43« Tears

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Wenn du einen geliebten Menschen verlierst, bricht für dich eine Welt zusammen.
Von jetzt auf gleich wirst du mit etwas konfrontiert, was dich nicht nur traurig, sondern auch verzweifelt macht.

Es ist nicht so, dass du den ganzen Tag im Bett liegen und weinen, trauern, dürftest.
In Minuten in denen der Schmerz am unerträglichsten, am frischsten ist, musst du dich aufraffen und spontane Organisationen machen.

Du musst die Beerdigung planen.
Du musst Verträge und Versicherungen kündigen, den Tod deines Verwandten melden, gegebenenfalls den Anwalt für ein Testament aufsuchen und vor allem, musst du weinen.

Wenn wir Menschen jemanden verlieren, ist es nicht zuerst der Schmerz, der uns lähmt und tötend in eine Ecke schmeißt. Es ist der Druck, die Konfrontation.
Du kannst den Tod nicht planen. Er kommt einfach.
Meistens dann, wenn du ihn überhaupt nicht gebrauchen kannst.

Als Jane krank wurde, glaubte ich, jeden Tag mit ihr zu sterben. Langsam tötete uns die Zeit. Es war schrecklich. Es war schmerzhaft. Es war unerträglich.
Aber der Tod an sich, er war wie ein Pflaster auf der Wunde.

Ich spreche nicht von meinem eigenen Pflaster. Ich spreche vom Pflaster meiner besten Freundin, meiner Schwester, meinem Engel.
Janes Tod ließ mich Qualen leiden. Aber die Qualen waren weniger schlimm, als die, die ich jeden Tag erlitt, als sie noch lebte.

Ich weiß mittlerweile, dass ihr eigener Tod mehr Erlösung war, als Leid. Jane selbst ängstigte sich keinen einzigen Tag vor dem Tod, denn sie wusste, er würde nicht schlimmer sein, als das Ding in ihrem Körper, das sie schleichend ermordete.
Ich, als Außenstehende und hilfloser Zuschauer, konnte mir diese Furchtlosigkeit nicht vorstellen. Heute weiß ich, dass ich niemals nachvollziehen kann, was sie durchstehen musste.

Ich selbst bin nicht krank. Worüber beschwere ich mich?
Sie war es, die litt. Mein Leiden kam nur durch ihres und zog sich längst nicht so Folgenreich.
Ich litt seelisch. Jane litt körperlich. Wir litten aneinander vorbei. Wir litten, ohne den anderen verstehen zu können, und doch trösteten wir uns.

Heute weiß ich, dass Jane neben mir sein könnte und wir immer noch leiden würden. Der Tod hat uns beide erlöst. Jeden von seinem eigenen Leid.
Ich weiß, dass wir beide uns nicht miteinander hätten über Wasser halten können. Wir waren nicht dafür gemacht worden, gemeinsam glücklich zu werden. Es ging nicht einmal. Es war unmöglich.

Jane konnte immer nur im Himmel glücklich und frei werden.
Ich konnte nur auf der Erde mein Lächeln finden.

Die Reise bis zu unserer Trennung war schön und steinig zugleich gewesen.
Ich hatte es nicht wahrhaben wollen. Ich hatte es nicht verstanden. Ich hatte Angst gehabt alleine zu sein.
Dabei waren die Wege zu unserem Glück nun mal ohne einander.

Es ist alles so, wie es sein sollte. Es kam alles, wie es sollte. Es war alles richtig.
Und doch hatte ich anfangs – die ersten Tage nach dem Tod – geglaubt, die Welt wolle mich ohne Sinn und Lieben wie eine Marionette am Abgrund des Lebens herumwirbeln.

Ich war überfordert. Ich war konfrontiert mit etwas Neuem, dass mich ganz plötzlich unter Druck setzte.
Ich wollte nicht. Aber ich war machtlos. Machtlos über die Entscheidungen, die zwischen Himmel und Erde getroffen wurden.

Die Entscheidung mir Jane zu nehmen und Davis zu geben.
Er kam für mich zur Erde, um mit Jane zu tauschen, die als Geschenk in den Himmel kam. Es ist alles so, wie es sein sollte. Es kam alles, wie es sollte. Es war alles richtig.
Es ist alles richtig.

Ich weiß, dass ich niemals über meine Tränen hinwegkommen werde. Ich werde wohl immer leiden –  das ist okay –  aber vielleicht werde ich in Zukunft weniger weinen. Ich bin mir sicher, dass es so sein wird.

TEARSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt