27« Tears

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Ich hatte ganz vergessen, wie gut es tat sich in Davis Armen fallen zu lassen. Meine Hände krallten sich an das Hemd unter seinem Mantel, während er seine Arme um meinen Körper geschlungen hatte und mich nahe an sich drückte.

In der Stille war nur mein Wimmern zu hören, Davis sagte kein Wort. Er schien zu wissen, dass es auch keine Worte gab, die mich aus dieser Situation retten konnten. Vielleicht schockierte ihn der Anblick aber auch so sehr, dass es ihm an Worten fehlte.

Ich lag lange in seinen Armen, krallte mich lange an ihn und weinte lange sein Hemd voll.
Doch es schien ihm nichts auszumachen. Sein Kopf legte sich nach einer Weile auf meinen und seine linke Hand rutschte höher, streichelte meine Wange und spendete mir damit einen Trost, den ich noch nie gespürt hatte.
Vielleicht drückt man so ohne Worte aus, dass alles gut wird.

Trotz meiner Worte, war ich froh, dass Davis immer noch hier war. Er fragte mich nicht aus, sagte kein Wort, ließ mich trauern und ihn schlagen und sogar meine Beleidigungen nahm er ohne Kommentar hin.
Ich wusste nicht, ob es Einsicht war oder ob er sich nur aus Spaß in meiner Nähe aufhielt, aber ich brauchte keine Erklärung, sondern wollte einfach nicht alleine sein.

Die letzten Tage waren viel schlimmer gewesen, als ich sie mir je vorgestellt hatte. Ich hatte Nächte lang am Strand geschlafen und vor mich hin geweint und meine Trauerphase hatte sich wie beim Tod von Dad abgespielt. Ich hatte aufgehört zu essen, mich wie eine Leiche am Strand aufgehalten und aufs Meer hinausgestarrt ohne mich dabei zu rühren. Tage lang.

Ich hatte über mein Leben nachgedacht, über jeden Tag, den ich an meine Tränen verschwendet hatte, weil ich mich nach Liebe verzehrte. Nach der Liebe von meinen Eltern, meinem Grandpa und nach Jane, die mir ein letztes Mal versprechen sollte mich noch nicht zu verlassen.
Ich versuchte wirklich mir einzureden, dass sie an einem besseren Ort war, endlich ihre Mutter kennenlernte und Dad lachen sah, aber aus reinem Egoismus wollte ich auch an diesen besseren Ort. Ich wollte sie zurück.

Vielleicht waren es Stunden die Davis und ich auf den Friedhof verbrachten. Ich wollte gar nicht wissen, wie schrecklich ich aussah, als ich mich von ihm löste und mir die Augen rieb.
Seine Arme lagen um meine Taille, hielten mich noch immer und verließen mich auch dann nicht, als ich mich zu lösen versuchte.

Verweint sah ich zu ihm auf und traf auf zwei sündhafte Augen, die mich liebevoll ansahen und mir bis unter die Haut Wärme spendeten.
Ich spürte, wie meine Haut zu brennen begann und ich mit einem Gefühl übermannt wurde, dass mich vom Boden riss. Ich wollte verloren gehen.

»Was habe ich dir gerade eben gesagt?«, fragte er mich als ich mich abermals in seinen Armen zu rühren versuchte. Er sollte mich nicht so geschwächt sehen und dann wieder achtlos auf dem Boden liegen lassen, sobald ihm danach war.

»Mich wirst du nicht mehr los«, flüsterte er nahe an meinem Ohr und zog sich erst zurück, als mir ein kühler Schauer bis in die Zehenspitzen rann.
Langsam richtete er sich wieder auf und ließ mich dann los, nur um meine Hand mit seiner zu verschränken und mich mit zu Janes Grab zu ziehen.

Ich folgte ihm langsam und sah gerührt dabei zu wie er aus seiner Manteltasche einen Bilderrahmen hervorzog und das bronzene Rechteck neben einen Strauß Rosen mitten auf ihrem Grab platzierte.
Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich mich und Jane darauf.
Arm in Arm standen wir lachend auf der Aussichtsplattform des Space Needle und hielten unsere Arme in die Höhe, die vom Winde mit geweht wurden.

Davis musste das Bild heimlich gemacht haben, denn wir standen mit dem Rücken zur Kamera und ich konnte mich nicht daran erinnern ihn beim Machen des Schnappschusses erwischt zu haben. Das rührte mich umso mehr.

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