Zwei Wochen.
Zwei Wochen ohne eine Spur.
Sie hatten eine Spur. Doch Ethan Johnson war nicht aufzufinden, man befürchtete, er hätte sich ins Ausland abgesetzt.Alianore saß auf ihrem Bett, das gesunde Bein angewinkelt, mit dem Kalender auf dem Schoß und einem roten Stift in der Hand. Sie hatte die Tage mitgezählt, angestrichen. Jeden Tag an dem Addison nun verschwunden war, rot markiert. Sie wusste nicht, wie viele weitere Tage folgen würden, ob es überhaupt Hoffnung gab, dass ihre Mutter gefunden würde. Es ging ihr körperlich immer besser, der Gips an ihrem Bein wurde mittlerweile entfernt und sie konnte anfangen, richtig zu laufen, doch psychisch fiel die Tochter der Gynäkologin in ein immer tieferes Loch.
Mehrmals wurde das Mädchen zu dem Brief und zu den Anrufen befragt, doch fand man auch dadurch nichts.
Einzig noch mehr Fragen tauchten auf.
Wie hatte es dieser Mann, welcher noch nie aufgefallen war, geschafft, eine bekannte Ärztin zu entführen, ohne, dass es jemand bemerkt hatte?
Wohl genau deswegen...Unten, im Wohnzimmer des Hauses, saß Mark.
Mit Tränen in den Augen sah er auf den Fernsehbildschirm, auf dem, wie so oft in den letzten beiden Wochen, das Gesicht von Addison gezeigt wurde, mit dem Aufruf, der Polizei sämtliche Hinweise zu übermitteln.
Mark hatte die Befürchtung, der Täter hatte es bewusst darauf angesetzt, die Schwangerschaft zu beenden.
"Wo bist du nur, Addie?", fragte er sich selbst und sah auf den Bildschirm. Das Bild der Rothaarigen war verschwunden, stattdessen lief nun eine Komödie.
Wütend schaltete Mark das Gerät ab. Eine Komödie. Wie konnte der Sender so geschmacklos handeln?
Mark stand auf, straffte die Schultern und ging nach oben, um nach seiner Tochter zu sehen, welche, wie in den Tagen, kaum noch von sich aus mit jemandem kommunizierte. Naomi hatte angerufen, genauso wie ihre beste Freundin. Nicht einmal ihr Großvater oder ihr Onkel, die nach Seattle gekommen waren, als sie von der Entführung erfahren hatten, kamen an das Mädchen heran."Was?", fragte Ally leise, als sie das Klopfen an ihrer Tür vernahm. Vorsichtig kam Mark in den Raum.
"Ally... Wir finden deine Mom. Sie kommt zurück." Er sah sie an und wartete, ob von ihr irgendeine Reaktion kam.
Ihm zerriss es das Herz. Seine Tochter sah ihn an. In ihrem Blick spiegelten sich Angst und Wut, Trauer und Unverständnis dafür, warum man ihre Mutter entführt hatte.
Sie sagte nichts. Alianore sagte seit Mark bei ihr war nichts über Addison, brachte es nicht fertig, ihren Sturkopf zu überwinden und ihm zu sagen, was sie fühlte.Während Addison in den nächsten Tagen immer schwächer wurde, wurde ihr Entführer immer nachsichtiger mit den Sicherheitsmaßnahmen.
Ethan ließ die Türen offen, blieb stundenlang weg, ohne, dass die Frau, welche sich nach dem Abgang, wie es schien, aufgegeben hatte, auch nur einen Versuch wagte, zu entkommen oder um Hilfe zu rufen. Sie hatte keine Kraft mehr, sie wollte und konnte nicht mehr.So wurde Ethan auch, was seine eigene Sicherheit betraf, immer unvorsichtiger. Er beschloss, dass er sich wieder in Öffentlichkeit zeigen würde. Niemand würde den armen Witwer weiter nach einer Frau fragen, die nun seit zwei Wochen verschwunden war. Würde er sich als trauernder Mann und Vater zeigen, erzählen, er hätte diese Auszeit gebraucht, käme doch niemand auch nur auf die Idee, ihn zu verdächtigen.
Dachte er, denn natürlich hatte er die Nachrichten nicht verfolgt.Mark saß gerade im Krankenhaus im Wartebereich der Pädiatrie und wartete auf das Ende der Untersuchung seiner Tochter, als er einen Anruf erhielt.
Addisons Vater."Sloan?"; meldete er sich und spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Würde man ihm nun sagen, dass die Suche ein Ende genommen hatte? Dass sie die Ärztin, seine Kollegin, Freundin und Mutter seiner Tochter irgendwo leblos aufgefunden hatten?
"Ethan Johnson wurde gesehen. Einige Polizisten in Zivil sind ihm auf den Fersen, der Mann wird nun rund um die Uhr beschattet.", meinte der Vater seiner Freundin aufgeregt.
"Wo ist Addison?", fragte Mark und kniff in dem Moment, in welchem er diese Frage gestellt hatte, seine Augen zusammen, hielt die Luft an und erwartete das Schlimmste.
"Man hat Addie noch nicht gefunden, doch sieht sich Ethan wie es scheint auf der sicheren Seite. Er wird unvorsichtig und zu ihr gehen, denkt die Polizei. Sie werden alles tun, um auch sie zu finden und zu befreien, Mark.", berichtete der Mann, welcher gerade beim Ermittlungsleiter im Büro saß.
"Lebt sie noch?", fragte Mark nun.
