11« Tears

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Dass man sich selbst in den Armen eines Arschlochs wohlfühlen konnte, hatte ich nie für möglich gehalten.
Seine Körperwärme hatte mich bereits beim Augenblick unserer verschränkten Hände in einen Bann gezogen, dem ich mich bis zum Ende des Abends nicht hatte entziehen können.

Warm. Warm und trocken waren seine Hände und umschlangen die meinen, als wüssten sie, dass ich jeden Fetzen meiner Haut zu verstecken versuchte.
Das Gefühl von Ekel und Dreck und Wertlosigkeit hatte mich in einen Schock versetzt und erst als sich seine Finger um meine schlossen und er mich auf die Beine gerissen hatte, verfiel ich Ablenkung und reiner Faszination.

Gemütlich lagen seine Arme um meinen Körper. Sie schützen, was niemand sehen sollte, sie hielten, was ich nicht halten konnte und sie ließen nicht los, was selbst ich bereits losgelassen hatte. Für den Moment war alles gut gewesen und jetzt im Nachhinein schob ich es wie einen Witz von mir.

Diese »Rettung« entsprang seinem puren Eigennutz. Er hatte einmal den Helden für jemanden vorgaukeln wollen, der in diesem Leben sowieso keine Rolle spielte. Mich konnte man von sich stoßen und mich konnte man leicht vergessen, denn in dieser Welt interessierte sich niemand für mich.
Er konnte machen, was er wollte. Ich war ein Spiel für ihn. Leicht. Er wollte sich wichtig tun und ich hatte es ihm so einfach gemacht.

Arschloch. Dieser scheiß arrogante Idiot.

Ich war wie immer naiv gewesen. Hatte mich fallen lassen, mich nicht gewehrt und mich tatsächlich bis nach Hause tragen lassen. Ich hatte genossen, was seine Körperwärme mit mir anstellte - warme Schauer überliefen meine Haut, sorgten für eine Gänsehaut und brachten alles in mir zum Rumoren.

Wohin war die Angst geflogen, als ich in seinen Armen lag?
Wo hatte sie sich versteckt, als er mich zurück auf die Beine gelassen hatte und wir uns minutenlang in die Augen gestarrt hatten?
Was war los mit mir, als ich mich dem leuchtenden Grün nicht mehr entziehen konnte?

Wie Smaragde hatten sie gefunkelt. Als hätte die Nacht ihm höchstpersönlich zwei Sterne auf die Pupillen gesetzt und sie angeleuchtet. Ich war ihnen verfallen. Das wusste ich.
Für den Moment war ich ihnen verfallen. Ich hatte sie angestarrt.
Ich hatte genossen, wie mein Gesicht sich in ihnen spiegelten und wie seine Augen meinen Blick erwiderten.
Er hatte nirgendwo hingesehen, nur zu mir, nur auf mich.

»Ja«, hatte er gesagt.
»Ja«, hatte er geflüstert.
»Ja«, hatte er wiederholt.

Zwei einfache Buchstaben hatten dafür gesorgt, dass sich die Nacht, wie von selbst, in ein ewiges Aufbleiben geändert hatte. Ich schlief nicht mehr.
Während Jane nachts in meinen Armen lag und sich an mich kuschelte, ihre Hände an mein Shirt krallte und lächelnd zu träumen begann, floss durch meinen Körper die plärrende Kälte.
Sie kratzte unangenehm an meinem Körper und so warm ich mich auch anzog, sie verließ mich nicht.
Eisig hatte sie sich an meinen Körper gehaftet und war dort geblieben.
Ich fühlte mich allein.
So allein hatte ich mich noch nie gefühlt.
Ich fühlte mich entblößt.
So dargestellt, wie noch nie.
Ich fühlte mich schutzlos.
So schutzlos, seit seine Arme mich verlassen hatten.

Meine Welt drehte sich nur noch um seine massiven Arme, die sich um meinen Körper gelegt hatten, als seien sie rettende Flügel.
Um seine moosgrünen Augen, die mich an sich banden und nicht gehen ließen.
Um seine Wärme, seine Aufmerksamkeit und seine Gestalt.
Alles drehte sich um das »Ja«.

Es hatte verzweifelt geklungen.
Als sei er verwirrt von dem, was er sagte und als sei er wirklich am Irren. Ich mochte den Schimmer seiner Augen, wenn er verloren war.
Sein Gesicht glich einem hilflosen Kind, dass in einem riesigen Einkaufsgeschäft seine Mutter verloren hatte. Große Kulleraugen und eine Mischung aus Kummer, Fragen und tiefer Angst. Ja, tatsächlich - Angst.

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