Near To You

•Chapter 35•

Lovis POV:

Es war Donnerstag Abend. Chris und ich befanden uns in der alten Fabrik, die ein sehr berühmter Ort für die Streetfights geworden war.
Viele Männer waren hier, die einen gefährlicher als die anderen und allen ging es entweder ums Geld oder seinen Gegner ordentlich eine runter zu hauen.
Ich stand mit meinem besten Freund an der Seite. Er hatte Trainingshandschuhe an, gegen die ich immer wieder schlug, um mich warm zu machen.
Gerade wurde dem Verlierer der letzten Runde aus dem Ring geholfen. Blut tropfte von seiner Stirn und er war kaum noch bei Bewusstsein.
Der Ring bestand aus vier Autoreifenstapeln, um die ein paar Seile gewickelt waren, sodass das ganze ein Quadrat ergab.
"Ich hab gehört Sanchez hat beim letzten Mal ganz schön was an seiner rechten Rippe abbekommen. Das kannst du als Schwachstelle nutzen."
Informierte mich Chris über meinen Gegner, während ich als antwort weiter auf seine Hände einschlug.
Der Kampf war wichtig für mich, denn es ging um eine menge Geld. Außerdem auch um das Geld, was ich meinem Vater vorlegen müsste, für die Drogen die ich verkaufen sollte.
Wenn ich das hier nicht gewinnen sollte, dann hatte ich ein gewaltiges Problem.
"Und... du und die Kleine..."
Fing Chris plötzlich an, weshalb ich meine Stirn noch mehr in Falten legte.
"Was?"
Ich wollte eigentlich jetzt nicht an Jade denken, geschweige denn über sie reden. Und Chris sollte das eigentlich wissen.
"Sicher, dass ihr nicht zusammen seid?"
Sofort hörte ich auf zu schlagen und starrte meinen besten Freund an.
"Nein, wieso fragst du überhaupt?"
Sagte ich etwas gereizt, während Chris Blick immer wieder hinter mir ab zu schweifen schien.
"Ähm... weil sie hier ist..."
Ich brachte ein halbes, geschocktes Was? heraus, bevor ich mich umdrehte und mein Blick auf den Eingang fixierte.
Tatsächlich.
Dort war sie.
Jade ging langsam am Rand entlang und sah sich ziemlich eingeschüchtert und verwirrt um.
Wahrscheinlich lag es vorallem daran, dass jeder an dem sie vorbei lief, sie anstarrte.
Das konnte doch nicht wahr sein!
Mit energischen Schritten lief ich in ihre Richtung - sie hatte mich noch nicht entdeckt.
Meine Hand griff nach ihrem Arm und ich zog sie zu mir.
"Sag mal, bist du eigentlich bescheuert?"
Zischte ich, während sie erschrocken aus ihren blauen Augen zu mir hoch sah.
Schnell verdrängte ich das Gefühl und die Gedanken, die dieser Blick in mir hervor rief und versuchte mich auf meine Wut zu konzentrieren.
"Überraschung?"
Sagte sie mit einem gequältem Gesichtsausdruck. Doch als ich nicht darauf reagierte seufzte sie genervt.
"Eigentlich solltest du nichtmal mitkriegen, dass ich hier bin..."
"Das hast du ja super hingekriegt."
Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.
"Hey Kleine."
Chris tauchte plötzlich neben mir auf und sie begrüßte ihn mit einem Lächeln.
"Lovis, du bist jeden Moment dran"
Dann wandte er sich an mich, doch ich schüttelte nur den Kopf.
"Erstmal muss ich sie hier raus bringen. Wir-"
"Es ist zu spät. Sie haben die Türen schon geschlossen."
Ich schaute zu den zwei Ausgängen, vor denen beteits jeweils zwei breite Männer standen. Das taten sie, damit niemand einfach in den Kämpfen herein kommen konnte. Denn immerhin war das hier nicht alles so ganz legal.
Wütend stieß ich laut Luft aus und fuhr mir durch die Haare.
"Hey, bleib cool. Sie kann bei mir bleiben."
Chris legte mir eine Hand auf die Schulter, was mich beruhigen sollte. Doch das tat es nicht.
Trotzdem nickte ich, dann drehte ich mich wieder zu Jade.
"Komm mit."
Wir gingen zurück zu unserem Platz, als ich gerade aufgerufen wurde.
"Du bleibst bei Chris, egal was passiert klar?"
Meine Augen durchbohrten ihre, doch ich meinte es wirklich ernst.
Sie schluckte, während sie nickte.
"Okay." Brachte sie heiser heraus.
"Keine Sorge, ich pass auf sie auf. Jetzt geh da raus, verpass ihm eine und wir gehen nachhause."
Chris nickte mir aufheiternd zu, bevor ich in den Ring stieg.
Jade und er standen weiter weg am Rand, doch ich konnte sie von hier aus perfekt sehen.
Konzentrier dich.
Auch wenn es jetzt schwierig werden würde - ich musste mich auf den Kampf konzentrieren.
Sanchez baute sich vor mir auf, ein überlegenes Grinsen war auf dem Gesicht des Dunkelhaarigem zu sehen.
Wir gaben uns die Hand, wobei ich die ganze Zeit ernst blieb. Ich hatte keine Angst vor ihm, doch mir war bewusst, dass er einer der gefährlichsten Typen der Stadt war.
Sein Kopf drehte sich Richtung Chris und Jade und ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit.
"Süße Bitch die du da mitgebracht hast."
Natürlich hatte er sie gesehen. Jeder hatte sie gesehen. Sie war das einzige Mädchen hier. Generell nahm hier niemand seine Freundinnen oder was auch immer sie für sie waren mit. Wir waren in einem bis oben hin mit Testosteron gefülltem Raum. Jeder, der ein Mädchen hierher mit nahm war ein dummer Idiot.
Gepaart damit, dass das hier nicht irgendwelche Leute waren, sondern gefährliche und mächtige Kerle.
"Sie ist nicht mit mir hier."
"Dann macht es dir doch sicher nichts aus, wenn meine Jungs sie etwas im Auge behalten, oder?"
Meine Hände ballten sich zu Fäusten, während ich sah, wie zwei Männer sich an beide Enden des Raumes platzierten, sodass sie Jade direkt in ihrer Mitte hatten.
Sanchez grinste befriedigt, als er meine Reaktion sah.
Verdammt.
"Wenn deine dreckigen Vixer ihr auch nur zu nahe kommen, bist du erledigt."
Knurrte ich drohend, doch das gab Sanchez nur noch mehr Bestätigung, dass er meine Schwachstelle für den Kampf gefunden hatte.
"Warum so gereizt? Ich dachte sie ist nicht deine Bitch."
Der Schiedsrichter unterbrach mich, bevor ich noch etwas antworten konnte. Stattdessen starrte ich ihn wütend an.
Der Schiedsrichter war auch nicht wirklich ein Schiedsrichter, so wie man es sich vielleicht vorstellen würde. Er war lediglich dazu da, den Gewinner zu ernennen. Regeln gab es hier nicht wirklich.
"3... 2... 1... Go!"
Adrenalin schoss durch meinen Körper und eine Hitzewelle überkam mich.
Sanchez würde untergehen.

Jades POV:

Angespannt stand ich neben Chris und schaute zu Lovis.
Mit seiner Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ja, ich war zwar gegen seinen Willen hierher gekommen, doch ich hatte nicht gewusst, dass er es wirklich ernst meinte.
Hätte ich gewusst, dass das hier alles andere als ein Hobbyverein war, dann hätte ich meine Entscheidung wahrscheinlich anders getroffen.
Mal abgesehen davon, dass mein Plan eigentlich war mich still und heimlich in den Hintergrund der Zuschauer zu schleichen und unbemerkt wieder zu gehen.
Tja, das war bevor ich wusste, was hier eigentlich wirklich los war.
"Du weißt schon, dass du euch beiden damit ein Bein gestellt hast."
Sagte Chris ruhig, während er ebenfalls in Lovis Richtung sah.
"Wieso?"
Ich hatte jetzt zwar kapiert, dass es für mich wirklich nicht der sicherste Ort war. Aber warum behinderte ich Lovis damit?
"Naja, jetzt konzentriert er sich auf zwei Sachen gleichzeitig. Ich hab zwar versprochen dich zu beschützen, aber einer gegen alle - das würde nichtmal Lovis schaffen. Und das ist ihm durchaus bewusst."
In diesem Moment begann der Kampf und ich schluckte schwer.
Warte, meinte Chris damit gerade, dass Lovis sich sorgen um mich machte?
Warum sollte er?
Vorallem nach dem letzten Vorfall hatte er mich wieder einmal davon überzeugt, dass ich ihm nichts bedeutete. Außerdem war er vor ein paar Minuten ziemlich sauer auf mich gewesen. Verständlich, denn ich hatte nicht auf ihn gehört und gerade ihm passte das überhaupt nicht.
"Hätte ich gewusst was das hier wirklich ist, dann wäre ich nie auf die Idee gekommen. Ich wollte keine Schwierigkeiten machen."
Chris schielte kurz zu mir herunter und er schmunzelte.
"Jetzt ist es halt so. Er packt das schon. Aber sag Kleine, wie hast du uns überhaupt gefunden?"
Ich knetete verlegen meine Hände.
"Ich hab deine Nachricht auf seinem Handy gesehen und naja ich hatte einfach Glück. Aber Lovis ist so... so undurchdringbar!"
"Und da hast du beschlossen die Sache selbst in die Hand zu nehmen."
Beendete Chris meinen Satz grinsend.
Wir schauten beide immernoch zu Lovis. Bis jetzt war noch nichts all zu aufregendes passiert, aber er schlug sich gut.
"Das war ganz schön mutig von dir."
Fing Lovis bester Freund plötzlich wieder an.
"Aber ich weiß nicht, ob du mit der Methode weit bei ihm kommst. Wenn man ihn einengt, dann macht er meistens dicht."
Mein Bauch verwandelte sich in eine Waschmaschine. Er redete gerade nicht um die Sache von heute, sondern generell von Lovis und mir.
"Ja, das habe ich gemerkt."
Gab ich kleinlaut von mir.
Schon mehrmals.
"Du musst dir klar darüber sein, dass Lovis sich nicht wirklich festlegt, geschweige denn jemandem vertraut. Ich glaube, ich bin sein einziger Freund der mit ihm länger als zwei Jahre befreundet ist."
Ich ließ Chris Worte durch mein Gehirn sickern, während ich nachdachte.
"Hatte er schonmal eine Freundin?"
Fragte ich mit all meinem Mut.
Jetzt oder nie.
Zwar wusste ich, dass Chris nie Lovis verraten würde, aber vielleicht konnte ich doch ein bisschen was über ihn herausfinden.
"Nein."
"Noch nie?"
"Noch nie."
Das überraschte mich mehr als ein bisschen.
Klar ich wusste, dass die Gerüchte über ihn nicht irgendwoher enstanden waren und er oft etwas mit Mädchen gehabt hatte.
Aber das er dabei noch nie eine Freundin gehabt hatte schockierte mich doch ein wenig.
"Er ist nicht der Typ dafür." Fügte Chris hinzu.
"Du meinst für Gefühle."
Chris gab mir zur Antwort nur ein Lachen und ich wusste, dass ich recht hatte.