15« Tears

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Das blaue Kleid stand Jane fabelhaft. In transparenten Rüschen fiel ihr der Rock bis zu den Knien und bei jedem Schritt wirbelte er auf, dass es aussah, als würde sie gleich abheben. Sie sah aus wie ein Engel und ich lächelte, als ich sie strahlend vor dem Spiegel im Badezimmer stehen sah.
Die Pailletten auf ihrem Oberkörper glänzten im Lichte und glitzerten, wenn man sie anleuchtete. Das Kleid schmeichelte ihrem Körper und ich wusste, dass sie heute Abend einiges an Aufmerksamkeit bekommen würde. Diese Erfahrung musste sie als 'fast' Erwachsene wohl machen.

»Wann wollen wir los?«
»Gleich.« Ich schmunzelte über ihre Ungeduld und ließ sie im Badezimmer zurück um meine Poems aus dem Schlafzimmer zu holen. Jane hatte zu dem Kleid gleich die passenden Schuhe und den Schmuck erhalten und auch wenn die Preise mir nicht leicht aus dem Portemonnaie zu bezahlen waren, war mir heute nichts zu teuer. Geld spielte einfach keine Rolle mehr, denn was mit mir geschah, war egal.
Ich wollte auf nichts mehr achten, sobald sich Jane von mir verabschiedete. Ich hatte keinen Grund mehr über die Runden zu kommen. Wofür? Für wen?
Für wen und um wen hatte ich zu kämpfen? Für wen auf dieser Erde lohnte es sich jeden Morgen aufzustehen und weiterzumachen? Für wen lebte ich noch auf der Erde?

»Ist ›gleich‹ jetzt?«
Ich kicherte, als ich zurück in den Flur trat und Jane an der Haustür lehnen sah.
»So aufgekratzt warst du ja seit langem nicht mehr. Wir treffen doch bloß ein paar Freunde«, murmelte ich und war glücklich, dass sich Brian gekümmert hatte, sodass wir uns alle gegen neun in seiner Bar ein paar Straßen weiter treffen wollten.

Brian hatte sich vor drei Jahren seinen großen Traum von einem eigenem eigenen Lokal erfüllt und das B-N lief meines Erachtens sehr gut.
Ich war nicht oft dort. Meistens war ich in den Zeiten seiner Öffnung selbst arbeiten und so trafen wir uns meist woanders oder lange Zeit gar nicht.
Wie genau wir aneinander geraten waren, wusste ich nicht mehr. Ich kannte Matt und Brian bloß von der Highschool und hatte sie damals von weitem beobachtet.
Sie gehörten zu den beliebten Schülern und ich saß als stilles Mauerblümchen bloß im Unterricht und war halt da. Damals war es recht, dass niemand etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich hatte nicht die Kraft über das zu reden, was mir schon in Zeiten der Middleschool widerfahren war. Bis heute hatte ich niemandem von meiner Vergangenheit erzählt. Ich hatte damals keine Freunde und so stellte mir auch niemand Fragen über die vielen Fehlstunden oder meine Abneigung gegenüber anderen Menschen.

Ich wusste, dass es immer eine Art Selbstschutz war. Ich wollte niemanden in die Sache mit hineinziehen. Das alles war meine private Angelegenheit und ich wollte mich außerdem mit niemandem über das Thema unterhalten. Es reichte, wenn ich mich nachts alleine in den Schlaf weinte. Dabei wollte ich nicht getröstet werden und ich wollte auch nicht hören, von Menschen die keine Ahnung hatten, das am Ende doch noch alles gut würde.

Sie hätten sich getäuscht.

»Ja. Wir können jetzt los.«
Mit einem triumphierenden Jubel und darauffolgendem Schwindel öffnete Jane die Tür und fiel zugleich auf den Boden.
Mit aufgerissenen Augen jagte ich ihr nach und schmiss mich neben sie.

»Jane?«
Sie röchelte, fasste sich abwechselnd an den Hals und dann aufs Herz, ehe sie wehleidig die Augen schloss und sie Sekunden später wieder öffnete.
»Aufstehen«, hauchte sie schwach und hielt sich am Türrahmen fest, als ich sie zurück auf die Beine hob.
»Vielleicht sollten wir...« Ich brach ab als ich ihr Gesicht sah. Kreidebleich und doch von Stolz getrotzt.

»Wir gehen jetzt los!«, bestimmte sie, sammelte sich und lief dann etwas gekrümmt los. Ich folgte ihr, half ihr, so gut es ging die Treppen hinab und beobachtete sie den gesamten Weg aus Argusaugen. Mir war nicht wohl, aber wann war mir das schon einmal gewesen? Das war schon lange her.

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