Am anderen Ende schwieg der Vater und man hörte ein Seufzen. "Ich weiß es nicht.", flüsterte er.Eine Stunde später saß Mark mit seiner Tochter auch bei der Polizei. Alianore wollte unbedingt mitkommen.
Der Leiter der Ermittlungen in Addisons Fall begrüßte Mark und auch das Mädchen und nahm die beiden mit sich in sein Büro."Das heißt, sie finden meine Mom?", fragte das Mädchen. Der Polizist sah Mark an und dann zu Ally. "Wir werden alles tun, um herauszufinden, wo er sie versteckt hält. Er wird nun beobachtet, Alianore, meine Kollegen sind an ihm dran und werden ihn nicht aus den Augen lassen. Früher oder später wird er zu deiner Mutter gehen..." "Wenn sie noch lebt...", beendete das Mädchen den Satz und sah starr geradeaus. Mark strich ihr kurz über den Arm.
"Wir finden sie.", sagte er und hoffte, dass dies auch lebend geschah.Tatsächlich wurde Ethan noch am selben Abend unvorsichtig. Er fuhr von seiner Wohnung, die sich am Rande der Stadt befand in ein abgelegenes Waldstück, nicht zu schnell, eigentlich unauffällig. Niemandem würde er auffallen.
Ethan merkte nicht, dass er von einem kleinen, unscheinbaren Wagen, in welchem zwei Polizisten saßen, verfolgt wurde.
Johnson stieg aus dem Wagen, sah sich, natürlich, nicht um und ging zu einem Schacht, welcher verwachsen mit Büschen versteckt lag. Er öffnete eine schwere Tür und stieg Treppen nach unten. Dort, in diesem Keller, musste er sie gefangen halten. Die Ermittler forderten sofort Verstärkung an.Wenig später war der Eingang zum Keller umstellt. Ethan hatte das Tor offen gelassen, er war sich viel zu sicher, dass ihn niemand fand. Zwei Wochen war es gut gegangen, doch jetzt würde es ihm zum Verhängnis werden.
Eine Polizistin und ein Polizist in Schutzkleidung und mit gezogenen Waffen gingen nach unten, nach rechts und links gingen Räume ab, geradeaus befand sich noch eine Tür. Eine Brandschutztür rechts war nur angelehnt, Licht brannte, man konnte Stimmen vernehmen."Ich denke, ich erlöse dich, weißt du, ich habe keine Lust mehr... Ich habe keine Verwendung für dich und das Gefahre von hier nach Hause und zurück... Es kostet mich nur Geld, dich zu verpflegen und am Leben zu halten. Ich denke, ich habe bekommen, was ich will. Deine arrogante Tochter kommt irgendwann darüber weg."
Ein Lachen, dann Schweigen. Dann ein paar Schritte, ein leises Wimmern und das Klicken einer Waffe, die entriegelt wurde.
"Zugriff.", zischte der Polizist seiner Kollegin zu.
Im Raum stand Ethan mit Addison, hielt sie fest im Stand und den Lauf der Pistole an den Kopf der Frau. Die Rothaarige, welche in den letzten zwei Wochen deutlich abgenommen hatte, wagte es nicht zu atmen, hatte die Augen geschlossen und konnte sich offensichtlich nicht mehr selbst auf den Beinen halten."Lassen Sie sofort die Waffe fallen!", schrie der Polizist und hielt seine Pistole direkt auf den Entführer.
Dieser ließ die Frau sofort los und hob die Arme. Er hatte damit nicht gerechnet. Was sollte er nun tun?
"Waffe weg.", sagte der Polizist nun.
Ethan ließ widerstandslos die Glock auf den Boden fallen, der Polizist kickte sie weg und nahm den Mann fest.
"Ich habe, was ich will. Mir ist egal, was passiert.", lachte Ethan noch eklig und sah auf den Blutfleck, welcher immer noch auf dem Boden war.Addison konnte nicht erfassen, was gerade passierte. Sie war zurück getaumelt und auf den Boden gefallen, als Ethan sie losgelassen hatte. Alianore würde niemals darüber hinwegkommen. Oder suchte das Mädchen etwa nicht? Hatte ihre Kleine aufgegeben? Sie glaubte es nicht. So war ihre Tochter nicht.
Addison nahm ihr Umfeld nur noch schemenhaft war, ihr Kopf schmerzte, gelegentlich hatte sie Bauchkrämpfe und ihr war übel.
"Addison..."
Es war die Frau, welche sich nun zu Addison auf den Boden setzte. Automatisch wich die Rothaarige ängstlich zurück und wimmerte. "Lassen Sie mich endlich in Ruhe."
"Ich bin Jenny, von der Polizei. Ethan wurde gerade abgeführt, wir sind in Seattle, wir haben Sie gerade gefunden. Ihre Familie wartet auf Sie Addison, wir bringen Sie nach Hause, Sie sind jetzt sicher.", redete die Polizistin beruhigend auf Addison ein, half ihr dann hoch."Familie...", sagte Addison leise und spürte, wie in ihr Hoffnung aufkam, Mark und Alianore wieder zu sehen und bald in die Arme zu schließen.
Doch ihre Kraft reichte nicht."Wir brauchen SOFORT einen Arzt!", rief die Polizistin, als Addison in ihren Armen zusammensackte und ohnmächtig wurde.
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Believing
Fiksi PenggemarWas wäre, wenn Mark nie gestorben wäre? Was wäre, wenn Addison das Baby nie abgetrieben und ein gesundes Mädchen von Mark auf die Welt gebracht hätte? Und was wäre, wenn die beiden sich nach Jahren wieder treffen würden und Addison ihm die Wahrheit...