Ich weiß nicht genau, wer sich als erstes wieder gefasst hatte, aber sowohl Jean als auch Azriel fragten mich, wie ich das gemeint hatte. Nur zu gerne hätte ich ihnen diese Frage beantwortet und alles erklärt, aber diese Erklärung war zu lang und unsere Zeit war zu knapp. Deshalb hatte ich nur den Kopf geschüttelt und ging zügig tiefer in die dunkle Gasse. Ich wusste, dass ich bald alles näher erklären musste, aber es stimmte. Erwin war nicht tot, sondern quicklebig. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Auch war es nicht Erwins Herz, was ich mit mir herumgetragen hatte, sondern dass eines Schweines, aber all das würde ich später erklären, wenn wir die Zeit dafür hatten. Die Schritte, die ich hinter mir hörte, zeigten, dass Jean und Azriel mir folgten. Nachdem ich die Frage der beiden Männer nicht beantwortet hatte, waren sie in Schweigen verfallen und auch ich sagte kein Wort. Stattdessen führte ich sie durch schmale Gassen, weit weg von Cyrians Hauptquartier. Zuerst wollte ich einige Kilometer zwischen seinem Lager und uns bringen, bevor ich mir Gedanken machte, wie wir den Hauptgefreiten und Armin fanden. Unser Verschwinden hatten sie sicherlich schon bemerkt und vielleicht hatten sie es ja auch schon gehört, was geschehen war. So etwas wie eine Rückkehr von jemanden oder eine Gefangennahme, sprach sich in bestimmten Kreisen sehr herum und wenn man wusste, wo man diese zu finden hatte, bekam man schnell die neuesten Ereignisse zu Ohren. Ich war mir sicher, dass Levi diese Kreise nur zu gut kannte. Schließlich hatte er eine Zeit lang auch hier unten gelebt. Ich wusste nicht, wie der Hauptgefreite auf die Nachricht reagieren würde. Vielleicht hatte er ja etwas geahnt oder aber er würde den Rückzug antreten. Das wäre sicherlich die schlauste Entscheidung, denn Armin war zwar ein guter Stratege und war auch ein Genie, aber körperlich war er einer der schwächsten Soldaten, die ich bis jetzt kennengelernt hatte. Doch war Levi so ein Mensch? Ich kannte ihn nicht gut genug, um zu wissen wie er in einer solchen Situation reagierte. Ich konnte nur hoffen, dass wir ihn schnell fanden. Während ich mir den Kopf über den Giftzwerg zerbrach, schlugen meine Füßen unbewusst den Weg zum Haus ein, in dem wir eigentlich über Nacht bleiben sollten. Diese Tatsache wurde mir jedoch erst bewusst, als Jean mich darauf ansprach. „Also, wenn du mich fragst, sind die beiden schon längst weg.", riss mich Jean aus meinen Gedanken. „Die beiden haben sicherlich gehört was geschehen ist und werden weitergezogen sein."
Dadurch, dass Jean schon viel länger in Levis Einheit war, konnte er ihn besser einschätzen als ich und vielleicht wusste er ja, wie wir den kleinen Giftzwerg am besten fanden. Innerlich konnte ich mich gerade ohrfeigen, denn bis jetzt war mir dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. Ich warf einen kurzen Blick über meine Schulter zu Jean. Zu meiner Überraschung, war die Wut aus seinem Gesicht gewichen und auch das misstrauische Funkeln in seinen Augen hatte nachgelassen. Stattdessen blickte er mit ernster Miene zu mir. „Hast du auch eine Idee, wie wir die beiden finden?", fragte ich vorsichtig. Gerade konnte ich Jean nicht einschätzen. Er war immer ein Kerl, der ehrlich seine Meinung heraussagte, aber seitdem ich gesagt hatte, dass Erwin am Leben war, hatte er sich mit seiner Meinung zurückgehalten und das verunsicherte mich. „Nicht wirklich, aber ich Levi und Armin werden uns suchen. Levi ist zwar griesgrämig und oftmals unfair, aber er würde niemanden im Stich lassen.", beantwortete Jean meine Frage. Ein scharfer Unterton lag in seiner Stimme, so als ob er mir irgendetwas damit sagen wollte und tatsächlich traf es mich. Schließlich wusste ich nur all zu gut, dass es mal eine Zeit gab, in der ich hätte alle um mich herum sterben lassen, nur damit ich überlebte. Doch war ich immer noch diese Person? Unsicher über mich selbst, wandte ich den Blick von Jean ab und blickte kurz in Azriels braune Augen. Kurz nickte er mir zu. Ein Zeichen dafür, dass er mir die Führung überließ. Schon lange waren wir hier unten ein eingespieltes Team und wussten, wann wer von uns am besten die Führung übernahm. „Jean, was sollen wir dann jetzt tun?", fragte ich den Aschblonden, denn er schien von uns drei am besten Levi zu kennen. Kurz schien er zu überlegen, bevor er mit einem Nicken zum verlassenen Haus deutete. „Wir sollten erstmal uns ausruhen. Wie ich Levi kenne, wird er versuchen an Informationen zu bekommen. Vielleicht weiß er auch schon, dass wir fliehen konnten.", sprach Jean. Azriel nickte zustimmend. „Man wird die Flucht sicherlich bemerkt haben und nach euch beiden suchen.", sprach Azriel nun zum ersten Mal. Dabei warf er mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. Vielleicht missbilligte er doch meine Entscheidung und würde mich noch verraten. Bei dem Gedanken lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich verbot mir diesen Gedanken. Wenn Azriel wirklich so denken würde, hätte er uns nicht zur Flucht verholfen, sondern im Kerker mein Leben ein Ende bereitet. Wir beide wussten nur ganz genau, dass ich ihm körperlich unterlegen war und in unseren Trainingskämpfen, war er immer als Sieger hervorgegangen. An den Gedanken der ganzen blauen Flecken, die ich mir während der Trainingseinheiten zugezogen hatte, verzog ich das Gesicht. Darauf hätte ich all die Jahre aus verzichten können. „Also sollen wir, abwarten bis Levi uns findet.", schlussfolgerte ich aus Jeans Erklärung, der daraufhin leicht nickte.
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Dark Soldiers
FanfictionMan sagt, dass du die Soldaten den Aufklärungstrupp beitreten, die bereit sind ihr Leben für die Menschheit zu opfern. Macht mich der Eintritt in den Aufklärungstrupp zu einem guten Menschen? Oder stimmt es, was die Bewohner innerhalb der Mauer sage...