"Back to Life"

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Einige Tage später hatte sich Alianore's Zustand tatsächlich so stabilisiert, dass die behandelnden Ärzte die Indikation sahen, das Mädchen aus dem künstlichen Koma zu holen.
Heute war es soweit. Addison war erleichtert, als Richard ihr davon berichtete und musste vor Freude einige Tränen runterschlucken. Sie hatte sich vorgenommen, nicht mehr zu weinen. Vorerst. Denn sie wollte stark sein, für ihre Tochter. Und sie hatte genug geweint, war lange genug schwach gewesen. Vor ihnen lag ein langer Weg. Wenn das blonde Mädchen erst einmal wieder wach war, würde es lange dauern, bis sie wieder ihr normales Leben führen könnte. Aber Addison war sich sicher, dass sie es schafften. Ally musste nur ihre Hilfe annehmen. Und die Hilfe von Mark.

Mark... Seit sie sich vor genau fünf Tagen wieder näher gekommen waren, war ihr Verhältnis zu ihm besser denn je. Sie hatte nicht gelogen. Sie liebte ihn noch immer, und noch mehr, seit Alianore damals auf die Welt gekommen war. Doch war es richtig? War es richtig, sich auf ihn einzulassen, ihn wieder in ihr Leben zu lassen? Addison wusste es nicht. Aber sie wollte es riskieren. Unbedingt. Auch um ihrer Tochter die Möglichkeit zu bieten, ihren Vater kennen und lieben zu lernen.

"Addie...?", fragte sie jemand und die Rothaarige zuckte zusammen. Eine ganze Weile saß sie schon wieder am Krankenbett ihres Kindes, nur um darauf zu warten, dass Richard das Zimmer betreten würde um die Sechzehnjährige aus ihrem langen Schlaf zu erwecken. Addison drehte sich zu der ihr bekannten Stimme um und konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Da stand er, der große, blonde Mann, mit einem besorgten Blick im Gesicht und sah sie fragend an.
"Hey.", begrüßte sie den Vater ihres Kindes, noch immer lächelnd. Nun begann er auch zu lächeln und kam auf sie zu. "Richard wollte in zehn Minuten hier sein, um Dornröschen aus dem Schlaf zu holen.", sprach er leicht schmunzelnd zu ihr. Addison wandte ihren Blick von ihm ab und sah wieder in das Gesicht von Alianore. Unglaublich, wie friedlich sie aussah. Ob es noch so sein würde, wenn sie wach war? An was würde sie sich alles erinnern können? Wird sie Angst haben? Sie konnte nur erahnen, wie sich ihre Tochter fühlen würde.

"Okay.", antwortete sie ihm nur nickend. Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter und drückte diese kurz. "Sie wird aufwachen, ganz bestimmt.", bekräftigte er sie. "Ja... ganz bestimmt.", flüsterte Addison. Bis Richard den Raum betrat, schwieg das Paar. Aber es war kein unangenehmes Schweigen. Ganz im Gegenteil. Es war schön, einfach nur zu fühlen, einander beizustehen.

"So, da bin ich endlich, entschuldigt, dass ihr warten musstet.", sprach Richard und betrat somit den Raum. Addison und Mark erschraken beide kurz, hatten sie sich doch an das angenehme Schweigen zwischen ihnen gewöhnt. "Richard, da sind Sie ja.", begrüßte die Gynäkologin nun den Älteren. "Und, seid ihr so weit?", fragend musterte er die Beiden. "Mehr als das, wir können es kaum erwarten.", beantwortete Mark seine Frage. Der Chefarzt schmunzelte. "Okay, dann fange ich jetzt an. Und denkt dran: es könnte sein, dass sie nicht sofort wach wird und wenn doch, sehr verwirrt sein könnte, in Ordnung?" Beide nickten nur und sahen nun zu ihrer Tochter, während Richard anfing, die Aufwachphase des Mädchens zu beenden. Eingeleitet hatte er diese schon vor ein paar Stunden. "So, nun wird kein Narkotikum mehr in ihren Körper geführt. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Alianore wieder erwacht.", informierte er die beiden Eltern lächelnd. Richard freute sich selbst sehr, war Alianore doch fast wie eine Enkelin für ihn. Erneut nickten Addison und Mark synchron. "Danke, Richard.", Addison sah ihm in die Augen. "Danke für alles..." "Immer wieder gerne, Addison", er nickte ihr zu, tätschelte kurz ihre Schulter, "wenn etwas sein sollte, lasst mich rufen. Ich komme dann so schnell es mir möglich ist.", versicherte er ihnen noch, ehe er den Raum verließ.

