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Meine Großmutter hatte mich schließlich vor einem Supermarkt abholen können. Obwohl Granny mich die ganze Zeit ansah und mich fragte, ob ich reden wollen würde, schweigte ich die ganze Autofahrt. Meine Gedanken waren definitiv nicht im Jetzt. Ich konnte das Bild von Austin nicht aus meinem Kopf bekommen. Die Erinnerungen und auch die Wünsche waren zu überwältigend. Ich hatte mir gewünscht, dass er für mich da gewesen wäre. Doch es blieb wohl nur ein Wunsch.

"Clarissa, meine Liebe. Wenn du mit mir darüber sprechen möchtest, dann kannst du mir das anvertrauen, das weißt du.", Gandmas Stimme war sanft und ich wusste, dass sie es nur gut meinte, doch es half mir leider nicht.
Daher schüttelte ich nur den Kopf und öffnete die Haustüre, "Ich gehe jetzt schlafen. Bis morgen."
Und ohne eine Antwort abzuwarten, lief ich die Treppe hoch und rannte in mein Zimmer. Der Schmerz in meinem Brustkorb ließ sich nicht beschreiben. Vielleicht übertrieb ich ja auch ein kleinwenig, aber er hatte mich enttäuscht. Ich hatte mich ihm geöffnet und ihm meine Gefühle präsentiert, meine Ängste, meine Vergangenheit. Und was tat er? Er behandelte mich so, als wäre ich eine kleine Prinzessin, die rummeckerte und ein Drama machte, weil ihr Schuh nicht passte. Konnte er denn nicht verstehen, wie viel Angst mir das bereitete?
Anscheinend nicht, sonst hätte er sich anders verhalten. Was war so schwer daran zu sagen, dass er fahren würde. Oder dass wir Grandma anrufen würden, oder ein Taxi bestellen würden? Das war doch nicht zu viel verlangt. Oder lag ich da falsch.

Enttäuscht setzte ich mich auf mein Bett und starrte einen Moment nur gegen die Wand. Dann erweckte mein Körper wie auf wundersamer Weise wieder zum Leben und ich sprang auf. Ich strich mein Kleid von meinem Körper und öffnete den Schrank um mir etwas gemütliches anzuziehen.
Mit einem riesigen Pullover und einer Jogginghose setzte ich mich auf mein Bett und kuschelte mich unter die Decke. Ich wollte Ruhe haben, wollte nachdenken und etwas lesen. Mehr wollte ich nicht. Und selbst das war mir nicht gewährt, denn einige Minuten später hörte ich ein Klopfen am Fenster. Als ich hinübersah, war dort jedoch niemand. Doch als ich ans Fenster ging, sah ich, dass jemand kleine Kieselsteine gegen die Scheibe warf.

"Austin?", rief ich, nachdem ich mein Fenster aufgemacht hatte, "Verpiss dich wieder."
Fassungslos sah ich, wie er die Kieselsteine fallen ließ und sagte, "Es tut mir leid. Kann ich hoch kommen?"
"Auf gar keinen Fall!", sagte ich angepisst und schloss das Fenster wieder. Natürlich, irgendwann mussten wir darüber reden. Aber momentan war ich einfach noch zu involviert. Noch zu traurig. Ich wollte darüber nachdenken und nicht jetzt schon darüber diskutieren.
Schnell ging ich wieder in mein Bett und kuschelte mich unter die Decke. Doch es dauerte nicht lange, bis es an der Tür klopfte.
"Grandma", sagte ich genervt, "Ich schlafe, lass mich bitte."
Doch sie ignorierte meine Bitte und öffnete sie trotzdem. Ich setzte mich im Bett auf und war  bereit meine Grandma zur Schnecke zu machen, als Austin in der Tür stand.
"Lass uns bitte darüber reden", sagte Austin und schloss die Tür hinter sich.
"Geh bitte, Austin... Ich will nicht reden. Nicht mit dir und auch mit niemand anderem.", schleuderte ich ihm entgegen und ballte meine Hände zu Fäusten, sodass die Nägel sich schmerzhaft in meine Handinnenflächen bohrten.
"Doch, willst du. Du willst wissen, dass es mir leid tut und dass ich dich nicht verletzten wollte.", erklärte Austin und kam auf mich zu.
"Ich will nur, dass du verschwindest und mich in Ruhe lässt Austin."
Doch anstatt sich umzudrehen, setzte er sich neben mich auf das Bett und nahm meine Hände in seine. Ich versuchte sie herauszuziehen, doch er hielt sie fester umschlossen und ließ mir kein Entkommen.
"Wir beide sind in einer Beziehung. Und wir sind noch nicht lange in einer Beziehung und für uns beide ist es die erste, hörst du?", sagte er und hielt meine Hände nun noch fester.
"Dann lass mich los", fauchte ich.
"Nur wenn du mich nicht schlägst", sagte er mit beruhigender Stimme, "Lass uns reden. Ich will nicht, dass wir streiten."
"Ich will mich auch nicht streiten", wisperte ich leise und hielt meine Hände still, sodass er sie losließ.
"Dann hör mir zu, Clary. Ich habe einen Fehler gemacht und nicht nachgedacht. Weißt du? Ich wollte mich nicht so scheiße verhalten, wirklich nicht."
"Warum hast du es dann?", fragte ich ihn verzweifelt, "Du weißt genau, dass meine Mutter bei einem Autounfall gestorben ist und der andere Fahrer überlebt hat. Du weißt genau, dass er alkoholisiert war und dann willst du, dass ich in ein Auto einsteige, wenn jemand fährt, der getrunken hat?"
"Ich weiß. Ich weiß, dass das idiotisch war. Und ich weiß, dass es dich verletzt hat."
"Aber warum hast es überhaupt getan?"
Er seufzte, "Weil meine Eltern nicht wissen, wie das mit deiner Mom passiert ist. Und hätten wir es ihnen erzählt und darüber gesprochen, dann hätte es für alle den Abend irgendwie versaut."
Geschockt sah ich ihn an. War er wirklich der Meinung, dass meine Vergangenheit etwas versauen würde? Das traurige Schicksal meiner Mutter und wie es sich auf mich auswirkte hätte den ach so wunderschönen Familienabend versaut?
"Du bist der Ansicht, dass es den Abend versaut hätte?", fragte ich entsetzt.
"Nein", er stöhnte kurz verzweifelt auf, "So meine ich das nicht, Schatz."
"Wie denn dann?", fragte ich und rutschte etwas weiter von ihm weg.
"Ich meine, dass du dich mir geöffnet hast, aber das zum einen nicht bedeutet, dass du auch willst, dass meine Eltern das alles wissen. Und zum anderen wollte ich nicht, dass du an diesem Abend so sehr daran erinnert wirst. Ich dachte, dass es vielleicht einfacher wäre, wenn du einfach einsteigst und dir nicht viele Gedanken darüber machst, mein Schatz."
Für einen Moment saßen wir nur nebeneinander und sahen uns an. Er sah wirklich neidergeschlagen aus.
"In einer Beziehung gibt es diese Vorfälle in denen man sich missversteht. Das gibt es immer. Ich wollte dich nie zu etwas zwingen, was du nicht möchtest, das weißt du doch, oder?"
Ich nickte leicht und beschloss einfach darüber hinwegzusehen und ihm zu verzeihen.
"Es tut mir wirklich leid, Clary."
"Schon okay", sagte ich leise und krabbelte unter der Decke hervor um ihm näher zu sein, "Kannst du noch bleiben?", fragte ich ihn und setzte mich dicht neben ihn.

Not gonna CryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt