15. Kapitel

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Eine Woche war vergangen. Eine lange Woche. Leider hatte ich mich an dem Morgen nach der Party an jedes noch so kleine Detail erinnert. So sehr ich es auch versuchte, jede Kleinigkeit schien sich in mein Gehirn eingebrannt zu haben und ließen mich seit dem Abend nicht mehr richtig los. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass mich die Partyszene selbst in meinen Träumen heimsuchten.

Wenigstens hatte Nari in einem Punkt Recht gehabt. Am nächsten Tag erinnerte sich nämlich niemand sonst mehr an diesen verhängnisvollen Abend oder sie konnten es einfach sehr gut verbergen. Nari, bei der ich in dieser Nacht übernachtet hatte, war am Morgen so verkatert gewesen, dass ich sie so gut es ging mit Aspirin und Wasser versorgte. Ihr Glück war, dass ihre Eltern nicht da waren und nichts davon mitbekamen. Mir erzählte sie später, dass ihre Eltern eigentlich selten zuhause waren und sie deswegen meistens alleine war.

Als meine Mutter mich dann abholte, war sie begierig darauf gewesen zu erfahren, wie es gelaufen war und was ich zu erzählen hatte. Wie jeder normale Mensch, der von seiner Mutter ausgefragt wurde, sagte ich ihr nicht die Wahrheit. Zumindest in Teilen. Ich erzählte ihr weder von den Mengen Alkohol,  die in den Mägen der meisten gelandet war, noch von meinen Mitschülern, die das meiste davon wieder nach draußen befördert hatten. Und erst recht nicht erzählte ich ihr von der Sache mit Yoongi. Das einzige, was sie zu hören bekam, war, dass der Abend sehr schön war und ich mich mit allen gut verstanden hatte.

Um die Zeit, in der meine Mutter an die Tür des großen Hauses klingelte, in dem Nari mit ihrer Familie (das  hieß meistens alleine) wohnte und für sich sorgte, hatte ich meine Freundin zum Glück bereits so weit gehabt, dass sie zwar immer noch müde dreinblickte, man ihr den Alkoholpegel aber nicht mehr ansah. In dem Fall wäre meine Mutter definitiv nicht mit den Antworten zufrieden gewesen, die  ich ihr geliefert hatte. Bei weitem nicht.

So hatte sie mich also nur abgeholt, ein oder zwei Fragen gestellt und mich dann wieder in Ruhe gelassen. Dass die Fragerei somit ein Ende hatte, kam mir mehr als gelegen, aber die Stille, die damit einherging eher weniger. So konnte ich nämlich nichts anderes mehr tun, als an die Feier und somit zwangsläufig auch an Yoongi zu denken.

Das Wochenende gab mir immerhin zwei Tage in denen ich darüber nachdenken konnte, wie ich dem Jungen am Montag wieder gegenübertreten sollte. Mit Nari hatte ich über den Kuss nicht geredet, weil sie sich sicher nicht daran erinnern konnte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sich Yoongi letztendlich daran erinnern konnte oder nicht. Ich war ihm zwar danach aus dem Weg gegangen, aber vom Rand aus hatte ich ihn immer mit einer Bierflasche in der Hand entdeckt. Ob es immer dieselbe war konnte ich auf die Entfernung beim besten Willen nicht ausmachen,  aber ich hatte Hoffnung, dass es vielleicht schon genug war um das Spiel zu vergessen.

Als der Montag dann gekommen war, konnte ich mein Glück kaum fassen. In der Schule schien sich, wie Nari gesagt hatte, keine Menschenseele so richtig an die Feier erinnern zu können. Sie behandelten mich alle so, wie sie es schon immer getan hatten, seit ich in diese Schule ging. Die eine Hälfte freundlich und die andere Hälfte mit abschätzenden Blicken, wann immer ich im Gang auf Soomin traf und ein paar Worte mit ihm wechselte. Er war immer freundlich und gut gelaunt und er sorgte sogar dafür, dass ich in meinem Ansehen in der Schule etwas anstieg,  alleine, weil es so aussah, als würden wir uns gut verstehen, nur weil wir ab und zu ein paar  zwanglose Worte miteinander wechselten. Zugegeben, manche, besonders die Mädchen, waren nur freundlich zu mir, weil sie sich dadurch erhofften, so an Soomin heran zu kommen.

Trotz allem, dem guten Start in den Tag, weil alle ahnungslos waren, war ich bis zum Mittagessen in der Kantine noch nicht vollständig über den Berg. Mein Herz blieb stehen, als ich Yoongi an dem altbekannten Tisch sitzen sah. Er redete mit Jinho und Johae und hatte Nari und mich noch nicht entdeckt. Als wir uns dann schließlich mit unserem Essen setzten, blickte er auf und lächelte uns beiden zu. In seinen Augen konnte ich kein Gefühl der Scham entdecken. Das führte  dazu, dass ich mit jeder verstrichenen Minute offener wurde und am Ende der Mittagspause mit meinen Freunden redete wie immer.

Seesaw (BTS Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt