1« Davis

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Genervt fuhr ich mir durch die Haare und lehnte mich in dem schwarzen Ledersessel zurück.
Beinahe kritisch lagen meine Augen auf den Dokumenten vor meiner Nase und ich konnte schwören, sie würden mich hämisch anlächeln.

Ich biss mir auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen, als würden sich die Buchstaben auf dem Papier dadurch ändern.
Leider handelte es sich noch immer um dieselben, als ich mich vorlehnte, meine Lippe befreite, ehe sie zu bluten begann, und meine Augen wieder gänzlich öffnete.

»Hatte diese Art von Betrachten auch eine Begründung? Ich hätte nicht mit einem Nein gerechnet«, gestand ich ehrlich und zog die Papiere über den gläsernen Schreibtisch näher.
Dass die Franzosen meine bereitgestellte Summe ablehnen und somit den Vertrag ohne Unterschrift zurückschicken würden, hätte ich beim besten Willen nicht geglaubt.

Mit fragendem Ausdruck hob ich den Blick und starrte mein Gegenüber an. Seine Hände zitterten in seinem Schoß. Er hatte Angst. Zurecht. Immerhin sollte er mir einen unterzeichneten Vertrag liefern und nicht einen, der mit einem einfachen „Nein" kommentiert, zurückgeflogen kam.
Er hatte alle Gründe, nun nervös zu sein.

Ich seufzte genervt, als ich den Schweiß auf seiner Stirn sah und er auch nach Minuten kein Wort über die Lippen brachte. So schlimm konnte seine Geschäftsreise nun wirklich nicht gewesen sein. Für eine Person meiner rechten Hand verhielt er sich unreif. Tölpel.

»Nun reden Sie schon, Terry! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«, meckerte ich und klickte genervt auf meinem Kugelschreiber herum.
»Nun ... Sie ...«

Er hielt inne und sah mir unsicher entgegen.
Würde er gleich in Tränen ausbrechen? Ich rollte die Augen gen Boden. Er sollte einen Punkt fassen.

»Sie sind der Meinung, es auch ohne eine Kooperation zu schaffen. Sie wollen ihren Familienbetrieb ungern, in die Hände von ...«
Wieder kam er ins Stocken.
»Ja?«, fragte ich, mit der Geduld langsam am Ende.
»Von ... ungenierten Amerikanern fallen lassen.«

Endlich schien er es geschafft zu haben. Wo lag nun das Problem?

»Aha«, kommentierte ich und begann schließlich zu schmunzeln.
Die Franzosen wollten ihre Güter also traditionell vererben und in der Familie lassen. Niedlich.
Aber wo sollte sie dieses Geschäft hinführen? Das einzige Erbe war ein Haufen Schulden und nicht-getane Arbeit. Dieser Familienbetrieb würde bald eine Ruine sein, dabei hatte ich immer gedacht, Franzosen besäßen ein Gespür für Grenzen. Miserabel. Aber jedem das seine.

Sie wollten also nicht verkaufen. Nun gut, ich hatte noch eine Menge Zeit. Spätestens in fünf Monaten würden sie aufgeben.
Ihre Zahlen sanken sekündlich, wieso verstanden Leute das immer zu spät? Immer dann, wenn es bereits unmöglich war, ihre Existenz noch zu retten.
Wollten sie sich gegenüber der echten Geschäftsmänner behaupten?

Manchmal sollte man früher einknicken und die Anderen einfach gewinnen lassen. Sie alle, die Franzosen, würden ja sehen, was dieses Sträuben brachte. Lächerlich.

»Na, wenn es weiter nichts ist. Du kannst gehen, Terry.«

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Zittrig erhob sich der schlaksige Mann, der sich meine rechte Hand nannte, und verließ ohne ein Wort mein Büro. Die Tür fiel ins Schloss und mit ihr meine Laune.
Ich hasste verschwendete Zeit und dieser Aufschub von Monaten, bis die Franzosen wieder angekrochen kamen und doch eine Kooperation forderten, war unnötig und Energie verschwendend. Dieses vorzeitige Ablehnen würde ihr Budget auf jeden Fall senken. Ich ließ nicht mit mir spielen. Entweder kamen die Leute auf Knien oder sie beglückten sich mit den Konsequenzen. Was auch immer sie taten, am Ende gehörte die Absicht des Kommens mir – früher oder später.
In diesem Fall wohl etwas später.
Schade, dabei mochte ich die Franzosen.

Ich klappte die lederne Mappe mit dem nicht unterschriebenen Vertrag zu und erhob mich aus meinem Sessel.
Diese Komplikation hätte man mir an einem Freitag nun wirklich sparen können. Eben noch hatte ich so gute Laune gehabt.
Na ja, es war darüber zu streiten, wie gute Laune an mir aussah.
Aus einem Lächeln und fröhlichem Gesumme unter der Dusche bestand sie jedenfalls nicht.
Ich konnte meine Zeit nicht mit unnötigem Gesinge verschwenden.
Dazu fehlte mir jegliche Geduld.
In meinem Sinnbild passte die Mimik des Lachens auch nicht in die Position eines angesehenen Geschäftsmannes. Ich hatte meine Autorität nicht wegen eines Lächelns zu verlieren und wer Respekt verlangte, hatte dafür auch einiges zu tun.

Meine Angestellten rissen sich in meiner Anwesenheit am Riemen und strengten sich an, meinen Ansprüchen gerecht zu werden, um dann mit einem beachtlichen Gehalt leben zu können, oder aber sie packten ihre Siebensachen und zogen ab.
Schwachstellen konnte ich mir in meinem System einfach nicht erlauben und wer zwei linke Hände und wenig Talent hatte, musste sich eben einen anderen Job suchen. Hier jedenfalls hatte ein Schwächling nichts verloren.
Es klang hart, das war es auch, aber die Regeln stellte nun mal ich auf und Kritik interessierte mich nicht im Geringsten. Es ging schließlich um mein Unternehmen.

Eine Zeit lang starrte ich in die Leere. Dann aber fasste ich mich und sortierte die Mappe in das Regal hinter meinem Schreibtisch.
Sie würde schon bald wieder hervorgeholt werden und ausgefüllt ihren Nutzen erfüllen.

Belustigt über diesen Gedanken krempelte ich die Ärmel meines Hemdes höher, verschränkte meine Hände hinter dem Rücken und trat näher an die Glasfront meines Büros.
Seattle lag unterlegen vor mir und berauscht vom Gefühl der Höhe und der schmachtenden Aussicht dieser schönen Stadt, hob sich meine Laune wieder um Millimeter. Würde es regnen, hätte Terry heute bestimmt nicht mit meiner Konfrontation rechnen müssen, aber dieses sonnige Wetter konnte er genauso wenig beeinflussen, wie die Entscheidung der Franzosen. Letzteres hatte ich von seiner Reise in das Land der Baguettes allerdings erwartet. Er hatte seine Position in meinem Imperium enttäuscht.
Immer musste man alles alleine machen. Bei dieser Inkompetenz war einem danach, zu weinen.

Vielleicht würde Terry weinen, wenn er demnächst einen Pappkarton in die Hand gedrückt bekam. Es sollte mir egal sein. Damit hatte er vorher rechnen müssen. Mathematik war nicht gerade seine Stärke.

»Mister Harson, Sir?«
Meine Augenbrauen hoben sich. Wer störte denn nun schon wieder?
Ich wandte meinen Blick nicht ab, während ich nickend begann den Störenfried zum Reden aufzufordern.

»Man erwartet Sie zur Konferenz«, klärte mich die Stimme von Via auf und ich hob erstaunt den Kopf.
War es tatsächlich schon Zeit?

»Wie spät ist es?«, fragte ich, gelangweilt meine Hand selbst zu heben.
»In wenigen Minuten viertel nach vier. Sie haben noch gute zehn Minuten um sich vorzubereiten.«
Ich nickte dankend.
»Ich werde da sein. Sie dürfen gehen, Via.«

Ich konnte ihr Zögern spüren. Ihr Blick wandte sich an meinen Körper, gaffte ihn einen kurzen Moment an. Erst als ich mich regte, schien sie meiner Worte und ihrer Handlung bewusst und zog die Tür mit einem leisen Knall zu.
Ich rollte mit den Augen.
Sie sollte sich gefälligst ein anderes Lebewesen zum Starren beschaffen. Da draußen gab es eine menge Affen, die sich gerne mit jungen Frauen beglückten. Ein falsches Wort, ein falscher Blick und sie war ihren Job los. Ich war ihr Chef, kein One-Night-Stand.

Meine Desinteresse an Frauen, insbesondere Angestellten, würde sich in naher Zukunft hoffentlich verbreiten und auch die letzten Träume platzen lassen. Ich konnte diese verliebten Blicke nicht ausstehen. Sie hefteten sich wie Kletten an mich und auch als ich fünf Minuten später mein Büro verließ, klebten sie wie Honig an mir.
Für den Moment ließ ich es kommentarlos, aber demnächst waren sie alle vom Tisch. Ich war keine Adonis-Skulptur zum Anbeten und ich ekelte mich in der Nähe solch denkender Frauen. Sie sollten mich gefälligst in Ruhe lassen.

»Ah, Mister Harson!«

Mein Blick fuhr herum und ein zufriedener Blick trat auf mein Gesicht, als ich meinen Anwalt erblickte. Hervorragend.
Nun konnte die Konferenz an Ausmaß nehmen. Nach der zeitigen Niederlage mit den Franzosen konnte ich ein erfolgreiches Gespräch gut gebrauchen.

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