Gespannt sahen Addison und Mark auf Ally, es war nun drei Stunden her, als Richard das Narkosemittel eingestellt hatte. Beide wussten, dass Ally wohl nicht so schnell aufwachen würde. Sie lag tagelang im künstlichen Koma, es würde dauern, bis ihr Körper den Rest des Narkosemittels verarbeitet hatte. Aber trotzdem wurden sie ungeduldig. "Was meinst du, wie sie reagieren wird, wenn sie wach ist?", fragend sah der blonde Mann zur Mutter seiner Tochter. "Ich weiß es nicht... wirklich.", seufzte Addison. "Ich denke, sie wird sich nicht an den Unfall erinnern. Aber mit Sicherheit an das, was davor war... Wir werden schon sehen... Das Wichtigste ist, dass wir da sind." Nickend nahm Mark ihre Hand in die seine und gab ihr einen sanften Kuss auf die Schläfe. Er würde hier bei ihr warten. Bis Alianore aufwachen würde. Egal, wie lange das dauern sollte.
Mark hatte sich entschieden. Er wollte das Gesamtpaket. Er wollte wieder mit Addison zusammen sein, seine Tochter kennenlernen. Er wollte eine Familie.

Seine Zeit als "Besteiger" war schon lange vorbei. Nie wieder würde er eine andere Frau so lieben können, wie er Addison liebte.
Seelig lächelnd lehnte er sich in dem Sofa zurück, welches in dem Krankenzimmer stand und auf dem er mit Addison saß. Diese lehnte sich müde an ihn, den Kopf auf seiner Schulter gebettet. "Schlaf ruhig etwas, Addie... Ich weck dich, wenn sie wach werden sollte.", bot er ihr an und strich sanft eine Strähne ihres roten Haares aus ihrem Gesicht. Addison sah auf und direkt in seine blauen Augen.
Lächelnd legte sie eine Hand an seine Wange, strich vorsichtig über seinen seichten Bartansatz, welchen er noch nicht wieder rasiert hatte.

"Danke...", flüsterte sie. Er hob die Augenbrauen an. "Wofür?", fragte er leise. "Dass du da bist... für uns beide. Und das ich mich auf dich verlassen kann. Ich hätte niemals an uns zweifeln, sondern auf mein Herz hören sollen. Ich liebe dich, Mark Everett Sloan, wohl schon seit dem du mich damals verführt hast.", flüsterte sie und grinste etwas, als sie den letzten Satz aussprach. Mark schmunzelte und legte nun auch eine Hand an ihre Wange. "Ich liebe dich auch, Addison Adrienne Forbes Montgomery, und das schon bevor ich dich verführen konnte.", antwortete er ihr ebenfalls flüsternd. Langsam kamen ihre Köpfe sich näher, bis sie schließlich in einen sanften, innigen Kuss verfielen.

Abgelenkt wie sie waren, hörten sie nicht, wie das Mädchen vor ihnen anfing, sich im Bett zu bewegen und schließlich plötzlich panisch die Augen aufriss.

Sie zerrte sich die Beatmungsmaske vom Kopf, der Tubus war schon von Richard entfernt worden, als er das Narkotikum einstellte und sie sicher gingen, dass sie selbst atmen konnte. Alianore sah sich im Raum um, wusste nicht wo sie war, konnte nur schemenhaft erkennen, wie zwei Menschen auf dem Sofa neben ihr saßen und sich küssten.

Als Addison das Rascheln der Bettdecke hörte hielt sie inne.

"Mom? Bist du da? Wo bin ich und was ist passiert?", hörte sie die fast schon panische, ängstliche Stimme ihrer Tochter. Sie sprach sehr leise und ihre Stimme klang ziemlich rau.

Aber sie sprach. Sie war wach. Alianore war endlich wach.

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