"Who are you"

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Am nächsten Morgen besuchte Addison ihre Tochter zunächst alleine, um mit ihr über die bevorstehenden Maßnahmen zu sprechen, die nötig waren, um sie wieder auf die Beine zu bringen.
"Bitte, Mom, lass mich ein paar Tage in Ruhe damit. Ich möchte nicht aufstehen, ich möchte nicht gehen. Das Einzige, wonach mir gerade ist, wäre das Schlafen, zu jeder Zeit, ich bin unglaublich müde und geschafft.", jammerte das Mädchen.
"Schatz, du lagst tagelang im künstlichen Koma, du musst dich langsam wieder an einen normalen Rhythmus gewöhnen. Du darfst dich ausruhen, du sollst dich sogar ausruhen, aber bitte, beschäftige dich auch mit etwas anderem. Lese, sieh Fernsehen....", meinte die Mutter und packte sogleich einige Bücher aus ihrer Handtasche, welche sie dann auf das Nachtschränkchen legte.

Auf dem Tisch stand eine ungeöffnete Flasche Wasser, sowie das nicht angerührte Frühstück.
"Liebes, du musst essen und Flüssigkeit zu dir nehmen, du kannst sonst nicht gesund werden.", erklärte Addison dem blonden Mädchen, dessen bis dahin starker Blick sich sofort änderte.
"Ich will hier raus, Mommy. Es ist schrecklich hier. Die ganzen Geräte, dieses furchtbare, sterile Weiß und dieser Geruch... Ich hasse es hier zu liegen", jammerte die Sechzehnjährige tränenerstickt und sah ihre Mutter mit feuchten Augen an.
"Ich weiß, Baby... aber ein bisschen musst du es noch aushalten.", tröstete die Mutter, strich vorsichtig über die Wange ihrer Tochter und setzte sich. Sie war erschrocken über die Antriebslosigkeit ihres Kindes, doch sie spürte, wie viel Angst ihre Tochter in dieser Situation hatte.
Als die Ärzte zur Untersuchung kamen, ließ Addison ihre Tochter unter einem Vorwand mit diesen allein auf ihrem Zimmer.
Alianore wollte nicht, dass Addison sah, wie schwach sie doch noch war und die Mutter akzeptierte dies.
Vielleicht auch, weil sie es nicht ertrug, ihre Tochter, welche sonst immer auf Achse war, in einem solchen Zustand der Hilflosigkeit und den sich dazu reihenden Schmerzen zu sehen.


Zwei Tage waren vergangen, als Addison den Versuch wagte, Mark wieder mit zu ihrem Kind zu nehmen.
Das Mädchen saß gerade im Bett, als die beiden Ärzte, beide in weißen Kitteln bekleidet und folglich im Dienst, den Raum betraten.
"Hey, meine Kleine, wie geht es dir?", fragte Addison, die darauf nur ein kurzes "Mach dir keine Sorgen!" als Antwort bekam, da das Mädchen gerade mit einer Sendung im Fernsehen beschäftigt war und ihre Augen nicht vom Bildschirm lösen konnte.
So sah sie auch nicht, dass Mark mit im Raum stand.

"Guten Morgen, Alianore.", begrüßte er das Mädchen nun.
Die Blonde bewegte langsam den Kopf in seine Richtung und sah ihn entgeistert an.
"Was haben Sie an "Ich brauche Sie nicht" nicht verstanden?", fuhr sie ihn an und widmete sich wieder der Sendung im Fernsehen.
"Alianore Grace Montgomery! Es ist unhöflich in den Fernseher zu sehen, wenn jemand mit dir sprechen möchte.", meinte Addison nun streng.
"Wer redet mit mir? Der Mann führt einen Monolog, ich habe nicht die Absicht, mich an einem Gespräch zu beteiligen.", gab das Mädchen gehässig zurück und sah erneut auf den Bildschirm.
Wütend schaltete Addison das Gerät ab und legte einen Finger unter das Kinn ihrer Tochter, um ihren Kopf hochzuschieben, sodass das Mädchen ihr direkt in die Augen blicken musste.
"So habe ich dich nicht erzogen, ich kenne dich gar nicht mehr, ich bin sehr enttäuscht, junge Dame.", zischte sie und funkelte ihre Tochter böse an.

"Raus.", zischte Ally bedrohlich leise.
"Alianore.", empörte sich Addison.
"Alle beide. Wenn du ihn nicht weg schickst, möchte ich dich auch nicht sehen!", wetterte das Mädchen bedrohlich leise.
Addison wich erschrocken zurück.
Sie konnte das Gefühlschaos nachvollziehen, doch hatte sie noch nie einen solchen Ausbruch bei ihr erlebt.
"Komm zur Vernunft, Mädchen.", mischte sich nun Mark ein, der das Szenario stillschweigend betrachtet hatte.
Addison hatte ihrer Tochter eine Hand auf die Schulter gelegt, welche je abgeschüttelt wurde.
"Raus. Raus. RAUS.", polterte das Mädchen und atmete dabei so hastig, dass die Werte nach oben schnellten.
Ehe sie sich versahen, standen Richard, seine Assistenzärzte und eine Krankenschwester im Raum.

"Was ist hier los?", fragte der Chefarzt und sah erst die Eltern, dann das offenbar aufgebrachte Mädchen an, welches angefangen hatte, hysterisch zu weinen und um sich zu schlagen, als Addison es beruhigen wollte.
"Bitte, bitte Mom... geht einfach!!!", weinte die Sechzehnjährige.
Addison und Mark gingen ihrem Wunsch nach und verschwanden nach draußen.

Addison ließ sich vor dem Zimmer auf dem Boden nieder und legte den Kopf auf ihre angewinkelten Knie, welche sie mit den Armen umschlungen hielt.
"Es tut mir leid, Mark, ich dachte nicht, dass sie so auf dich reagiert.", sagte die Frau leise weinend und sah den Mann, welcher sich nun neben sie setzte, aus traurigen Augen an.
"Schatz, es ging wohl einfach zu schnell. Sie hat uns streiten sehen. Sie hat gesehen, wie jemand ihre Mutter anschreit und sie hat dir gesagt, sie möchte ihren Vater nicht kennenlernen. Es kam zu plötzlich. Sie ist völlig überfordert. Mit sich selbst und mit uns.", meinte Mark und konnte selbst kaum glauben, dass er das so ruhig gesagt hatte.
Er war so sauer. Was er Tage vorher betrunken sagte, war zum Teil die Wahrheit gewesen. Er verstand immer noch nicht, warum Addison ihm nichts von seinem Kind erzählt hatte.
Nun war es so und er konnte es nicht ändern. Er konnte nur versuchen dafür zu sorgen, dass sein Kind bald seine Meinung ändern würde.

Kurze Zeit später kam Richard aus dem Raum.
Er ging auf das Paar zu und setzte sich neben Addison.
"Ich habe ihr ein leichtes Beruhigungsmittel gespritzt.", erklärte er.
Addison nickte.
"Sie schläft jetzt, das tut ihr gut. Ihr solltet ihr Zeit geben, es zu verarbeiten.", riet er den Eltern des Teenagers.
Addison nickte abermals enttäuscht.
"Ich kenne sie so gar nicht, sie ist normalerweise sehr vernünftig und ruhig, auch wenn sie aufgebracht ist.", rechtfertigte sie das Verhalten ihrer Tochter.
Richard und Mark nickten nur.


Eine Woche später hatte das Mädchen in der Therapie gute Fortschritte gemacht. Sie konnte sich so viel wie nötig mit den Unterarmstützen bewegen und die inneren Verletzungen waren soweit in Ordnung, dass sie in Addison's Hände entlassen werden konnte.

Addison und ihre Tochter kamen am frühen Nachmittag nach den letzten Untersuchungen im Krankenhaus zu Hause an.
Das Mädchen verschwand sofort in ihrem Zimmer und kam dort bis zum Abend nicht mehr heraus.
Egal wie Addison versuchte, ihre Tochter nach unten zu locken, um mit ihr zu sprechen, der Teenager blockte ab.
Traurig darüber ließ Addison am späten Abend weitere Versuche sein und goss sich ein Glas Wein ein, mit welchem sie es sich auf dem großen Sofa im Wohnzimmer vor dem Fernsehen gemütlich machte.

Zu ihrer Freude gesellte sich Mark, der seit einigen Tagen einen Schlüssel zum Haus besaß, zu ihr.
Addison lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
"Ich komme nicht an sie heran. Seit sie vor einer Woche im Krankenhaus diesen Nervenzusammenbruch hatte, spricht meine Tochter nur noch das Nötigste mit mir. Sie ist so stur.", flüsterte Addison den Tränen nahe.
Mark küsste sie auf die Wange.
"Sie ist verletzt Addison, zutiefst. Wenn man es genau nimmt, haben wir sie hintergangen. Wir haben ihre Entscheidung nicht akzeptiert. Wir lassen ihr die Zeit, die sie braucht.", sagte Mark.
Addison sah auf.
Mark sah so etwas wie Entschlossenheit in ihrem Blick, sie hatte etwas vor.
"Nein, Mark. Schön, dass du so denkst. Wirklich. Aber... Du hast ihr nichts getan und sie kann nicht so mit dir umgehen, sie kennt dich nicht. Wer ist sie, dass sie es sich herausnimmt dich so zu behandeln, wie es ihr passt, ohne vorher zu versuchen, mit dir vernünftig zu sprechen, wie man es von ihr erwarten würde?"
Mark runzelte die Stirn.
Addison stand auf und ging ohne zu Klopfen entschlossen ins Zimmer ihrer Tochter.
So konnte es nicht weitergehen. Sie kannte ihre eigene Tochter nicht mehr.
Alianore durfte sich nicht weiter verschließen. 

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