„...and you've got me"

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Addison musste ein Zucken ihrerseits unterdrücken, als sie die Hand ihrer Tochter spürte. Zu sehr war sie auf den Fernseher fixiert. Was wäre, wenn er sie wieder aufsuchen würde? Er wusste immerhin, wo sie wohnen. Was wäre, wenn er ihrer Tochter etwas antun würde? Nur, weil er bei ihr nicht zu dem Ende kam, welches er geplant hatte? Als Alianore sie fragte, ob alles gut sei, musste sie natürlich ihre Maske aufsetzen und ihr versichern, dass Ethan Johnson niemals den Fehler begehen würde, erneut bei ihnen Zuhause aufzutauchen. Aber Addison konnte selbst nicht daran glauben. Sie wusste jetzt schon, dass sie nicht mehr wird schlafen können, bis der Mann erneut gefasst wurde.

„Ich habe dich wieder... Mommy", sagte Alianore gerade leise, als Addison dann den Fernseher abschaltete, um ins Bett zu gehen. Sie legte einen Arm um ihre Tochter, küsste sie auf den Scheitel und drückte sie sanft an sich. „Ja, wir haben uns wieder...", antwortete sie ebenfalls leise, „lass uns jetzt ins Bett gehen, okay? Ich muss morgen früh raus", sprach sie dann aus und löste sich von Alianore um aufzustehen. Zögernd folgte der Teenager ihrer Mutter und schlich in ihr eigenes Zimmer.

Im Badezimmer betrachtete Addison die Narben an ihren Hand- und Fußgelenken, dachte erneut daran, wie diese zustande kamen und fing augenblicklich wieder an zu zittern. Tief atmete sie durch um wieder die Kontrolle über sich selbst zu gewinnen. Als sie dann wenige Minuten später alleine in ihrem Bett lag, eine Hand auf ihren Bauch liegend, versuchte sie ihre Gedanken umzulenken. Nicht an Ethan zu denken. Nicht an die Gefangenschaft zu denken. Nicht daran zu denken, dass er sie hätte töten können. Die Schwangere versuchte, an die Zukunft zu denken. Sie, zusammenlebend mit Alianore und Mark. Und dem Baby, dessen Geschlecht noch unbekannt ist. Sie würden glücklich sein. Natürlich auch Hürden meistern müssen, wie jede andere Familie auch, aber glücklich.

Während Addison in ihrem Bett lag und versuchte, auf andere Gedanken zu kommen, lag auch Alianore in ihrem Zimmer, konnte kein Auge zu machen, ohne sich auszumalen, was mit ihrer Mutter geschehen sein musste. Immer wieder kamen ihr Bilder in den Kopf, die sie nicht verdrängen konnte. Auch, wenn Addison nicht darüber sprach, was passiert war. Alianore beschloss, zu ihrer Mutter zu gehen, denn alleine würde sie keinen Schlaf finden. Und sie konnte sich vorstellen, dass es ihr nicht anders gehen würde.

Als es leise an ihrer Schlafzimmertür klopfte, zuckte Addison, aus ihren Gedanken gerissen, zusammen. Dann sah sie, wie sich die Tür einen Spalt weit öffnete, ihre Tochter durch diesen schlüpfte und sie wieder schloss. „Mom? Kann...", verlegen sah sie zum Boden, „...kann ich bei dir schlafen? Bitte?", fragte sie dann zögernd und sah Addison an. Lächelnd hob Addison ihre Bettdecke und signalisierte ihr somit, dass sie sich zu ihr legen sollte. „Natürlich Kleine...", antwortete sie, als Alianore sich neben sie legte.

Schweigend lagen beide nebeneinander, als Alianore das Schweigen brach. „Wieso kannst du nicht schlafen, Mom?", fragte sie und sah zu ihrer Mutter auf, welche sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu ihr liegend, gelegt hatte. „Das ist nicht wichtig, Ally, wirklich", versuchte Addison, von sich abzulenken. Dem Teenie gefiel diese Antwort nicht. „Doch Mom, ist es! Weißt du, wieso ich nicht schlafen kann? Weil ich ständig daran denken muss, was dieser Mann dir angetan hat. Weil ich ständig Bilder im Kopf habe, wie du in einem geschlossenen Raum liegst... Bewusstlos... Von dem, was auch immer er getan hat. Weil ich ständig daran denken muss, was wäre... wenn die Polizei dich nicht rechtzeitig gefunden hätte!", sprach die Sechzehnjährige nun verzweifelt aus und schluckte die Tränen herunter.
Addison musste ebenfalls schlucken. „Alianore... du... du kannst nicht wissen was dort geschehen ist. Und du solltest es auch nicht wissen...", antwortete Addison, versucht, ruhig zu bleiben. „Mom du kannst doch nicht für immer darüber schweigen! Du kannst allen etwas vormachen, auch Großvater oder Dr. Sloan... Aber nicht mir, verdammt! Wir waren immer eine Einheit. Addison und Alianore... Wir haben uns alles erzählt..." versuchte die Tochter, ihre Mutter zu überzeugen.

„Alianore! Hör auf!", verlangte Addison plötzlich. „Du kannst nicht von mir verlangen, dir zu erzählen, wie es mir dort ergangen ist. Wie viel Angst ich hatte, um dich, um mich, um das Baby... Wie einsam ich mich gefühlt habe, wie nutzlos und unbedeutend. Wie mich die Scham geplagt hat, als ich dort lag, in meinen eigenen Exkrementen, weil ich mich nicht bewegen konnte! Wie ich mich gefühlt habe, als ich gefesselt an einer Wand hing, und selbst feststellte, dass ich eines der Kinder verloren habe. Wie ich mir nur noch gewünscht habe, dass er mein Leben beenden würde, um all das nicht mehr ertragen zu müssen! Und du hast keine Ahnung davon, wie viel Angst ich davor habe, dass er wieder herkommen wird...", brach es nun aus der Rothaarigen heraus.

Schwer atmend starrte sie an die Wand vor ihr, blickte nicht zu ihrer Tochter. Der einzigen Person, der sie soeben erzählt hat, wie es in ihr wirklich aussieht. „Du kannst es nicht wissen...", flüsterte sie nun und schluchzte auf.

Alianore wiederum wendete den Blick nicht von ihrer Mutter ab. Schockiert von dem, was diese ihr gerade erzählt hat, weinte sie nun ebenfalls. „Es ist okay Mommy... du darfst es zulassen, ich bin da...", war das einzige was sie nun sagen konnte, kroch näher an ihre Mutter heran und nahm sie in den Arm. Addison klammerte sich an die Arme ihrer Tochter und weinte nun bitterlich. Immer wieder strich Alianore ihrer Mutter beruhigend über den Kopf, so, wie diese es bei ihr ebenfalls tat, wenn sie in ihren Armen weinte. Das Mädchen spürte, dass ihre Mutter sie nun brauchte. Und sie wollte für sie da sein und ihr helfen, so gut, wie sie konnte.

Wie viel Zeit vergangen ist, bis Addison sich wieder beruhigt hatte, wusste Alianore nicht. Doch ihre Mutter war in ihren Armen eingeschlafen. Noch eine Weile musterte der Teenie die Gynäkologin, ehe sie vorsichtig die Arme unter ihren Körper hervorzog und sich an ihre Mutter schmiegte, bis sie ebenfalls einschlief. Sie hatte Angst. Sie hatte immer ihre Mutter gehabt...

Jetzt musste sie zeigen, dass auch Addison sich auf ihre Tochter verlassen konnte. Sie war erwachsen geworden- schneller, als ihr lieb war.

BelievingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt