42« Tears

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Ich war noch nie schnell gerannt und gleichzeitig langsam gewesen.
In meinen Lungen rasselte es und ich rang laut und stockend nach Atem, obwohl ich kaum einen Zentimeter vorankam.
Immer wieder lief ich gegen Autos und hielt mich an Häuserwänden fest um nicht auf den Boden zu schlagen und dort zu bleiben.

Ich wusste nicht ob Wilson es in den letzten zehn Minuten geschafft hatte wieder aufzuwachen und mir nachzujagen. Alles, was ich wusste, war, dass ich rennen musste, Schwindel hin oder her, um ihm und seinen dreckigen Fingern zu entkommen.

Mein Körper hielt sich nur von meinen Bewegungen über Wasser, die mein Blut ausreichend erhitzen, um meiner Nacktheit entgegenzuwirken. Ich hatte mein zerrissenes T-Shirt neben Wilson liegen lassen und so schnell wie möglich die Flucht ergriffen. Wegen der Dunkelheit, war mir egal, dass ich mit nur einem BH bekleidet durch die Straßen lief und kläglich versuchte meinen Weg zurück zu der Bar zu finden, in der ich vor einer guten halben Stunde noch gesessen hatte.

Meine Orientierung war verschwommen. Ich wusste nicht genau in welche Richtung ich rannte, wo vorne und hinten war und ob ich meinem erwünschten Ziel überhaupt näher kam. In mir schrie nur alles danach, dieser grausigen Begegnung zu entkommen, seine Finger von meinem Körper zu löschen und mich in Davis Arme zu retten.

Ich fröstelte unglaublich und mein unregelmäßiger Atem stieg in kalten Wolken in die Luft, die mich schaudern ließen. Wenn ich nicht bald aus dieser Kälte kam, war ich in den nächsten Minuten nur noch ein erstarrter Eiszapfen. Ich musste Davis schleunigst finden, aber dafür brauchte ich erstmal einen klaren Kopf und meine Orientierung zurück.
Wo, um alles in der Welt, war ich?

Die Straßen kamen mir vor lauter Dunkelheit alle gleich und fremd vor und mir grauste, dass sich kaum ein Licht auf die Straße traute, um mir den Weg weisen.

Mein Kopf pochte mit jedem Schritt mehr und mich durchfuhr ein heftiger Schmerz, als ich um die nächste Häuserecke rannte.
Keuchend stoppte ich und hielt mich an der Hauswand fest, um nicht auf die Knie zu sacken.
Bei meiner Kopfnuss hatte ich wohl doch mehr abbekommen, als ich mir eingestehen wollte. Ein metallener Geschmack bitterte in meinem Mund, aber ich war mir sicher, dass die Wunde an meiner Stirn nichts Gravierendes sein konnte. Ich redete mir seit Minuten ein, dass meine Haut nur leicht aufgekratzt war und blutete, dabei rann so viel Blut über meine Wangen, dass ich eindeutig mehr kassiert hatte.
Die Bewusstlosigkeit lauerte auch in mir, aber ich zwang mich weiterzurennen, weil mir keiner meiner gerannten Meter Sicherheit gab, wenn ich nicht die Wärme spürte, in die ich mich verliebt hatte. Verdammt, warum war ich auch weggerannt?

Ich hätte noch immer entspannt in der Bar sitzen können und mich mit Leah unterhalten. Aber nein, ich war aus reiner Verletztheit abgehauen und gerade nur knapp einer Entführung entkommen, die mich vermutlich mein Leben gekostet hätte.

»Bleib stehen, du dreckiges Luder!«

Ich erschrak fürchterlich, als ich seine Stimme gute Hundert Meter von mir hörte und aus lauter Schock drehte ich mich um.
Der Alkohol lähmte meine Knochen, aber das ich so wenig hatte anrichten können, dass er mich so schnell hatte einholen können, schockierte mich noch mehr.

Tränen stiegen mir in die Augen, weil ich in all der Dunkelheit kein Licht sah, dass mich vor diesem Mann retten würde, der mit jedem Meter näher rückte. Ich versuchte vergebens schneller zu werden, aber mein Kopf brodelte voller Schwäche und so fiel ich immer weiter zurück.

Während ich weinte, breitete sich wieder diese ironische Lache in mir aus und auch wenn ich mir dümmer vorkam, als jemals zuvor, ließ ich ihr diesmal sogar Platz für Laute. Es war ein Schallen, dass mich selbst erschreckte. Ich lachte unglaublich laut, ausgiebig und ausgelassen, als würde Wilson mir den tausendsten Witz erzählen und mich gleichzeitig kitzeln.

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