2« BONUSKAPITEL || Davis

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[Ein wenig spät, aber hier ist es. Danke für 100k. ❤️ Viel Spaß beim Lesen]

Die Schwangerschaft war für die Mehrzahl aller Menschen wohl die Zeit der Vorfreude, der Stimmungsschwankungen, der Namen-Suche und der Kinderklamotten-Shoppingtouren.

Als Gray mir damals verkündete, dass ich Onkel werden würde, war er der stolzeste Mann aller Zeiten gewesen.
Er hatte ständig in die Luft gegrinst, war übervorsorglich gewesen und hatte sich keine zehn Meter von dem wachsenden Babybauch entfernen wollen.
Er war überfreudig gewesen und Miras Glück konnte ich bis heute nicht erklären.

So viel Liebe, so viel Hingabe, Wohlgefühl und Herz hatte in ihren Augen gelegen, wann immer ich die beiden und meinen zukünftigen Neffen besucht hatte.
Für sie war das Baby, das größte und schönste Geschenk auf Erden gewesen und sie waren die wohl frohsten Eltern aller Zeiten, wie viele Paare auf dieser Welt.

Meine Mutter hatte früher immer gesagt, dass man vom Glück erst reden konnte, wenn man es in den Armen hielt.
Wir Kinder waren für sie das größte Glück gewesen und auch, wenn drei Jungen nicht immer leicht zu handhaben gewesen waren, so liebte sie uns doch grenzenlos.

Dass Tears unser Baby liebte war keine Frage, sondern eine Antwort.
Sie liebte dieses ungeborene Kind ungemein.

Aber diese neun Monate waren keine Zeit der Vorfreude, der Stimmungsschwankungen, der Namen-Suche oder den Shoppingtouren.
Nein, diese neun Monate waren ein Ritt durch die Hölle selbst und ich versuchte wirklich alles, um Tears bei Laune zu halten, ihr beizustehen und immer ihre Hand zu halten, aber das war vor lauter Leid beinahe unmöglich.

Sie war Protagonistin einer Geschichte, die niemand mit ihr teilten wollte.
Sie war eine Frau, die viel mehr erlebt hatte, als man einem Menschen auf einmal zumuten konnte und jetzt, wo sie langsam fähig war, sich von allen Strapazen des Lebens zu erholen und wieder vernünftig daran teilzuhaben, kam die nächste Ernüchterung, mit der nächsten Last und den nächsten Schmerzen.

Als Jane starb, zersprang Tears wie eine Vase aus Glas.
In all der Zeit danach war ich bei ihr. Ich war da. Immer.

Ich bettete sie in meinen Armen, wenn sie Alpträume hatte, ich hielt ihre Hand, wenn es wieder Zeit war nach San Francisco zu fahren.
Ich war dabei, als sie ihren Führerschein machte, als sie den Schulabschluss nachholte und danach zur Uni wechselte, als sie endlich ihren Traumjob ausleben durfte.
Ich war bei jedem Hoch und jedem Tief an ihrer Seite.
An Janes erstem Todestag, bei Tears erstem Absturz, der sie mit ihren schweren Bisswunden am gesamten linken Handgelenk zwei Tage im Krankenhaus liegen ließ, bei ihrer ersten Therapiestunde, der Zeit danach, die es langsam wieder bergauf ging, bis zu ihrem zweiten Absturz - einem Biss in ihren Oberarm und jedem Moment danach.

Tears war ein Mensch, der nie wieder ganz heil sein konnte.
Ich wusste das.
Sie würde niemals dieselbe Person sein, die sie zu Anfang ihres Lebens gewesen war.
Mit ihr würde das Leben einer Achterbahn gleichen.
Es würde noch mehrmals zu ihrer Selbstverletzung kommen, sie würde noch ein paar Mal von mir wegrennen und ihre Tränen würden wohl niemals, niemals versiegen.

Aber gerade, weil sie doch so kaputt war und weil ihr Leben ein Ritt ohne Sattel war und weil sie es nie leicht hatte, verstand ich nicht, wieso sie nun auch noch schwanger geworden war, obwohl wir wirklich mit allen Mitteln gleichzeitig das zu verhindern versucht hatten und es jahrelang geklappt hatte.

Wenn es nach allem eines gegeben hatte, was Tears niemals gewollt hatte, dann waren das ihre eigenen Kinder.
Das alles klang hart und unmenschlich, aber jeder der Tears Geschichte kannte, konnte dieses Denken nachvollziehen.
Ich am allermeisten.
Ich hatte diese Entscheidung von Anfang an verstanden und akzeptiert.
Ich hatte ihre Beweggründe gekannt, hatte eingesehen, dass sie das Risiko nicht eingehen wollte, dass sie sich selbst nicht über
den Weg traute und, dass sie niemals wieder einen lieben Menschen leiden sehen wollte.

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