich mich total schuldig.

Ich räusperte mich sachte und sagte vorsichtig: "Ich denke, wir sollten reden." Unsicher, wie er reagieren würde, zog ich leicht einen meiner Mundwinkel in die Höhe.

Liam lachte verbittert. "Ich wüsste nicht, was es da zu bereden gibt." Gekränkt von seinen Worten, sah ich auf den Boden und biss mir auf die Lippe. Fang jetzt nicht an zu heulen, Anna!, befiel mir dann auch noch meine innere Stimme. Na super, die brauchte ich gerade gar nicht! Und vor allem hatte sie nicht das bewirkt, was sie wollte.

Ich fing an zu heulen, zwar nicht so heftig wie eben, aber trotzdem vielen die Tropfen nur so auf den Boden, nachdem sie ihren Weg aus meinem Auge über die Wange gefunden hatten. Mein Blick huschte zu dem Blonden vor mir.

Wie immer änderte sich seine Miene plötzlich von angepisst zu fürsorglich. Es war mal wieder typisch für ihn. Und irgendwie tröstete es mich nicht, als er Sachen wie "Tut mir leid" und "So sollte das nicht gemeint sein" sagte und mich in den Arm nahm. Nein, es machte mich wütend! Wirklich, wirklich wütend! Ich wusste nicht wieso, aber etwas an seinen Stimmnungsschwankungen regte mich auf. Konnte er sich denn nicht entscheiden, ob er mich mochte, hasste oder sonst was?!

Als sein Arm dann auch noch über meinen Rücken strich, wurde es mir zu viel. Energisch drückte ich ihn von mir und ignorierte dabei seinen empörten und gleichzeitig auch verwirrten Blick. "Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?", schrie ich ihn an. Vielleicht reagierte ich etwas über, aber irgendwie machte mich diese ganze Situation fuchsteufelswild. Und damit meinte ich nicht nur diese Situation mit Liam gerade, sondern generell die letzten Tage.

Irritiert und eingeschüchtert schaute Liam immer wieder zwischen dem Boden und meinen Augen hin und her, wohl vollkommen überfordert mit diesem Augenblick. Da er nicht antwortete, wiederholte ich mich: "Was ist los mit dir?"

"Was meinst du damit?", wollte er wissen und sah mich dabei ängstlich an. Was eine Pussy!

Wieso bist du plötzlich so gemein zu ihm?, schaltete sich nach diesem Gedanken meine innere Stimme ein.

Ich bin doch nicht gemein, ich denke es doch nur! By the way... War es verrückt, dass ich mich in Gedanken gegenüber meiner inneren Stimme rechtfertigte und mit ihr stritt? Na ja egal.

Du bist in Gedanken noch viel gemeiner, das stimmt. Aber dein Verhalten ist nicht okay. Er will dich trösten und du schreist ihn an.

Meine innere Stimme oder mein Unterbewusstsein - wie auch immer man das nennt - schien sowohl ein Engelchen auf der Schulter zu sein, als auch ein Teufelchen. Ihr wisst doch, was ich meine oder? Wie auf diesen ganzen Bildern und in den Filmen mit einem guten Engel und einem bösen Teufel auf der Schulter.

Not the firstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt