24« Davis

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»Du bist echt einer der größten Volltrottel, die ich je gesehen habe!«, krähte Daniel als er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ und genau wie ich die Mädchen durch den Rückspiegel beobachtete.

Jane winkte und klammerte sich an Tears, die mir wie eine erstarrte Salzsäule hinterher sah.
Ihre Augen schimmerten voller Enttäuschung und Verletzen und es schmerzte mir in der Brust nicht sofort eine Vollbremsung hinzulegen und sie in meine Arme zu ziehen.

Das Himmelblau in ihren Augen hatte einen viel matteren Schimmer angenommen und es verschwamm dunkel mit jedem Meter den wir uns voneinander entfernten.
Sie sah unglaublich hübsch in ihrer engen Jeanshose und der geblümten Bluse aus, die ihr flatternd um den kurvigen Körper wehte. Ihre Haare waren zu einem Fischgrätenzopf seitlich zusammengeflochten und glänzten in der Abendsonne.

In mir pulsierte ein Kampf zwischen unbändigem Verlangen und plärrender Wut. Wut auf mich selbst, Wut auf den Abstand zwischen uns und Wut auf den Hass in ihrem Blick. Ich hatte verdient, was ich von ihr zu spüren bekam, an unserer Lage war alleine ich schuld, aber es tobte in mir dies nicht wahrhaben zu wollen.

Ich wollte ihr nur nahe sein. Mein Herz verzerrte sich seit einer ganzen Woche nach der Wärme ihres Körpers und ihrem zarten Gelächter in vollkommener Ruhe.
Ich wollte ihre Hand halten, durch ihre himmelblauen Augen in ihre Seele blicken und ihr die Welt zeigen.

In meinem Kopf wusste ich, dass diese Sehnsucht niemals ihren Platz bekommen durfte. Ansonsten würde ich noch anhängiger werden und wo sollte mich das hinführen. Im Umgang mit Frauen war ich, ganz offensichtlich, eine Niete. Wie sollte es dann erst werden, wenn Tears womöglich mehr als nur eine Freundin wäre?
Ich würde ihr niemals geben können, was sie verdiente.

Ich verdiente sie nicht.

»Ich verstehe dich einfach nicht. Du magst sie, sie mag dich - fertig!  Warum bist du so hohl und lässt sie einfach stehen?«
Daniels Stimme wurde wieder lauter und wütender und ich konnte ihn verstehen. In seinen Augen sprach nichts dagegen eine Beziehung mit Tears einzugehen. Er konnte sie gut leiden, aber auf eine andere Weise nervte er mich mit diesem Belehren auch maßlos.

Seit einer Woche hörte ich mir seine Standpauken an, sobald ich mittags von der Arbeit kam.
Er war sauer, weil durch meinen Kontaktabbruch auch der seine zu Jane geblockt wurde. Trotzdem sollte er endlich aufhören sich in Dinge einzumischen, die ihn nicht die Bohne anzugehen hatten.

»Reiß dich endlich am Riemen und nimm sie mit nach England. Denk doch mal nach!«, forderte er mich ein letztes Mal auf, als wir uns am Flughafen in die Sicherheitskontrolle einsortierten.
In mir brodelte es. Angestaute Luft platzte und ich drehte mich ruckartig zu ihm um.

»Das tue ich doch. Seit einer Woche mache ich nichts mehr, als an sie zu denken. Ich denke nur noch an sie und mich, aber ich komme nie auf einen Nenner. Und du hast mir deswegen keine Vorwürfe zu machen! Ich schätze deine Meinung, aber diese Angelegenheit geht dich echt nichts an, Daniel, also halt dich da raus!«

Meine Stimme war aufbrausend und gefüllt mit Verzweiflung, Frust und Wut. Ich wollte schreien.
Die Woche über hatte ich Daniel dumm reden lassen, jetzt reichte es mir. Er war mein kleiner Bruder und ich schätze seine Meinung wirklich sehr, aber es gab Dinge aus denen er sich lieber raushalten sollte.
Mit einem letzten Blick wies ich ihn an weiterzugehen und folgte ihm stillschweigend zum Flugzeug.

Die dreizehn Stunden Flug saßen wir, ohne ein Wort zu reden, nebeneinander und starrten in die Ferne. Vor meinen Augen kicherte Tears, als sie das erste Mal in meinem Auto saß und sich über das schnelle Tempo freute, mit dem ich über die Straßen gebrettert war.
Ihre himmelblauen Augen hatten an dem Tag so unglaublich schön geglänzt, dass mehrere Schauer über meinen Rücken geflossen waren und meine Glieder aufkochten. Sie war so bezaubernd und ich konnte nicht verhindern zu lächeln, wenn ich meine Gedanken bei ihr ließ.

TEARSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt