"Caught"

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Weil Ethan ihr dreimal am Tag Essen vor die Nase setzte, wusste Addison, dass mittlerweile drei Tage vergangen waren. Heute war der Beginn des dritten Tages. Denn gerade wurde sie auf den Stuhl gefesselt, nur eine Hand zu Verfügung, welche eine Gabel aus Plastik hielt, und die siebte Mahlzeit vor ihr. Doch durch die Schwangerschaft war Addison so übel, dass sie keinen Bissen herunter bekommen konnte. Es war einfach nicht möglich. In zehn Minuten würde ihr Entführer in den Raum kommen und sehen, dass Addison nicht aufgegessen hatte. Und dann würde er sie bestrafen. Gestern hatte sie schon die Elektroden kennenlernen dürfen, weil sie dringend auf die Toilette musste aber die „Toilettenzeit", wie Ethan es nannte, nicht angedacht war. Er hatte sie dann doch gehen lassen mit der Bemerkung, dass sie in Zukunft ihre Blase besser unter Kontrolle haben sollte. Denn sonst würde er es erneut machen. Sie an das Bett fesseln, die Elektroden auf ihren Körper verteilen und an ein Gerät schließen, welches elektrische Impulse in ihren Körper jagte. Richtig angewandt war dies eine gute Schmerztherapie. Aber Ethan wollte es nicht richtig anwenden. In regelmäßigen Abständen stellte er die Stromstärke höher. Alle zehn Sekunden zuckten die Muskeln der Ärztin durch den Strom zusammen, bis es irgendwann anfing zu schmerzen. Und zu brennen.

Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, als sie an den gestrigen Tag zurück dachte. Was würde er tun, wenn er nun sah, dass sie nicht hatte essen können? Sie hatte es ja wirklich versucht... Vielleicht reichte es ihm doch aus? Verächtlich schnaubte Addison bei diesem Gedanken. Was denkst du dir eigentlich? Dass er Gnade haben würde? Sie versuchte einen letzten Bissen, ehe ihre Übelkeit die Oberhand gewann und sie den Kopf zur Seite drehen musste, um sich zu übergeben. Schmerzlich zog sich ihr Magen zusammen ehe sie keuchend den Kopf in den Nacken legte und tief Luft holte. Wie lange sollte das Ganze noch gehen? Wie lange würde die Polizei brauchen, um sie zu finden? Addison konnte nicht länger darüber nachdenken, denn Ethan öffnete die Tür. Waren zehn Minuten schon so schnell um?

„Was zum Teufel hast du hier getan?! Ist das dein Dank dafür, dass ich dir Essen gebe?!", fragte der Mann aufgebracht. Addison zuckte bei der Wut in seinen Worten zusammen und sah ihn an. „Es... es tut mir leid... Ich... ich konnte nicht... Die Übelkeit durch die Schwangerschaft... Wirklich. Ich hätte gegessen, wäre sie nicht gewesen.", versuchte sie ihn zu beruhigen. „Halt den Mund! Ich will deine scheiß Ausreden nicht hören!", antwortete er erbost. „Dafür wirst du büßen, Schlampe!", versicherte er ihr. „Bitte... bitte nicht...", flehte die Rothaarige ihn an. Sie hatte verstanden, dass seine Worte ernst gemeint waren. Seit der Bekanntschaft mit dem Strom wollte sie nichts mehr riskieren, schon allein wegen dem Baby. Ihr Widerstand war gebrochen. Doch Ethan hatte keine Gnade mit ihr. Natürlich nicht. Er räumte das Essen weg und band Addison los. „Hier, mach deinen Scheiß da weg!", wies er scharf an und legte ein Handtuch auf den Tisch, die Waffe auf sie gerichtet. Zitternd wischte die Ärztin ihr Erbrochenes auf und warf das Tuch in einen Eimer, welcher ebenfalls von Ethan auf den Tisch gestellt wurde.

Abends lag Addison, wieder gefesselt, auf dem Bett. Sie konnte sich nicht bewegen. Das Atmen fiel ihr schwer. Seine Strafe war schlimmer gewesen, als die Stromschläge. Viel schlimmer. Die Frau kannte die Art der Folterung, die er an ihr angewandt hatte. Waterboarding. Sie selbst hatte schon einmal darüber gelesen.
Nachdem sie ihr Erbrochenes aufgewischt hatte, räumte Ethan den Tisch ab und befahl Addison, sich auf diesen zu legen, was sie auch ohne Widerworte tat. Ihr Kopf lag nicht auf der Tischplatte, sondern hing über dessen Rand hinaus. Dann band er ihren Arm ab, um das Blut in diesem zu stauen und spritze ihr ein Mittel. Es war ein hoch dosiertes Muskelrelaxans. Die Wirkung war verheerend. Denn sie konnte sich nicht mehr bewegen, war aber bei vollem Bewusstsein. Dann legte Ethan ihr ein großes, feuchtes Tuch über das Gesicht, welches er an ihrem Hinterkopf zusammen band.

