63. Kapitel

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"Du hattest schon damals eine Zuneigung zu Dachgärten.", sagte ich, sobald ich ihn auf dem großen Dach sah. Yoongi drehte sich lächelnd zu mir um.

"Dir entgeht wohl gar nichts, was?"

"Manchmal."

Ich war schließlich nicht vollkommen. Seine Augen sahen müde aus. Sie hatten jeglichen Glanz verloren. Stattdessen sahen sie unnatürlich trüb aus. Er war schließlich schon eine ganze Weile lang wach. Ich fragte mich, wann er normalerweise ins Bett ging. Ich trat neben ihn und stützte meine Arme auf dem Geländer ab. Ich beobachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf.

"Was machst du hier oben?", fragte ich. Eine Zeit lang blieb er stumm. Sein Blick war ausschließlich auf die Stadt gerichtet. Selbst als er mir antwortete, wandte er den Blick nicht ab.

"Es ist ein guter Ort um nachzudenken.", sagte er.

"Worüber musst du denn nachdenken?" Ich war neugierig. Ich hatte gedacht sein Leben war vor allem sorgenfrei. Er konnte doch keine Sorgen haben, oder? Vielleicht mal abgesehen davon, dass er Musik produzierte und Deadlines einhalten musste. Das war wahrscheinlich schon anstrengend genug. Und doch schien ihn etwas anderes grundlegend zu beschäftigen.

Er kratzte sich am Hinterkopf.

"Über dies und das.", wich er meiner Frage aus und ich nickte. Er musste nicht darüber reden, wenn er nicht wollte, aber einen kleinen Stich versetzte es mir doch. Ich hatte gedacht, dass wir wieder an dem Punkt unserer Freundschaft angelangt waren, an dem wir uns alles anvertrauen - oder fast alles - konnten und an dem er auf mich zu ging und mir seine Probleme mitteilte. Ich wollte ihm helfen.

"Das ist bestimmt ein toller Ort um seinen Gedanken nachzuhängen.", sagte ich überzeugt.

"Hier oben kann man einfach alles vergessen.", sagte er verträumt.

Unsere Blicke waren auf die erhellte Stadt gerichtet. Ich lächelte. Solche Nächte könnte ich ständig haben, wenn ich einfach öfter einen Gang herunterschalten würde und die Arbeit liegen ließ.

Ich holte tief Luft und mein Blick schweifte in den Nachthimmel. Er war klar und sternenbedeckt. Wenn ich so in den Himmel starrte, konnte ich nicht fassen, dass diese funkelnden Sterne tausende und abertausende Kilometer von uns entfernt waren. Manchmal glaubte ich, dass man einfach hineingreifen und die Sterne einzeln vom Himmel pflücken konnte. Kleine, glitzernde Diamanten, die man an Schönheit nicht übertreffen konnte.

Ich seufzte.

Yoongi ließ derweil seine Knochen knacken und fasste sich im nächsten Moment mit schmerzverzehrtem Gesicht an die Schulter.

"Was ist los?", fragte ich erschrocken, aber er schüttelte den Kopf. Er hatte die Augen geschlossen und atmete tief ein und aus. Er senkte die Hand schließlich wieder langsam.

"Es geht schon wieder.", beruhigte Yoongi mich. Ich biss mir auf die Lippe.

"Alles in Ordnung?"

Yoongi nickte.

"Die Schulter macht mir in letzter Zeit wieder zu schaffen.", gestand er.

"Was ist passiert?", fragte ich, winkte dann aber schnell ab. Ich wollte ihn nicht zwingen mir irgendetwas zu erzählen. Damit hatte er jedoch kein Problem.

"Ich hatte einen Unfall. Als wir noch Trainees waren. Ich hatte einen Nebenjob als Essenslieferant und an einem Tag wurde ich angefahren." Er fasste sich erneut an die Schulter und ich holte scharf Luft.

"Und? Was hat der Arzt gesagt? Müsste das nicht schon längst wieder verheilt sein?"

Yoongi lächelte schwach.

Seesaw (BTS Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt