20« Davis

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»Kannst du endlich aufhören wie ein behindertes Karnickel zu grinsen? Du machst mich ganz wuschig«, murrte Daniel und zog den Hängeschrank neben mir auf, um seine Cornflakes herauszuholen und sich ein Müsli zu machen.

Aufmerksam verfolgten meine Augen seine Bewegungen, doch die eigenen meiner Lippen konnte ich nicht kontrollieren.
Heute Morgen wollten sie einfach lächeln.

Der gestrige Helikopterflug lag mir im Magen und jedes Mal, wenn ich an ihr strahlendes Lächeln dachte, schwoll in mir ein Gefühl von Glück an, das sich nicht mehr verziehen wollte.
Sie hatte sich gefreut, das wusste ich.
Trotz ihrem Zögern und den wässrigen Augen, mit denen sie mich angesehen hatte, war sie zuletzt dankbar für diesen Ausflug gewesen.

Ihre Augen waren weit aufgerissen gewesen und nichts hatte Tears mehr amüsiert als diese sprachlose Aussicht und die Turbulenzen des Flugs. Schon das Autofahren hatte ihr in den Kurven und im Anzug der Geschwindigkeit ein Kichern entlockt und mir schien, als wäre sie jemand, der im Freizeitpark gleich fünfmal hintereinander mit einer Achterbahn fuhr.

Als ich Tears und ihre Schwester am Abend nach Hause gebracht hatte, schienen beide mehr als zufrieden mit dem Tag.
Ich war enttäuscht gewesen, weil ihre erste Reaktion auf den Helikopter so minder ausgefallen war. Sie schien ängstlich, aber nicht wegen der Überraschung, sondern ganz offensichtlich meinetwegen.
Sie hatte Angst vor mir, vor allem, was ich geplant hatte und was nach diesem Ausflug noch kommen würde.

Der Blick ihrer Augen hatte in mir alles auf den Kopf gestellt und ich war der Situation ausgesetzt gewesen, das wusste ich.
Was auch immer sie gesagt hätte, ich hätte alles getan, um sie glücklich zu machen. Ihre Tränen taten weh. Unglaublich, aber sie taten weh.

Ich wusste, dass ich Tears mit jedem Tage, an dem ich sie ansprach und besuchte, mehr und mehr an mich heranließ. Ich erzählte ihr Dinge, die ich niemandem erzählte und ich vertraute ihr Dinge an, die sie jeder Zeit gegen mich verwenden konnte. Ich wüsste gerne, was es war, dass ich mich so sicher mit ihr fühlte. Was an ihr vermittelte mir das Gefühl, dass ich ihr mein gesamtes Leben in die Hand drücken konnte und sie damit nicht schamlos wegrennen würde?
Warum vertraute ich ihr? Warum ließ ich sie, als eine Frau, an mich heran. Weshalb?

»Ich bin stolz auf dich«, verriet mir Daniel und der plötzliche Ernst in seiner Stimme ließ mich fragend hinter ihm her ins Wohnzimmer gehen.
Schwungvoll warf er sich mit der Müslischüssel auf meine Couch und ignorierte, dass die wässrige Milch dabei das Polster befleckte.

»Warum stolz?«, fragte ich und trank einen Schluck von meinem Kaffee.
»Weil du endlich nicht mehr so besessen bist. Du hast wieder etwas für das du dich ins Zeug legst und jemanden, dem du gefallen willst. Dein Ehrgeiz hat sich endlich hinter etwas gestellt.«
Er schien froh darüber und ich fragte mich, ob es wirklich so war.
Stand Tears über alledem?

»Tears schafft es, warum auch immer, deinem Herzen zu gefallen und ich sehe doch, wie du sie mehr und mehr für dich beanspruchst. Sie tut dir gut und was einem guttut, versucht man bei sich zu halten. Du magst Tears. Irgendwo, irgendwie da drinnen ist sie die Eine, ich weiß es.«

Ich wollte ihm widersprechen. Doch die Worte blieben mir im Halse stecken. Mir schien, als sollte ich dieser Meinung nicht widersprechen. So, als sei es eine Feststellung, der ich auch endlich beginnen sollte zu glauben.

»Ist es nicht verrückt?«, fragte ich ihn, weil mir das alles schon seit ich Tears kannte, durch den Kopf ging. Wie konnte es sein, dass ich so intensiv nach ihrer Anwesenheit suchte, sie so dringlich bei mir haben wollte, so stark an sie dachte?
Wie war es überhaupt möglich, dass ich mich um das Befinden einer Frau sorgte?
Es mag für einige nicht so absurd klingen, doch durch meinen Wunsch, die Firma an die Spitze der Spitzen zu bringen, hatte ich mein Umfeld komplett vergessen. Ich hatte mir Gefühle verboten, die mich ablenkten und ich hatte vor allem meine Familie verlassen, damit sie mir nicht ins Leben reden konnten.
Ein Grund nach Amerika zu gehen, war der Abstand und jetzt war ich hier und suchte doch wieder die Nähe zu jemanden.
Aber nicht zu irgendjemandem...

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