Und dann begann der pure Alptraum. Ihr Entführer hatte nämlich mehrere Kanister Wasser in den Raum getragen und begann nun, diese über ihrem Gesicht zu entleeren. Panisch versuchte die Ärztin zu atmen, zu schreien und sich zu bewegen, den Kopf zu drehen. Doch es gelang ihr nicht. Ihrem Körper wurde vorgetäuscht, zu ertrinken. Irgendwann lag sie nur noch wimmernd, wie ein Häufchen Elend, auf dem Tisch und betete, dass er ihr Leid endlich beenden würde. Doch er zeigte keine Gnade, bis die Kanister leer waren. Dann ließ er sie auf dem Tisch liegen, schaltete das Licht aus und wartete, bis zur letzten Mahlzeit, die dran gewesen wäre. Doch Addison konnte nicht essen. Das Mittel zeigte noch immer seine volle Wirkung. Deshalb hatte Ethan sie hochgehoben, grob auf das Bett gelegt und wieder gefesselt.

Und nun lag sie hier, konnte nur atmen, nicht einmal sprechen. Und es war dunkel. Seit er sie hingelegt hatte, war das Licht aus. Durch die fehlenden Mahlzeiten verlor sie ihr Zeitgefühl. Sie hatte das Gefühl, sie lag schon seit Stunden hier. Was wohl Ally und Mark gerade machten? Wie lange hatte es wohl gedauert, bis sie ihr Verschwinden bemerkt hatten? Bei den Gedanken an die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben sammelten sich wieder Tränen in ihren Augen. Die Beiden machten sich bestimmt große Sorgen um sie. Sie vermisste ihre Tochter, auch wenn die letzten Wochen anstrengend waren. Und Mark... wie gerne würde sie jetzt in seinen Armen liegen, und einfach nur von ihm gehalten werden... Irgendwann war ihr Körper jedoch so geschwächt, dass sie in einen leichten Schlaf fiel.

Durch das Muskelrelaxans hatte sie keine Kontrolle mehr über ihre Blase oder ihren Darm. Sie merkte auch nicht, wenn diese sich spontan entleerten. Addison schämte sich zutiefst, fühlte sich bloßgestellt und entschuldigte sich bei dem Mann dafür, versuchte, zu erklären, dass sie es nicht mit Absicht getan hatte. Doch das machte Ethan erneut böse.

Er kannte die Wirkung, suchte aber jeden Grund, um seine Gefangene zu quälen. Und diesmal hatte er sich etwas anderes überlegt. Er brachte sie um ihren erholsamen Schlaf.
Mittlerweile war es ihm egal, wie geschwächt ihr Körper werden würde. Er hatte sich dazu entschieden, Addison nicht am Leben zu lassen. Also installierte er Kameras in ihrem Verlies, sowie Lautsprecher. Immer, wenn er sah, dass Addison dabei war einzuschlafen, schaltete er laute; störende Geräusche ein, welche die Ärztin immer wieder hochschrecken ließen. Er gab ihr auch kaum noch Mahlzeiten, weshalb er die Frau ohne Fesselung in ihrem Verlies verweilen ließ. Mittlerweile war er sich sicher, dass die Ärztin sich nicht mehr wehren würde, wenn er den Raum betrat.

Dadurch, dass die Essenszeiten immer unregelmäßiger wurden, hatte Addison ihr Zeitgefühl komplett verloren. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie hier war. Und sie hatte Angst. Weniger Angst um ihr Leben, mehr Angst um das Leben ihres ungeborenen Kindes, welches die Gefangenschaft bisher wohl gut überstanden hatte. Denn, noch hatte die Ärztin keine Abbruchblutung feststellen können. Auch wenn es stets dunkel in ihrem Verlies war, würde sie dies bemerken. Immerhin war sie Ärztin und die Gynäkologie eines ihrer Fachgebiete. Aber nichts desto trotz hatte Ethan ihr die Möglichkeit gegeben, sich zu waschen und ihr neue Kleidung in den Raum gebracht. Dafür war sie ihm wirklich dankbar.

Irgendwann, Addison wusste nicht, wie viel Zeit mittlerweile vergangen war, betrat ihr Entführer den Raum und stellte das Licht an. Addison saß auf dem Boden an eine Wand gelehnt, denn das Bett wollte sie nach der Nacht des Waterboardings nicht mehr nutzen. Vom Licht schmerzhaft geblendet kniff sie ihre Augen zusammen. Sie hörte die schweren Schritte Ethan's, während sie ihre Augen geschlossen hielt. Einige Sekunden später öffnete sie diese langsam und versuchte sich an das grelle Licht zu gewöhnen. Schemenhaft konnte sie erkennen, wie der Mann etwas an einer Wand befestigte. Er schien sie nicht zu beachten. Doch sie war zu schwach, um jetzt einen Fluchtversuch zu unternehmen. Als ihre Augen sich an das Licht gewöhnen konnten, erkannte sie, was Ethan da an der Wand gemacht hatte. Er hatte Fesseln an die Wand gebohrt. Vier Stück, jeweils zwei unten und zwei oben. Fassungslos starrte sie an die Wand und sah dann zu Ethan, welcher sich nun umgedreht hatte und sie widerlich angrinste.

„Na, freust du dich schon?", sprach er euphorisch aus und ging auf die Rothaarige zu, welche noch immer auf dem Boden saß. „Na komm, steh auf.", wies er an und zog Addison grob auf die Beine. Er schubste sie in die Richtung der Wand, an welcher er die Fesseln befestigt hatte. Kraftlos stellte sich Addison mit dem Rücken an diese und ließ sich von Ethan an die angebrachten Fesseln ketten. Widerstand war zwecklos, oder? Als er sie befestigt hatte, und sichergehen, dass sie sich nicht selbst befreien konnte, ging er kurz raus und holte eine mobile Klimaanlage in den Raum, welche er mit wenig Abstand gegenüber von ihr aufstellte.

„Ich finde, es ist ja schon ziemlich warm hier drin... Das werden wir ändern.", erklärte er grinsend und Addison konnte beobachten, wie er das Gerät auf 5° Celsius einstellte. Direkt spürte Addison, wie die Kälte ihre mittlerweile nackten Füße erreichte. Dann ging der Mann auf Addison zu und holte eine Schere aus seiner Hosentasche, mit der er die Kleidung, welcher er ihr gegeben hatte, grob zerschnitt, damit diese die Kälte schneller durchließ. „Ich lass dich dann mal wieder alleine.", sprach er, noch immer grinsend aus und ging. Die Tür musste er auflassen, da das Verlängerungskabel, welches das Gerät mit Strom versorgte, wohl bis zur nächsten Steckdose reichen musste. Und Addison hatte weder in ihrem Verlies, noch im Badezimmer eine gesehen. Es musste noch weitere Räume hier geben. Doch die Ärztin hatte nun andere Sorgen. Wie lange musste sie hier an der Wand, gefesselt, stehen? Mit der bald hereinbrechenden Kälte?

Schon nach kurzer Zeit begann die Gynäkologin am ganzen Leib zu zittern. Nicht viel später spürte sie ihre Arme und Füße nicht mehr. Ihre Muskeln schmerzten durch die angestrengte Haltung und dazu noch die Kälte. Immer wieder versuchte sie sich in den Fesseln fallen zu lassen, damit ihre Beine kurzzeitig entlastet wurden. Doch auch dies hielt sie nicht lange aus, da die Fesseln an ihren Handgelenken anfingen, an ihrer Haut zu reiben. Lange würde es nicht mehr dauern, bis ihre Haut nachlassen und es anfangen würde, zu bluten. Waren die Fesseln doch viel zu eng eingestellt. Verzweifelt starrte sie an die Wand ihr gegenüber, nicht wissend, wann dieser Alptraum endlich ein Ende finden würde.

Irgendwann, Addison hatte schon lange das Gefühl auf ihrer Haut verloren, spürte sie es. Ihr Unterleib zog sich schmerzhaft zusammen und die Ärztin keuchte auf. Kurz darauf spürte sie etwas Warmes an ihrem Bein.

Und dann wusste sie es. Nun war der Moment gekommen, in welchem der Embryo dem Stress dem seine Mutter ausgesetzt wurde, nicht mehr gewachsen war. Sie hatte eine Fehlgeburt. Das Leben in ihrem Bauch hatte es überstanden, musste die Tortur nicht mehr mitmachen. Damit war aber auch der Moment gekommen, in welchem sie sich wünschte, Ethan würde es endlich tun.

Sie wünschte sich, er würde sie endlich von ihrem Leid erlösen. Addison schloss wimmernd die Augen und hoffte, dass diese nun für immer geschlossen blieben.

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